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Da kam ihm auf einmal ein Gedanke. Sicher würde er am Ende auch nicht viel klüger sein, aber dieser Sache nachzugehen wäre allemal besser, als herumzusitzen und nichts zu tun.

Er eilte hinaus und ging zu den Ställen.

Ein Stalljunge sattelte ihm rasch sein Pferd. Als es bereit war, ritt er über den Hof zu den Toren.

Caol hatte Dienst und begrüßte Eadulf.

»Ich mache einen kleinen Ausritt. Ich muß mich etwas bewegen«, erklärte Eadulf, ehe man ihn fragen konnte.

»Das ist ein prächtiger Morgen dafür, Bruder«, antwortete der Wächter. »Auch wenn ich nie gedacht hätte, daß du jemals zum Vergnügen ausreiten würdest«, fügte er mit einem kleinen Grinsen hinzu.

»Ich möchte dort hinter diese Berge« - Eadulf zeigte nach Süden - »und dort ein wenig herumlaufen.«

»Richtung Süden liegt ein See, der Loch Ceann«, sagte der Krieger. »Da läßt es sich gut wandern.«

»Richtung Süden? Ist das dort, wo der Holzfäller Conchoille arbeitet?« fragte Eadulf mit unschuldiger Miene.

»Ja, ganz in der Nähe. Die Stelle, wo er Bäume fällt, befindet sich bei Rath na Drinne. Willst du mit ihm sprechen, Bruder?«

»Das wäre eine gute Idee, jetzt, wo du es erwähnst. Vielleicht suche ich ihn bei dieser Gelegenheit auf.«

Eadulf bedankte sich bei Caol und ritt langsam den gewundenen Pfad hinab, der vom Burghügel bis zu den ersten Häusern der Stadt führte. Kurz vor dem Stadtrand bog er ab auf den Weg, der östlich um die Stadt herumging. Dann verschwand er im Wald.

Sein Ziel war nicht Loch Ceann, sondern Rath na Drinne, wo der Holzfäller Conchoille seinem Tagwerk nachging. Es dauerte nicht lange, und vor ihm lag der kleine Berg von Rath na Drinne. Dicht davor stand das alte Wirtshaus von Ferloga, dessen Schild langsam im Wind hin und her schwang. Eadulf hielt sein Pferd an und stieg ab.

Niemand befand sich in dem Holzhaus, als er ins dunkle Innere trat. Es war noch zu früh am Tag. Er ließ die Tür hinter sich zufallen, und nur ein paar Sekunden vergingen, bis ein kleiner rundlicher Mann mit hochgekrempelten Ärmeln und Schürze aus einem Nachbarraum kam und ihn von oben bis unten musterte. Schließlich begrüßte er ihn.

»Guten Tag, Bruder, was kann ich für dich tun?«

»Ich möchte einen Becher Met«, erwiderte Eadulf lächelnd, »und ein paar Fragen beantwortet haben.«

»Du bist Sachse, dem Akzent nach zu urteilen. Also bist du wohl Bruder Eadulf, Ehemann unserer Herrin, Lady Fidelma von Cashel?« erkundigte sich der Mann.

Eadulf nickte. »Und dein Name ist vermutlich Fer-loga?« »So ist es. Dein Unglück betrübt mich sehr, Bruder Eadulf. Lady Fidelma ist in diesem Landstrich hoch angesehen. Es wird gemunkelt, daß unsere alten Feinde, die Ui Fidgente, hinter der Tat stecken sollen.«

»Wo hast du das gehört?« fragte Eadulf und ging zu einem Stuhl am Feuer in der Ecke der Gaststube.

Ferloga hatte einen Becher Met eingeschenkt und brachte ihn Eadulf. Dann nahm er auch vor dem Feuer Platz.

»Hier spricht sich alles schnell herum, Bruder. Viele meiner Gäste leben oder arbeiten in Cashel.«

»So wie Conchoille?«

»So wie Conchoille«, bestätigte ihm der Wirt. »Es passiert in Cashel kaum etwas, ohne daß wir davon erfahren.«

Nachdenklich nippte Eadulf an seinem Met. Er war mit Honig gesüßt. »Kurz bevor er Saraits Leiche fand, war Conchoille hier«, sagte er.

Ferloga schaute nachdenklich in die Flammen.

»Ich erinnere mich noch gut an jenen Abend. Ich erfuhr ja erst am nächsten Morgen, was passiert war. Da kam Conchoille noch einmal her und erzählte mir alles. Ich habe versucht, alles, was an jenem Abend hier geschah, genau im Gedächtnis zu behalten.«

»Conchoille kam her und hat dir alle Einzelheiten berichtet?« fragte Eadulf beiläufig.

»Natürlich.«

»Was hat er denn gesagt?« Eadulf wollte unbedingt mehr aus ihm herauskriegen. »Soviel ich weiß, wird eine Geschichte beim Wiederholen immer ein wenig verzerrt. Als Fidelma und ich hier herkamen und Conchoille uns die Geschichte erzählte, hatte er sie bestimmt schon hundertmal zuvor von sich gegeben. Du warst sicher einer der ersten, die den genauen Hergang der Dinge gehört haben. In deiner Version kann noch etwas Wichtiges stecken, das wir bisher übersehen haben.«

Ferloga lachte. »Ich bezweifle, daß Conchoille etwas ausgelassen hat. Er ist nicht nur Holzfäller, er ist auch ein guter senchaid, einer der besten hier in der Gegend.«

Eadulf wußte, daß ein senchaid ein Geschichtenerzähler war, der die alte Tradition der mündlichen Weitergabe von Legenden ausübte. Sie wurden Wort für Wort von einer Generation zur nächsten überliefert. Er hatte in Runden gesessen, wo ein senchaid solche Legenden erzählte; die Zuhörer kannten sie oft besser als der Vortragende selbst, und wehe ihm, er blieb stecken oder benutzte ein falsches Wort. Er wurde sofort von ihnen verbessert.

»Ein senchaid ist nicht unfehlbar, Ferloga. Erzähl mir, was Conchoille dir berichtete.«

Ferloga lehnte sich zurück und schloß kurz die Augen, als würde er sich so besser erinnern können.

»Wenn Conchoille hier in der Nähe arbeitet, kommt er gewöhnlich zum Abendessen her. Er ist Witwer und hat niemand, der für ihn kocht. An jenem Abend, als es langsam dunkel wurde, trat er ein, aß und trank etwas, und blieb dann noch auf einen Schwatz, ehe er aufbrach.«

»War das sehr spät?«

»Ja, denn wir hatten uns einiges zu erzählen.«

Eadulf sah den Wirt an.

»Zum Beispiel was?«

»Nur den üblichen Dorfklatsch, ein paar Neuigkeiten. Das gehört zum Dasein als Gastwirt dazu. Ich gab mein Erlebnis mit den Umherziehenden zum besten, die kurz zuvor mit ihrem Baby hier durchgekommen waren. Ich erzählte, wie ich sie schon rauswerfen wollte, aber meine Frau einschritt und ihnen etwas zu essen gab gegen eine Salbe für die Entzündung an ihrem Bein. Schließlich nahm Conchoille seine Laterne und machte sich auf den Weg nach Cashel.«

»Und was geschah dann?«

Ferloga lächelte. »Er sagte, er sei schon fast in Cashel gewesen, als er über ein blutdurchtränktes Schultertuch gestolpert sei. Da hätte er auch Saraits Leiche entdeckt.«

»Und dann?«

»Er ließ die Leiche liegen und lief zu Saraits Schwester Gobnat, die nicht weit entfernt wohnt. Ihr Mann ist Capa, wie du wohl weißt, von der königlichen Leibgarde. Capa eilte mit Conchoille zur Leiche zurück. Auf dem Weg trafen sie einen Krieger, der zur Burg wollte. Den beauftragten sie, sofort Alarm zu schlagen, denn Sarait stand bekanntlich in den Diensten unserer Herrin, Lady Fidelma. Doch als Caol und seine Wachleute eintrafen, wurde klar, daß Sarait die Burg mit Lady Fidelmas ... mit eurem Sohn verlassen hatte. Also wurde eine Suche angeordnet, doch die blieb ergebnislos.«

»Und das war alles?«

Ferloga zuckte mit den Achseln. »Man suchte zunächst bei Fackelschein; am folgenden Vormittag machte man weiter. Man hat die Siedlung und den Wald durchkämmt.«

Eadulf war ganz in Gedanken versunken.

Ferlogas Bericht hatte ihm nichts wesentlich Neues eröffnet. Darauf hatte er auch gar nicht gehofft. Doch etwas beunruhigte ihn. Etwas konnte er nicht so richtig einordnen.

»Und weiter hat Conchoille nichts gesagt?«

Nun runzelte Ferloga die Stirn.

»Verdächtigst du Conchoille irgendeiner üblen Sache?« fragte er. »Er ist ein vertrauenswürdiger Mann, der in vielen Schlachten gegen die Ui Fidgente gekämpft hat.«

Eadulf blickte ihn nachdenklich an.

»Auch in Cnoc Äine?« fragte er unerwartet.

»Viele von uns waren in Cnoc Äine dabei«, bestätigte ihm Ferloga.

»Auch Saraits Ehemann Callada.«

Ferloga zog die Augenbrauen zusammen. »Unbestritten. Er ist dort getötet worden.«

»Und du und Conchoille, ihr habt dort ebenfalls gekämpft? Verzeih mir, aber bist du nicht zu alt für die Schlacht? Das Gefecht bei Cnoc Äine fand vor kaum zwei Jahren statt.«