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»Was denn?«

»Darauf stand: >Man schickt mich zu Sarait.< Etwas in der Art. Ich kann nicht beschwören, daß es genau diese Worte waren.«

»Und der Wächter ließ dich durchs Tor, als du ihm das Stück Birkenrinde vorzeigtest?«

»Ja.«

»Was hast du gemacht, um als Stummer zu gelten?«

Der Zwerg lachte. »Wie stellt ein Schauspieler wohl etwas dar? Mit seiner Miene.«

»Wie hast du Sarait gefunden?«

»Der Wächter hat mir erklärt, wie ich zu ihrer Kammer gelange. Ich fand sie schnell. Die Frau war allein, daher konnte ich ihr die Nachricht mitteilen.«

»Die wie lautete?«

»Wie ich schon sagte, daß ihre Schwester sie dringend zu sprechen wünschte.«

»Das war alles?«

»So lautete die Botschaft.«

»Wie hättest du sie übermittelt, wenn Sarait nicht allein gewesen wäre?« wollte Eadulf wissen. »Und wenn du wieder den Stummen hättest spielen müssen?«

Forindain lächelte müde. »Dann hätte ich mir etwas einfallen lassen. Doch sie war allein, und so wurde ich alles mündlich los. Ich kann auch schreiben und lesen, mußt du wissen.« Seine Stimme klang nun etwas herablassend. »Wir Schauspieler sind ziemlich gebildet.«

»Hast du dann gewartet, um Sarait zu begleiten?« fragte Fidelma.

Forindain schüttelte den Kopf. »Ich hatte mir meinen screpall verdient und kehrte ins Gasthaus zurück. Ich wollte mir dafür eigentlich ein gutes Zimmer nehmen, habe aber dann darauf verzichtet.«

Fidelma stieß einen tiefen Seufzer aus. »Du bist also gleich zum Gasthaus zurückgekehrt?«

»Ja. Dort bestellte ich mir corma und eine Suppe. Ich habe ein paar von den Pilgern gesehen, und ich hörte, wie sie über Imleach sprachen. Dann habe ich mich in einen Stall zurückgezogen. Das ist nicht so teuer wie ein Zimmer im Gasthaus. Ich fand ein warmes Plätzchen im Stroh. Ich wachte erst wieder auf, als im Hof Lärm aufkam. Ich sah Krieger, die sich mit den Pilgern unterhielten. Dann ritten sie wieder fort. Später sprach ich den Führer der Pilgergruppe an. Er hatte nichts dagegen, daß ich mich ihnen anschloß. So blieb mir nicht viel Zeit, mir die Stadt anzusehen; ich kehrte bald zu den Pilgern zurück, die aufbrechen wollten. Zu dem Zeitpunkt beschloß ich, wieder den Leprakranken zu spielen, was zwar weniger gut ist, um Essen und Unterkunft zu erhalten, aber das Reisen an sich erleichtert.« »Und du hast nichts weiter gehört? Gab es kein Geschrei?«

»Geschrei?« Der Zwerg rieb sich das Kinn. »Doch, doch, es kam, wie ich schon sagte, zu einem kleinen Tumult. Die Krieger suchten scheinbar nach jemandem. Ich wollte nicht fragen, worum es da ging. Ich war ja vorgeblich leprakrank, also habe ich mich mit niemandem unterhalten. Was hätte ich tun sollen?«

Nun herrschte Schweigen. Fidelma nickte zu Eadulf hinüber, der sagte: »Als Sarait die Burg verließ, lief sie ihrem Mörder in die Arme.«

Forindain war fassungslos.

»Ich habe sie nicht umgebracht. Ich kannte sie gar nicht. Alles, was ich sagte, ist wahr«, beteuerte er.

»Außerdem«, sagte nun Fidelma, »war sie die Amme meines Kindes, und da sie niemanden fand, der sich um das Kind kümmern konnte, hat sie es mitgenommen. Seit diesem Zeitpunkt ist mein Kind verschwunden.«

Der Zwerg stöhnte ein wenig.

»Ich ... Ich habe damit nichts zu tun. Ich habe einfach nur die Botschaft überbracht, Lady. Sonst weiß ich von nichts .«

»Mich interessiert die Frau, die dir die Nachricht an Sarait übergeben hat.«

»Ich sagte dir schon, daß sie Saraits Schwester war. Die solltest du lieber verhören.«

Nachdenklich betrachtete Fidelma den Zwerg.

»Saraits Schwester hat abgestritten, eine solche Botschaft geschickt zu haben. Beschreibe uns die Frau doch einmal.«

»Es war fast dunkel, und sie stand im Schatten des Gasthauses.«

»Hielt sie sich die ganze Zeit im Dunklen auf?«

Forindain grübelte einen Moment.

»Einmal trat sie kurz in den Lichtschein hinaus. Als sie mir die Birkenrinde reichte. Aber sie trug einen Umhang mit Kapuze, so daß ich ihr Gesicht nicht wahrnehmen konnte. Ich hatte den Eindruck, daß sie wohlgebaut war, eher klein ... Verglichen mit einer Frau von normaler Größe, meine ich«, berichtigte er sich. »Ihre Stimme klang nicht nach der eines jungen Mädchens. Jetzt erinnere ich mich. Im Licht der Laterne konnte ich kurz die Farben ihres Umhangs sehen. Ich dachte noch, daß es ziemlich ungewöhnlich sei, zu solcher Zeit und an einem solchen Ort einen solchen Umhang zu tragen.«

»Ungewöhnlich?« wollte Eadulf wissen. »Inwiefern?«

»Es war ein langer Umhang aus grüner Seide mit einer Kapuze, die ganz über ihr Gesicht fiel. Und die grüne Seide war mit roter Stickerei verziert. Der Umhang wurde von einer silbernen Schnalle mit Edelsteinen zusammengehalten. Als sie mir das Geld gab, fiel mir auf, daß sie an den Fingern Ringe trug. Ich konnte sie nicht sehen, habe sie aber gefühlt.«

Eadulf blickte Fidelma fragend an, doch sie schien ganz in ihre Überlegungen vertieft.

»Nun«, sagte er, »diese Beschreibung paßt ganz sicher nicht zu Saraits Schwester. Sie trägt eher einfache Kleidung.«

Fidelma fuhr aus ihren Gedanken auf und blickte Eadulf eine Weile an.

»Hattest du das denn erwartet?« fragte sie.

»Damit ist schlicht und einfach ausgeschlossen, daß sie in die Sache verwickelt ist, das ist alles«, entgegnete er.

»Mit irgendeinem Mord habe ich nichts zu tun, Lady«, beteuerte Forindain noch einmal. Er war nervös und hielt seine Hände verschränkt vor sich.

»Diese Frau wartete im Dunkeln, um jemanden zu finden, der eine Nachricht zur Burg bringt«, überlegte Fidelma laut. »Es scheint, daß ganz zufällig du es warst, der gerade auftauchte und diese Sache erledigen konnte.«

»Zufällig? Was soll das heißen?«

»Woher sollte sie wissen, daß ausgerechnet du dort auftauchen würdest?«

Der Zwerg verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Vielleicht war sie eine Hellseherin«, entgegnete er. »Woher soll ich das wissen?«

»Wird deine Truppe die Tournee fortsetzen?« fragte Fidelma nun. Offensichtlich wollte sie das Thema wechseln. »Werdet ihr auch nach Cashel weiterziehen?«

Forindain seufzte. »Mein Bruder war ein guter Komödiant, doch wir müssen weitermachen. Das ist die einzige Möglichkeit, uns unseren Lebensunterhalt zu sichern. Uns bleiben nur das Theater und die Jahrmärkte. Wir werden unserem ursprünglichen Plan folgen.«

»Also dürfen wir euch in Cashel erwarten?« erkundigte sich Fidelma.

»Ende nächster Woche ist Jahrmarkt in Cashel. Wir werden dort sein, Lady, es sei denn, daß man uns auf Grund der Vorfälle den Zutritt verwehrt.«

»Euch wird nichts verwehrt.« Fidelma erhob sich. »Ich würde mich im Gegenteil sehr freuen. Komm mit deinen Gefährten wieder, Forindain. Ich bedaure aufrichtig den Verlust deines Bruders.«

Forindain stand etwas unsicher auf. »Und mein Bruder Iubdan? Wird ihm Gerechtigkeit widerfahren?«

»Ich rate dir, einen anderen Namen anzunehmen und eine andere Rolle zu wählen. Ganz gewiß hat man deinen Bruder mit dir verwechselt. Das sollte niemand erfahren. Auch wenn ich glaube, daß du nun außer Gefahr bist, da wir uns unterhalten haben. Ich nehme an, daß der Täter durch den Mord einen Mitwisser ausschalten wollte. Dennoch solltest du nichts riskieren. Von nun an solltest du Iubdan sein, bis du zu mir nach Cashel kommst.«

Der Zwerg zögerte. Dann verneigte er sich leicht und verließ das Zelt.