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Ferloga schob energisch das Kinn vor. »Ein Mann ist so jung, wie er sich fühlt.«

»Seid ihr zum Dienst verpflichtet worden?«

»Es ist besser, wenn einen die Liebe zu seinem Herrscher dazu zwingt als die gesetzliche Pflicht.«

»Hast du gesehen, wie Callada starb?«

Ferloga lachte zynisch.

»Ich glaube, ich weiß, worauf du hinaus willst, Sachse. Es geht das Gerücht, daß Callada von einem unserer eigenen Männer und nicht vom Feind getötet wurde.«

»Hast du dazu etwas zu sagen?«

Ferloga zog die Schultern hoch. »Das scheint mir weit hergeholt. Aber Conchoille und ich befanden uns nicht in den vorderen Reihen des Angriffs bei Cnoc Äine, sondern waren unter den Soldaten, die Colgu in Reserve hielt für den Fall, daß die Ui Fidgente durch unsere Linien durchbrechen würden. Als wir schließlich zum Einsatz kamen, brauchten wir nur noch Gefangene zu machen und den zersprengten Haufen feindlicher Krieger zu verfolgen.«

»Meinst du denn, daß die Gerüchte um Calladas Tod stimmen?«

Ferloga machte eine zaghafte Geste. »Nach einer Schlacht sind immer eigenartige Geschichten im Umlauf, vor allem wenn sie so scheußlich war und dabei so viel Blut vergossen wurde wie bei dieser. Ob diese nun stimmt oder nicht, kann ich nicht sagen.«

Eadulf wollte das Thema wechseln.

»Hast du dich an der Suche nach Alchu beteiligt?«

»Als ich gegen Mittag des folgenden Tages von seinem Verschwinden erfuhr, konnte ich nur noch wenig tun. Die königliche Truppe hatte da schon eine ganze Weile die Gegend durchkämmt.«

»Ich verstehe.«

Eadulf war enttäuscht, auch wenn er damit gerechnet hatte, bei seinem Besuch hier wenig Neues zu erfahren. Er hatte die schwache Hoffnung gehabt, Fer-loga könnte sich vielleicht an ein bedeutsames Vorkommnis erinnern. Seufzend lehnte er sich zurück.

»Nun, da ich schon einmal hier bin und die Mittagszeit naht, würde ich gern etwas Leichtes essen. Etwas Käse und Brot. Hattest du nicht erwähnt, daß deine Frau kocht? Ach ja, du hast gesagt, daß sie eine Entzündung am Bein hat. Ich schätze, die Salbe hat geholfen? Du mußt wissen, daß ich in Tuam Brecain Medizin studiert habe.«

Ferloga lächelte.

»Meine Frau besucht gerade ihre Schwester, Bruder Eadulf. Vielen Dank, die Salbe hat geholfen. Vielleicht war es ein glücklicher Zufall, daß ich wegen ihr die Umherziehenden nicht rausgeworfen habe.«

»Ich dachte, das Gesetz der Gastfreundschaft müßte dich daran hindern, und nicht deine Frau.«

Ferloga lief rot an, da Eadulf ihn an seine Pflichten als Gastwirt erinnert hatte.

»Das hier ist kein öffentliches Gasthaus, kein bru-den, wo jedem Einlaß gewährt werden muß. Es ist mein eigenes Gasthaus. Ich mag keine Umherziehenden. Die sind meist nicht vertrauenswürdig. Bettler. Landstreicher. Du kennst diese Sorte von Leuten.«

»Ich dachte, diese Bettler verkauften Salben.« Eadulf betonte das Wort >Bettler<.

»Salben, Tinkturen, Kräuter. Ja sie verkauften der-gleichen, trotzdem sind und bleiben sie Umherziehende. Und dann noch ihr lautes, brüllendes Kind!«

»Du solltest ihnen wirklich dankbar sein.«

Ferloga wollte sich offensichtlich nicht davon überzeugen lassen.

Da kam Eadulf plötzlich ein Gedanke.

»Ein Mann, eine Frau und ein Kind, hast du gesagt?«

»Ja, ein Paar mit ihrem Baby. Er sagte, er sei Kräutersammler und auf dem Weg zur Abtei von Col-man.«

»Wann genau sind sie hiergewesen?«

»An dem Tag von Saraits Ermordung. Die Dämmerung war gerade angebrochen, als sie von hier loszogen. Conchoille kam wesentlich später. Deshalb habe ich ihm ja von ihnen erzählt.« Auf einmal riß Ferloga die Augen auf. »Du glaubst doch nicht, daß sie Sarait umgebracht haben?«

Eadulf ging nicht auf seine Frage ein.

»Du sagst, daß es Umherziehende waren. Könnten es auch Ui Fidgente gewesen sein?«

Ferloga schüttelte sogleich den Kopf.

»Ganz sicher nicht. Ihr Akzent war der der Bewohner von Laigin. Es gibt viele Gründe, warum Leute in den fünf Königreichen ihre Seßhaftigkeit verlieren, Bruder Eadulf. Gewöhnlich geschieht es, weil sie gegen das Gesetz verstoßen haben und ihren Sühnepreis nicht zu tilgen vermögen. Sie können keine neuen Wurzeln schlagen und sind dazu verdammt, umherzuziehen.«

Eadulf leerte seinen Becher Met und stand auf. Er hatte einen Entschluß gefaßt.

»Vielen Dank für deine Hilfe, Ferloga. Das hat mich ein Stück weitergebracht.«

Der Wirt zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Was ist mit deinem Essen?«

»Ich muß nach Cashel zurück«, entschuldigte sich Eadulf. »Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe.«

Eadulf war kaum hundert Meter geritten, als er sein Pferd in einen leichten Galopp fallen ließ. Jeder, der Eadulf zu Pferde und seine Abneigung für schnelles Reiten kannte, hätte dies für ungewöhnlich gehalten. Doch er war so erregt, daß er nicht anders konnte. Die Worte des Wirts hatten ihn auf einen unheimlichen Gedanken gebracht. Wenn er recht hatte, so lag die Lösung des Falls vielleicht nicht so fern, wie er angenommen hatte.

Fidelma saß mit gerunzelter Stirn über das Spielbrett gebeugt.

Conchobar gewann diese Runde brandubh. Es war ein schwieriges Spiel, denn das Brett bestand aus sieben mal sieben Kästchen. Das Feld in der Mitte des Brettes verkörperte den königlichen Palast von Tara, auf diesem Feld befand sich ein Stein, der den Hochkönig darstellte. Auf den vier Kästchen um ihn herum standen die Steine, die die vier Provinzkönige darstellten, die den Hochkönig beschützen sollten. Auf den Feldern am Rand des Brettes waren die Steine postiert, die die Kräfte des Chaos verkörperten. Mit je-dem Würfeln konnten sie vorwärtsbewegt werden. Ziel des Spiels war es, die Sicherheit des Hochkönigs zu garantieren. Er durfte sich durch die feindlichen Steine zum Rand des Brettes bewegen oder auf die vier Felder der Provinzkönige.

Gewöhnlich spielte Fidelma mit Begeisterung, doch heute war sie unkonzentriert. Sie hatte schon zwei Verteidigungssteine eingebüßt.

Conchobar, der alte Mönch, dessen Apotheke sich im Schatten der königlichen Kapelle innerhalb der Burganlage befand, betrachtete sie besorgt.

Fidelma sah ihn an und zuckte mit den Achseln.

»Es tut mir leid, mein alter Freund«, sagte sie, denn sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben. »Ich bin reichlich nervös.«

Conchobar blickte sie durchdringend an.

»Das ist verständlich. Um das zu erkennen, muß ich nicht meine Künste bemühen. Ich hatte aber gehofft, dich mit einem Spiel ablenken zu können. Wir werden ein andermal damit weitermachen.«

Fidelma stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie hatte gerade an Eadulfs Vorschlag gedacht, die Astrologie zu Rate zu ziehen. Er hatte da etwas ausgesprochen, was sie schon lange im Hinterkopf gehabt hatte. In ihrer Verzweiflung wollte sie alles Erdenkliche unternehmen.

»Ich würde gern deine Künste bemühen, um mein Kind wiederzufinden, Conchobar«, sagte sie leise.

Der alte Mann schüttelte bedauernd den Kopf.

»Du weißt, daß das nicht möglich ist.«

»Aber du bist am erfahrensten, was das Deuten der Sterne betrifft.«

»So weit würde ich nicht gehen. Auch wenn ich unter Mo Chuaroc mac Neth Sémon studiert habe, dem größten Astrologen, den es jemals in Cashel gab, so sind doch meine Fähigkeiten nicht unfehlbar.«

»Ich habe gehört, daß ein guter réalt-eolach, einer, der sein Wissen aus den Sternen bezieht, ein Horoskop erstellen kann, um ein bestimmtes Objekt zu finden. Warum sollte das für mein Baby nicht auch gelten?«

»Ach, Fidelma, einst habe ich versucht, dich die Kunst der Sterndeutung zu lehren. Hättest du deine Studien weiterbetrieben, so hätte ich dich zu einer hervorragenden Deuterin der Vorzeichen gemacht. Du solltest dich daran erinnern, daß es für das Befragen der Sterne immer nur einen richtigen Zeitpunkt gibt.«