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»Mein Mentor Brehon Morann hat immer gesagt, daß der Stolz nur eine Maske ist, hinter der man die eigenen Fehler verbergen will.«

Della mußte lächeln. »Wenn jemand einen Grund hat, stolz zu sein, dann du, Fidelma. Du bist so klug und gebildet, und deine Taten sind in den fünf Königreichen von Éireann in aller Munde.«

Fidelma wies das von sich. »Als ich bei Brehon Mo-rann Recht studierte, da habe ich mich als erstes von meiner Eitelkeit verabschieden müssen. Sich deutlich zu machen, daß man nichts wußte und nie mehr als einen Bruchteil von allem wissen würde, auch wenn man sein ganzes Leben der Kontemplation und dem Studium widmen würde, war aller Studien Anfang. Sonst wäre es mir nicht einmal möglich gewesen, das zu lernen, was ich schon längst zu wissen glaubte.«

Della versuchte, Fidelma wieder auf das eigentliche Thema ihres Gesprächs zurückzubringen.

»Du hast da eben einen Zwerg erwähnt, der zur Burg kam. Suchst du nach ihm?«

Fidelma lächelte ein wenig. »Ich habe ihn bereits gefunden. Was er mir erzählte, glaube ich ihm. Ich glaube es, weil sein armer Bruder sterben mußte.«

»Und was hat er erzählt?«

»Daß er an jenem Abend nach Cashel kam und von einer Frau - einer Frau, die einen grünen Seidenumhang mit roter Stickerei trug - gebeten wurde, Sarait eine Nachricht zu überbringen.«

Aufmerksam beobachtete sie Dellas Gesicht. Sie war überrascht, als sie einen Anflug von Erleichterung darin entdeckte.

»Dann wird der Zwerg diejenige wiedererkennen können, die den Umhang trug.«

»Leider nicht«, erwiderte Fidelma. »Du mußt wissen, daß das Licht, daß auf die Kleider der Frau fiel, nicht ihr Gesicht preisgab. Der Zwerg konnte nur feststellen, daß die Frau nicht mehr jung war. Sie gab ihm für seinen Botendienst Geld.«

Della wirkte nun wieder angespannt und sah blaß aus.

»Jetzt begreife ich, warum du mir diese Fragen stellst«, sagte sie. »Du denkst, daß ich es war. Aber auch andere Frauen könnten solch einen grünen Umhang mit roter Stickerei besitzen.«

Fidelma zeigte auf die Kleidertruhe.

»Die Tatsache, daß du deinen Umhang nicht mehr findest, scheint die Vermutung zu bestätigen, daß es sich um ihn handelt.«

»Das bedeutet aber nicht, daß ich ihn getragen habe.«

»Das stimmt. Kannst du dich erinnern, was genau du an jenem Abend alles getan hast?«

Della zögerte.

»Fidelma, du hast mir geholfen, als alle anderen sich von mir abgewandt haben. Du hast mich verteidigt, als andere mich verurteilten. Ich schwöre dir bei unserer Freundschaft, daß ich nicht diejenige bin, die du suchst. Ich weiß nichts weiter, als daß ich einmal einen grünen Seidenumhang besessen habe und er nun verschwunden ist.«

Fidelma sah sie eine Weile eindringlich an.

»Als deine Freundin sage ich dir, Della, daß ich dir glaube. Aber in dieser Sache muß ich als dâlaigh sprechen. Ich muß herausfinden, wann dir der Umhang gestohlen wurde, und ich benötige irgendeinen Beweis dafür, daß du an dem Abend, an dem Sarait ermordet wurde, hier im Haus warst.«

Della hob hilflos die Arme hoch.

»Vom Recht verstehe ich nichts, Lady Fidelma. Du mußt tun, was du tun mußt. Ich werde deine Fragen, so gut es geht, beantworten. Doch ich kann dir in dieser Sache gewiß nichts Nützliches erzählen.«

»Du kannst mir also nicht genau sagen, ob du an diesem Abend hier im Haus warst. Kannst du mir jemand nennen, der für dich bürgen würde?« fragte Fidelma eindringlich.

»Es gibt dazu nichts mehr zu sagen«, erwiderte Della entschlossen.

Fidelma seufzte tief.

»Nun gut. Ich glaube dir, Della, aber ich will mein Kind finden. Das siehst du doch ein.«

Della beugte sich spontan vor und berührte Fidel-mas Arm.

»Sieh mal, ich bin auch Mutter. An deiner Stelle würde ich mich ebenso verhalten. Ich war nicht glücklich in meinem Leben. Als ich jung war, wollte ich unbedingt eine Familie gründen. Das ist mir versagt geblieben. Mein Pech war, daß ich mich immer in die falschen Männer verliebt habe. Ich schenkte ihnen all meine Zuneigung und mein Vertrauen, und sie nahmen mir alles und ließen nur schreckliche Erinnerungen zurück. So wurde ich zu einer bé-tâide; ich wollte mich an den Männern rächen.«

»Ich verstehe nicht, warum Prostitution eine Art Rache an den Männern sein sollte.«

Della lachte auf, aber eher verbittert.

»Prostitution macht Männer unterwürfig; sie suchen die Gunst der Frauen und müssen dafür bezahlen. Das ist die Rache für alle Frauen, denen sie sich aufgedrängt haben, als deren Herren sie sich aufspielen, nur weil sie ihre Ehemänner sind.«

»Die Frauen müssen sich doch nicht mit dem Verhalten der Männer abfinden«, erinnerte Fidelma sie. »Vor dem Gesetz haben sie das Recht, sich von ihnen zu trennen und sich scheiden zu lassen.«

»Das Gesetz ist logisch. Manchmal ist das Gesetz aber nur so gut wie der Mensch selbst. Was im Schlafzimmer zwischen Mann und Frau geschieht, liegt häufig außerhalb des Einflußbereichs des Gesetzes.«

»Eine Frau braucht keine Angst zu haben. Wenn ein Mann seiner Partnerin droht oder physische Gewalt anwendet, so ist das Grund genug für eine sofortige Scheidung. Wenn ein Mann außerdem Lügen über seine Frau verbreitet oder sie demütigt ...«

Della unterbrach sie.

»Du verstehst das nicht. Ich weiß, daß du eine perfekte Ehe führst, und ich wünsche dir alles Gute. Doch Männer und Frauen sind nicht immer logisch in dem, was sie denken und tun. Manchmal erträgt eine Frau auf Grund ihrer Gefühle für ihren Partner Dinge, die der Vernunft nach vom Gesetz rasch geahndet werden könnten. Die Vernunft kann nicht alles heilen.«

Fidelma fühlte sich plötzlich sehr erschöpft. Tränen traten ihr in die Augen, sie konnte nichts dagegen tun.

Della blickte sie überrascht an.

»Lady Fidelma, was fehlt dir?« fragte sie. Sie legte eine Hand auf ihren Arm.

Fidelma brachte kein Wort heraus.

»Oh, verzeih mir, Lady Fidelma, ich habe eben nur an mich gedacht.« Della war offenbar wirklich betroffen. »Ich vergaß, daß es hier um dein Kind geht, das entführt wurde. Wie konnte ich so gedankenlos sein?«

Fidelma versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. Dann seufzte sie.

»Ach, Della, es ist nicht nur Alchus Entführung, die macht, daß ich mich fühle, als stünde ich an einem tiefen Abgrund.«

Della starrte sie nachdenklich an.

»Ist es wegen des sächsischen Bruders? Deinem Ehemann? Ist er der Grund für deinen Kummer?«

»Es ist weit mehr, als daß ich ihn nur mit meiner Eitelkeit verstimmt habe, Della«, erwiderte Fidelma mit gebrochener Stimme.

Ihre Freundin sah sie prüfend an.

»Erzähl mir, was geschehen ist«, meinte sie.

Zuerst zögerte Fidelma, doch dann fing sie an, Del-la die Situation zu schildern, in der sie und Eadulf sich befanden. Die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund. Während sie sprach, wurde ihr bewußt, daß es schon lange her war, daß sie sich mit einer Frau un-terhalten hatte, der sie trauen konnte. Seit ihre Freundin Liadin, die wie eine Schwester für sie gewesen war, Schande über sich gebracht hatte, hatte Fidelma keine anam chara, keine Seelenfreundin, mehr gehabt. Liadin und sie waren zusammen aufgewachsen. Als sie das Alter der Wahl erreichten und vor dem Gesetz als Frauen galten, waren sie Seelenfreundinnen geworden. Sie hatten sich geschworen, einander geistlichen Beistand zu leisten, so wie es unter Christen in Irland Brauch war. Liadin hatte einen fremden Stammesfürsten geheiratet, Scoriath von Fir Morc, den man aus seinem Land vertrieben hatte und der unter den Ui Drona in Laigin Zuflucht gefunden hatte. Liadin aber hatte bald einen Liebhaber und war offenbar an dem Mord an ihrem Mann und ihrem Sohn nicht schuldlos. Auch ihren Eid gegenüber Fidelma hatte sie gebrochen. Fidelma hatte nie wieder jemanden als Seelenfreundin akzeptiert.