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Basil Nestorios dachte eine Weile nach.

»Ohne Bruder Tanaide habe ich niemanden, der mich führt. Mit deiner Erlaubnis, Freund, werde ich bei dir und diesem Krieger bleiben und bei der Suche nach deinem Kind behilflich sein. Später begleite ich euch zurück in eure Hauptstadt Cashel. Dann werde ich sehen, was sich noch ergibt.«

Eadulf klopfte ihm auf die Schulter.

»Es ist gut, daß du bei uns bleibst.«

Sie waren am Tor des Turmes angelangt. Es stand immer noch offen. Davor lagen die Leichen der beiden Krieger von Uaman. Gorman schaute sich um.

»Die würde ich den Bewohnern der Siedlung überlassen, Bruder«, sagte er, als er sah, daß Eadulf sie wegziehen wollte. »Machen wir lieber das, was Vorrang hat.«

»Ich werde in die Räume des Bösen gehen und meine Kiste holen«, sagte der Arzt darauf.

»Und ich gehe mit Gorman zu deiner Zelle. Wir treffen uns später am Stall.« Eadulf zeigte auf die Holzhütte an der Seite des Hofes. Basil Nestorios stimmte zu und verschwand. Eadulf führte Gorman durch den schmalen Gang bis zur Zellentür. Er klopfte an.

»Hörst du mich?« rief er.

Eine gedämpfte Stimme antwortete überrascht. »Ja. Laß mich raus.«

»Das machen wir auch. Aber Widerstand ist zwecklos. Dein Herr ist tot. Verstehst du? Uaman ist tot. Deine Kameraden sind alle tot. Willst du am Leben bleiben?«

Nun herrschte Schweigen.

»Hast du gehört?«

»Ich habe gehört«, sagte die Stimme.

»Die Leute aus der Bergsiedlung werden bald hier sein. Sie wollen diesen Hort des Bösen zerstören. Wir lassen dich frei, geben dir ein Pferd, der Rest ist deine Sache. Hast du verstanden?«

»Ja.«

Eadulf sah Gorman an, der mit gezücktem Schwert bereitstand. Dann zog er die Riegel zurück und stieß die Tür auf.

Einen Moment später trat Uamans Krieger unbewaffnet heraus. Er wirkte erschöpft und müde.

»Folge uns zum Stall, und unternimm nichts, es ist aussichtslos«, sagte Eadulf zu ihm.

»Du hast mein Wort«, knurrte der Mann.

Sie waren zuerst am Stall. Dort standen acht Pferde.

»Nimm dir das Pferd, das dir gehört, und mach dich aus dem Staub, ehe die Leute hier sind.«

Der Krieger sattelte schweigend sein Pferd und führte es in den Hof hinaus. Er zögerte einen Moment, dann sagte er zu Eadulf: »Vielen Dank, Bruder.«

»Danke mir besser, indem du mir etwas über meinen Sohn verrätst, den dein Herr irgendwo hingebracht hat«, erwiderte Eadulf, der gar nicht damit rechnete, etwas Wertvolles zu erfahren. Der Krieger verzog das Gesicht.

»Ich war nicht mit Uaman unterwegs, als das geschah. Ich habe nur gehört, daß er vor ungefähr einer Woche einem Kräutersammler ein Kind abgekauft und es dann selbst ins Gebirge gebracht hat. Am nächsten Tag kehrte er ohne das Baby zurück. Ich habe ihn nicht gefragt, was er damit gemacht hat. Niemand hat sich jemals getraut, Uaman Fragen zu stellen. Darf ich nun gehen, Bruder?«

Eadulf winkte ihn fort. »Wenn du jetzt wegreitest, so denke daran, daß du dein Leben der Gnade der Eoghanacht verdankst, denen du dankbar und ergeben sein solltest.«

Der Krieger schwang sich auf sein Pferd, hob die Hand und ritt schnell durch das Tor und über den Dünenweg davon.

Kurz darauf kehrte Basil Nestorios mit großen merkwürdig gemusterten Satteltaschen zurück. In einer der Taschen befand sich die Kiste mit den Arzneien. Der Arzt lächelte.

»Ich habe alles.« Er streckte die Hand aus und zeigte mehrere Goldstücke vor. »Die habe ich als Lohn für meine Dienste genommen. Genau das hat er mir geschuldet. Da ist noch viel mehr davon, wenn ihr wollt. Doch dieses Gold ist verflucht. Ich würde es eher den Menschen aus der Siedlung überlassen, die unter dem Bösen so gelitten haben.«

Eadulf schaute zu Gorman hinüber. »Das sehe ich auch so«, sagte er.

»Dann wollen wir das Pferd des Fremden satteln«, erklärte Gorman.

Basil Nestorios zeigte auf zwei Pferde.

»Das dort ist mein Pferd, das andere hat Bruder Ta-naide gehört. Ich sollte es nach Laigin zurückbringen.«

Kurz darauf waren sie aufgezäumt. Die anderen Pferde ließen sie frei und sahen, wie sie über den Sand zum Ufer liefen.

Als sie selbst auf halbem Wege zum Festland waren, stürmte unter den Bäumen eine Meute mit Sicheln, Hippen und Knüppeln hervor. Die Leute schrien wie Jäger, die ihr Wild verfolgten. Gorman ging mit erhobener Hand auf sie zu.

»Friede, meine Freunde. Erinnert ihr euch, daß ich euch die Kunde von Uamans Tod überbracht habe? Das hier sind meine Gefährten, die er gefangenhielt.«

Ein stämmiger Mann, dessen Kleider ihn als einen Schmied auswiesen, schaute zu ihnen hinüber.

»Ich erkenne dich wieder, Krieger. Du und deine Begleiter, ihr braucht uns nicht zu fürchten. Reitet weiter, Friede sei mit euch.« Dann drehte sich der stämmige Mann zu seinen grölenden Mitstreitern um und winkte sie zum Turm weiter.

Eadulf und Gorman holten ihre Pferde, und gemeinsam mit ihrem persischen Freund ritten sie durch den Wald der Öffnung des hochgelegenen Bergtals entgegen, das in das dunkle Gebirge hineinführte.

Als sie über der Baumgrenze waren, wo es nur noch niedrige Büsche und Sträucher und weitläufige Heidekrautflächen gab, hielt Gorman an. Er schaute zurück, und die anderen folgten seinem Blick. Sie sahen von der Höhe herab auf die ruhige blaue See, die sich aus dieser Entfernung so sehr unterschied von den tosenden Fluten, die ihre Feinde mit sich gerissen hatten. Selbst die Insel mit dem grauen Turm wirkte friedlich von hier ... Außer daß schwarze Rauchwolken von dort aufstiegen. Die Bewohner der Siedlung nahmen Rache an der Festung von Uaman, dem Leprakranken, dem Bösen, wie Basil Nestorios ihn immer nannte.

Als sie zu dem kleinen Dorf an der Flußfurt gelangten, dämmerte es schon. Es war zu dunkel, sie konnten den aufrecht stehenden Stein nicht mehr suchen, der ihnen den Weg weisen sollte. Gorman machte vor einer kleinen Schmiede halt, in der ein einsamer Mann immer noch seiner Arbeit nachging und mit Hammer und Zange mehrere Hufeisen auf seinem Amboß bog.

»Wir suchen einen Mann namens Ganicca. Wohnt er hier irgendwo?«

Der Schmied betrachtete die drei Fremden.

»Ihr seid fremd in diesen Landen«, stellte er fest.

»So ist es.«

»Ganicca wohnt in der letzten Hütte dort drüben.« Der Schmied wies mit seinem Hammer auf drei Behausungen am Fluß.

Gorman bedankte sich, und sie ritten zu der besagten Hütte. Als sie davor hielten, rief Gorman nach dem Mann. Eine schwache, zittrige Stimme bat sie, einzutreten, und sie saßen von den Pferden ab.

In der Hütte war es hell und warm. Ein Feuer loderte in der Feuerstelle. Mehrere Öllampen spendeten Licht. Auf einem Stuhl am Feuer saß ein alter Mann. Ein kleiner Topf hing über den Flammen, aus dem es köstlich nach Fleisch und Gemüse duftete. Der Mann hatte weißes Haar und eine durchsichtig schimmernde Haut. Seine Augen waren sehr hell und von einer unbestimmbaren Farbe.

»Willkommen, Fremde«, sagte er.

»Gesegnet sei dieses Haus und seine Bewohner«, antwortete Eadulf förmlich.

Der Mann lachte freundlich. »In diese Gegend kommen nur selten Fremde. Du bist ein Mönch, wie ich sehe.«

»Ja. Wir suchen einen Mann namens Ganicca.«

»Und wer sucht ihn?« wollte der Alte wissen.

»Ich heiße Bruder Eadulf ...«

»Ah, der Ehemann von Lady Fidelma von Cashel, der Schwester von Colgu, dem König von Muman. Ich habe schon von Eadulf gehört. Und du sagst, daß du dieser Mann bist?«

»So ist es. Das ist Gorman, Krieger der Leibgarde von König Colgu. Und das hier ist Bruder Basil Nestorios aus dem fernen Persien. Ich nehme an, daß du Ganicca bist. Es heißt, du weißt alles, was in dieser Gegend wissenswert ist?«

Der Alte lachte wieder.

»Unter den Blinden ist der Einäugige König«, erwiderte er. »Kommt, meine Freunde, nehmt vor dem Feuer Platz, denn draußen wird es kalt. Wo werdet ihr übernachten? In der Dunkelheit werdet ihr kaum weiter durchs Gebirge reiten können.«