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Conri war einverstanden.

»Und mit Gottes Gnade werden wir dich vor morgen abend bei der Jagdhütte antreffen.«

Er hob zum Abschied die Hand und lenkte im Gefolge seiner Männer sein Pferd westwärts.

Nachdem die Ui Fidgente fort waren, fühlte sich Fidelma eigenartig einsam. Während sie über das Geschehene nachdachte, wurde sie von noch quälenderen Sorgen als zuvor heimgesucht. Es bestanden nur zwei Möglichkeiten. Entweder log Conri, oder es gab unter den Ui Fidgente eine Verschwörung, Conri und das neue Fürstenhaus zu stürzen und die drei Fürsten wiedereinzusetzen, was zur Folge hätte, daß es zwischen den Ui Fidgente und den Eoghanacht zu einem neuen Krieg kommen würde. Ihr wurde klar, daß sie im Augenblick nichts unternehmen konnte, und sie seufzte tief. Dann setzte sie ihr erschöpftes Pferd in Bewegung.

Eadulf blickte den Kräutersammler und seine Frau entgeistert an.

»Alchu ist nicht mehr bei euch? Was habt ihr mit ihm gemacht?«

Nervös sah Corbnait zu ihrem Mann.

»Sprich schon!« sagte Eadulf wütend, fast drohend, und stand auf.

»Hätten wir gewußt, was du uns gerade erzählt hast, dann wären wir sofort zur Burg von Cashel gefahren, glaub mir«, murmelte Corb.

»Sprich endlich!« wiederholte Eadulf. »Was ist geschehen?«

Der Mann zog hilflos die Schultern hoch.

»Glaub mir, Bruder, wir dachten, daß Baby sei ausgesetzt worden. Wir haben das Kind einem würdigen Beschützer verkauft.«

»Verkauft ...?«

Eadulf ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Er war so bestürzt, daß er sich wie gelähmt fühlte. Sprachlos schaute er von einem zum anderen.

»Versteh doch, wir hatten ja unseren Sohn«, erklärte der Kräutersammler weiter. »Unser eigen Fleisch und Blut. Wir meinten, wir seien auserwählt worden, das Leben des Babys aus einem ganz bestimmten Grund zu retten - nämlich als Hilfe für uns selbst. Denn wir leben ja unter schweren Bedingungen, ziehen von Ort zu Ort und hoffen immer, unsere Medizin, unsere Salben und Kräutermixturen zu verkaufen. Daß wir auf jenen Herrn stießen, war für uns ein großes Glück, denn so gelangten wir an etwas Geld und können uns vielleicht endlich irgendwo niederlassen.«

»Welchen Herrn?« fragte Eadulf ausdruckslos. »Was für ein Herr?«

»Während unserer Reise schlugen wir in einem Tal in der Nähe der Berge weiter im Norden unser Lager auf. Meine Frau hatte unseren Sohn und das rothaarige Baby gestillt, und wir ruhten uns am Feuer aus, als wir eine Glocke hörten .«

»Eine Glocke?«

»In das Licht unserer Laterne und des Lagerfeuers trat eine Gestalt mit grauem Umhang. Der Mann war von oben bis unten verhüllt, wir konnten sein Gesicht nicht erkennen, aber er läutete eine Glocke, als er sich näherte. Hinter ihm im Schatten stand ein bedrohlicher großer Krieger. Der Fremde setzte sich auf einen Baumstamm auf der anderen Seite des Feuers und bat um Essen und Trinken.«

Corb schwieg einen Moment, ehe er weitersprach.

»Also gab ich ihm zu essen, und wie jeder Reisende fragte er, wer wir seien und woher wir kämen. Und über die beiden Babys wollte er auch alles wissen. Ja, ich entsinne mich, daß er uns fragte, ob wir aus Cashel gekommen seien.«

»Habt ihr ihm erzählt, wie ihr Alchu gefunden habt?« erkundigte sich Eadulf.

»Daran fand ich nichts Befremdliches, auch wenn ich nicht viel darüber sagen konnte, nicht einmal, daß das Baby Alchu hieß.«

»Der Mann meinte, wir seien gute Diener des neuen Glaubens, da wir Barmherzigkeit geübt hätten, indem wir das Baby retteten«, warf Corbnait rasch ein.

»Wie ging es weiter?«

»Er schlug vor, falls wir uns von der Bürde befreien wollten, würde er als Herr dieser Gegend das Kind zu seiner Kirche bringen, wo es behütet und im Dienste Christi aufgezogen werden würde.«

»Und ihr wart einverstanden?« fragte Eadulf bestürzt.

»Der Mann legte drei silberne screpalls auf den Baumstamm als Entschädigung für unsere Mühe.«

»Wir dachten, wir täten das Richtige«, fügte Corb-nait hinzu.

»Ihr habt also meinen Sohn einem völlig fremden Menschen anvertraut ...?«

»Er war nicht völlig fremd. Er sagte uns, daß er der Herr dieser Gegend sei. Der Herr der Bergpässe, sagte er. Ein Krieger war bei ihm, der still im Dunkeln auf ihn wartete. Mit unserer Zustimmung nahm der Krieger das Kind entgegen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Herr in der Lage war, seine beiden Arme zu benutzen. Und er hatte ein lahmes Bein. Ich fand es eigenartig, daß er eine Handglocke trug.«

»Welchen Namen hat er euch genannt?« fragte Ea-dulf.

»Keinen. Der Krieger sprach ihn einfach nur mit Herr an.«

»Weiter wißt ihr nichts? In welche Richtung ist er geritten? Das Gebirge hier ist hoch und sehr weitläufig.« In Eadulfs Stimme schwangen Schmerz und Hilflosigkeit mit.

»In dieser Gegend kann es nur wenige solcher Herren wie ihn geben«, meinte Corb. »Ich möchte auch gar nicht wissen, wer er war, ganz zu schweigen davon, ihm wiederbegegnen zu müssen.«

»Warum denn?«

»Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte das Gefühl, daß ihn etwas Böses umgab.«

»Dennoch hast du ihm ein unschuldiges Baby anvertraut?« fragte Eadulf entsetzt.

Der Kräutersammler und seine Frau tauschten einen Blick aus. Die Frau lächelte Eadulf an.

»Wir waren uns nicht sicher, ob er wirklich böse war. Es war nur so ein Gefühl. Der Krieger behandelte ihn mit Respekt, und der Mann versprach, das Kind in den Schutz der Kirche zu geben. Wir dachten, daß wir so das Beste täten. Für das Kind. Wir dachten, man hätte es ausgesetzt.«

Eadulf zeigte auf die Mauern der Abtei hinter ihnen.

»Man hat mir gesagt, daß dies die größte Abtei in der Gegend ist. Der einzige kirchliche Schutz hier. Habt ihr mit dem Verwalter gesprochen? Vielleicht hat der Herr das Kind hierhergebracht?«

Wieder schauten sich die beiden an.

»Corbnait hat darauf bestanden, daß ich mich dort erkundige. Sie hatte sich im nachhinein Sorgen gemacht. Nein, niemand hat in der Abtei ein Kind abgegeben. Aber die Gebirgspässe hier führen zu einer großen Halbinsel, die zum Land der Corco Duibhne gehört. Vielleicht hat der Fremde das Kind dorthin gebracht.«

Eadulf unterdrückte einen Seufzer. Dann kam ihm ein Gedanke, und ungeduldig stand er auf. Sein nächster Schritt war ihm nun ganz klar. Vielleicht kannte der Verwalter der Abtei von Colman den Fremden mit der Glocke - offensichtlich ein Aussätziger, der ein Landesherr in dieser Gegend war. Eadulf starrte den Kräutersammler und seine Frau düster an.

»Ich werde euch etwas sagen. In diesem Königreich besitze ich keinerlei Autorität, auch wenn ich Ehemann von Lady Fidelma von Cashel bin. Wie ihr vielleicht wißt, ist sie eine ddlaigh und unter den Brehons der fünf Königreiche von Éireann hoch angesehen. Wir sprechen hier nicht nur von meinem Kind, sondern auch von ihrem, und sie ist die Schwester von Colgu, der dieses Königreich regiert. Ich glaube euch eure Geschichte und meine, daß ihr in aller Unschuld gehandelt habt. Aber es könnte auch sein, daß ihr euch aus Habgier eines Verbrechens schuldig gemacht habt. Ihr sagt, ihr dachtet, ihr hättet das Baby zu seinem Wohl anderen Leuten anvertraut. Das muß vor den Brehons von Cashel verhandelt werden. Ich kann euch zu nichts zwingen. Aber wenn ich euch einen Rat geben darf, so kehrt nach Cashel zurück und fragt nach Fidelma, und wenn sie nicht da ist, so wendet euch an König Colgu persönlich und berichtet ihm von den Vorfällen. Belügt ihn nicht und beschönigt nichts. Nur die Wahrheit zählt. Ihr werdet nichts zu befürchten haben, wenn ihr die Wahrheit sagt.«