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Die Frau stieß einen kurzen Schrei aus und hob die Hand an ihren Mund. Ihr Mann blickte ihn ungläubig, ja fassungslos an.

»Und ... Und was geht dich das Ganze an, Sachse?« fragte er zögernd und immer noch ein wenig abweisend.

»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham. Ich bin der Vater des Kindes.«

Betreten schwieg das Paar. Dann fing die Frau an zu weinen.

»Wir schwören, daß wir nichts mit dieser Sache zu tun hatten, außer dem, was wir dir schon erzählt haben«, sagte sie schluchzend.

»Was meine Frau sagt, stimmt. Die Geschichte ist wahr«, bestätigte Corb. »Wir wissen nichts von einem Mord.« »Dann schlage ich vor, daß ihr meinen Sohn hergebt.«

Stille trat ein.

»Das können wir nicht«, rief die Frau.

»Ihr könnt das nicht?« donnerte Eadulf.

»Das Kind ist nicht mehr bei uns«, gestand der Kräutersammler mit ausdrucksloser Stimme.

Fidelma erstarrte vor Schreck in ihrem Sattel, als sich Conri, der Kriegsfürst der Ui Fidgente, ihr näherte.

»Das trifft sich gut, Fidelma von Cashel. Wir wollten gerade nach Cashel, da sah dich einer meiner Männer, wie du in den Wald rittest. Wir waren uns ziemlich sicher, daß wir dir hier begegnen würden. Um die Wahrheit zu sagen, ich will mit dir sprechen.«

Fidelmas Herz pochte, sie war erschrocken und versuchte krampfhaft, gelassen zu wirken.

»Was führt dich nach Cashel, Conri? Oder vielmehr zu mir?«

Das Gesicht des Kriegsfürsten blieb ernst. »Ich will einer Lüge ein Ende machen«, erwiderte er knapp.

»Einer Lüge?«

»Vor kurzem sandte dein Bruder einen Boten ins Land der Ui Fidgente, der an jedes Gasthaus am Weg eine Bekanntmachung anschlagen ließ. Darin steht, daß wir ein Kind, ein Baby namens Alchu, bei uns festhalten sollen. Wir wurden aufgefordert, einen Beweis dafür zu erbringen, daß der Knabe gesund und munter ist. Dann würde man drei unserer Fürsten freilassen.«

Fidelmas Gesicht zeigte keine Regung, als sie dem Kriegsfürsten in die Augen blickte.

»Mein Bruder Colgu von Cashel hat eine solche Bekanntmachung verbreiten lassen. Bist du gekommen, um darauf zu antworten?«

Conris Augen wurden schmaler. »So ist es.«

Fidelmas Mund war ganz trocken. »Und wirst du mir mein Kind zurückgeben?«

»Nein. Aus dem einfachen Grund nicht, weil wir es nicht entführt haben.«

»Aber . «, setzte Fidelma völlig verwirrt an, doch der Kriegsfürst hob die Hand.

»Hör mir gut zu, Fidelma von Cashel. Ich war kaum zu meinem Volk zurückgekehrt, als dein Bote eintraf. Kein Ui Fidgente weiß etwas von dieser Sache. Du magst nichts Gutes von uns denken, da wir schon lange verfeindet sind, aber wir sind keine Ungeheuer, die Kinder als Geiseln nehmen. So wie euch Kinder heilig sind, sind sie auch uns heilig und teuer. Ich habe bei den einzelnen Stämmen Erkundigungen eingezogen. Niemand, wiederhole ich, nicht einmal jene, die im letzten Krieg unter den Waffen deines Bruders gelitten haben, würden ein unschuldiges Kind benutzen, um dir Leid zuzufügen. Bei der Unschuld meiner eigenen beiden Söhne schwöre ich, daß dies die Wahrheit ist.«

Er sprach leise, aber eindringlich. Fidelma sah ihn an und versuchte zu begreifen, was er gesagt hatte.

»Aber die Forderung, eure Fürsten im Gegenzug für meinen Sohn freizulassen ...? Nachdem ein Bote unsere Bitte um einen Beweis überall angeschlagen hatte, hat man uns Alchus kleinen Schuh gesandt. Die drei Stammesfürsten wurden freigelassen und bekamen Pferde, um in ihr Land zurückzukehren. Jetzt warten wir auf die Freilassung meines Kindes.«

Conri runzelte die Stirn.

»Du hast die drei Fürsten schon freigelassen? Du sagst, Cuirgi, Cuan und Crond sind frei?«

»Sie sind gestern mittag freigekommen«, bestätigte ihm Fidelma.

Der Kriegsfürst schüttelte ungläubig den Kopf.

»Fidelma, da stimmt irgend etwas nicht. Ich will ganz offen zu dir sein. Einige meiner Leute sind gegen die Eoghanacht in den Krieg gezogen und wurden mit Tod und Verwüstung belohnt. Eoganan und seine Familie, die deinen Bruder vom Thron stürzen und das Königreich an sich reißen wollten, haben die Leute angeführt. Eoganan bezahlte dafür bei Cnoc Äine mit dem Leben, und viele andere seines Stammes auch. Für jedes Mitglied seiner Familie, das dabei umkam, wurden durch ihren Wahn gleich Hunderte andere Ui Fidgente in den Tod gerissen. Mein Volk ist stark dezimiert, Fidelma. Die drei Fürsten, die dein Bruder bei Cnoc Äine gefangennahm, waren fanatische Anhänger von Eoganan. Cuirgi, Cuan und Crond stellen keinen Verlust für mein Volk dar.«

Fidelma sah ihn erstaunt an, als sie seine Worte vernahm. Es fiel ihr schwer zu begreifen, was sie da hörte.

»Was willst du damit sagen, Conri? Du bist Kriegsfürst der Ui Fidgente.«

Conri lächelte. »Man hat mich nach unserer großen Niederlage zum Anführer der Überreste meines Volkes gewählt. Kann ein Kriegsfürst nicht auch weise sein? Gibt es nicht das alte Sprichwort, daß der Friede besser ist als ein leichter Krieg?«

»Sprich weiter, ich habe immer noch nicht begriffen.«

»Wir sind nicht an der Freilassung der alten Stammesfürsten interessiert. Sie sollen nie wieder Feindseligkeit und Haß schüren. Wir wollen Frieden und unsere Felder bestellen, unsere Herden vermehren und wieder zu leben beginnen. Deshalb waren es sicher nicht die Ui Fidgente, die deinen Sohn entführt haben, sonst kämen ja jene frei, die uns einst ins Unglück stürzten.«

Fidelma schwieg eine Weile.

»Vielleicht haben einige von deinen Leuten ohne dein Wissen gehandelt, um ihre Freilassung zu erwirken?«

Conri schüttelte den Kopf. »Auch wenn das möglich wäre, so glaube ich nicht, daß es wahrscheinlich ist. Ich bin auf Wunsch meines Volkes mit ein paar meiner Männer hergekommen, um dir die Wahrheit zu sagen und dir Hilfe anzubieten. Wenn sich herausstellt, daß jemand von den Ui Fidgente in diesen Fall verwickelt ist, werden wir ihn bestrafen.«

Fidelma atmete schwer aus.

»Die Bestrafung erfolgt durch das Gesetz«, sagte sie unwillkürlich, »und wird vom Gesetz vorgeschrieben.«

Conri zog die Augenbrauen hoch und blickte durch die Bäume zum Himmel empor.

»Es muß schon Nachmittag sein«, murmelte er.

»Weißt du, welchen Weg die Fürsten genommen haben?«

Fidelma zögerte einen Augenblick.

»Sie sollten eigentlich nach Norden reiten, bis zum Fluß Suir. Ich glaube, daß sie eine Furt am Hohen Berg passieren wollten, am Ard Mael, und dann durchs Gebirge Slieve Felim weiterwollten.«

»Wenn sie erst einmal das Gebirge durchquert haben, werden sie schnell in unserem Land sein«, sprach der Kriegsfürst der Ui Fidgente nachdenklich. »Ich vermute, daß sie das Gebirge südlich umgangen haben und durch das Tal von Bilboa geritten sind.« Auf einmal schnippte er mit den Fingern. »Falls meine Männer und ich die Route über den Sattel des Cnoc an Loig nehmen und dann am Cnoc an Bainsi vorbeireiten, könnten wir sie morgen vor der Dämmerung am Crois na Rae abfangen.«

Fidelma sah ihn erstaunt an. »Und was dann?«

»Falls es eine Verschwörung gibt und ihre Komplizen für die Entführung deines Kindes verantwortlich sind, werden wir es herausbekommen. Ganz gleich, was geschieht, wenn dein Kind morgen nicht zurück ist, wirst du wissen, daß die Verantwortlichen ihr Versprechen nicht einhalten wollten. Dann war nie ein Austausch beabsichtigt.«

Fidelmas Gesicht wurde zu einer Maske, hinter der sie ihren Schmerz verbarg. Was Conri da sagte, war richtig.

Conri streckte die Hand aus und berührte sie leicht am Arm.

»Es tut mir leid, daß du solchen Kummer hast, Fidelma von Cashel. Glaub mir. Aber diese Angelegenheit muß aufgeklärt werden. Wenn wir die Fürsten aufspüren und sie damit zu tun haben, wo können wir dich finden? In Cashel?«

Fidelma wollte schon zustimmen, doch dann überlegte sie es sich anders. »Zur Zeit ist es für Krieger der Ui Fidgente nicht gut, in der Nähe von Cashel gesehen zu werden. Mein Pferd ist müde. Ich wollte mich in der Jagdhütte meines Bruders ausruhen. Die liegt nicht weit von hier, an einem Ort, den man Quell vom Eichenwald nennt. Nur ein paar Kilometer in diese Richtung.« Sie zeigte mit der Hand dorthin. »Der Verwalter der Hütte hat einen Sohn, den ich mit der Nachricht nach Cashel senden kann, daß ich zwei Nächte dortbleiben werde. Wenn du die drei eingeholt hast, wirst du mich dort antreffen. Aber übermorgen muß ich wieder nach Cashel zurück.«