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Diesmal gelang es Miss Pierce, Lady Westholme mit der Antwort zuvorzukommen.

»Er ging als Erstes hinauf zu seiner Mutter, blieb aber nicht lange bei ihr.«

»Wie lange?«

»Nur ein bis zwei Minuten.«

»Kaum länger als eine Minute, würde ich sagen«, erklärte Lady Westholme. »Danach ging er in seine Höhle und anschließend hinunter ins Gemeinschaftszelt.«

»Und seine Frau?«

»Die kam etwa eine Viertelstunde später vorbei. Sie blieb kurz stehen und unterhielt sich mit uns — sehr höflich.«

»Ich glaube, sie ist sehr nett«, sagte Miss Pierce. »Wirklich sehr nett.«

»Sie ist nicht so unmöglich wie der Rest der Familie«, räumte Lady Westholme ein.

»Sie verfolgten, wie sie ins Camp zurückkehrte? «

»Ja. Sie ging hinauf zu ihrer Schwiegermutter und sprach mit ihr. Dann ging sie in ihre eigene Höhle und holte einen Stuhl, setzte sich zu ihrer Schwiegermutter und unterhielt sich eine Weile mit ihr — etwa zehn Minuten, würde ich sagen.«

»Und dann?«

»Dann brachte sie den Stuhl wieder in die Höhle und ging hinunter ins Gemeinschaftszelt, wo ihr Mann war.«

»Was geschah dann?«

»Dann kam dieser merkwürdige Amerikaner vorbei«, sagte Lady Westholme. »Cope, wenn ich mich nicht irre. Er erzählte uns, dass gleich hinter der nächsten Biegung ein sehr gutes Beispiel für die minderwertige Architektur der Nabatäerzeit zu finden sei, das wir uns nicht entgehen lassen dürften, wie er meinte. Also gingen wir hin. Mr. Cope hatte einen recht interessanten Artikel über Petra und die Nabatäer dabei.«

»Wirklich hochinteressant«, verkündete Miss Pierce.

»Wir schlenderten zurück zum Camp«, fuhr Lady Westholme fort, »da es bereits knapp zwanzig Minuten vor sechs war. Es wurde schon richtig kühl.«

»Und Mrs. Boynton saß immer noch so da, wie Sie sie verlassen hatten?«

»Ja.«

»Sprachen Sie mit ihr?«

»Nein. Offen gestanden habe ich keine Notiz von ihr genommen.«

»Was taten Sie dann?«

»Ich ging in mein Zelt, wechselte die Schuhe und holte mein Päckchen chinesischen Tee. Dann ging ich ins Gemeinschaftszelt. Dort fand ich den Dragoman vor und gab ihm Anweisung, mit dem Tee, den ich mitgebracht hatte, für Miss Pierce und mich Tee zu kochen und dafür zu sorgen, dass das Wasser, mit dem er zubereitet wurde, auch wirklich kochte. Er sagte, dass in einer halben Stunde das Abendessen serviert werde — die Boys deckten bereits den Tisch —, aber ich erklärte ihm, dass das ohne Belang sei.«

»Es geht doch nichts über eine Tasse Tee, wie ich immer sage«, murmelte Miss Pierce etwas zusammenhanglos.

»War sonst noch jemand im Zelt?«

»Aber ja. Mr. und Mrs. Lennox Boynton saßen am anderen Ende und lasen. Und Carol Boynton war ebenfalls da.«

»Und Mr. Cope?«

»Er schloss sich uns beim Tee an«, sagte Miss Pierce. »Obgleich er meinte, dass Teetrinken keine amerikanische Gepflogenheit sei.«

Lady Westholme räusperte sich. »Ich begann schon zu befürchten, dass Mr. Cope lästig werden könnte, dass er sich womöglich wie eine Klette an mich hängen würde. Es ist häufig nicht leicht, sich die Leute vom Leib zu halten, wenn man auf Reisen ist. Ich stelle immer wieder fest, dass sich so mancher einiges herausnimmt. Insbesondere Amerikaner haben in dieser Hinsicht oft wenig Gespür.«

»Ich bin überzeugt, Lady Westholme«, murmelte Poirot verbindlich, »dass Sie jederzeit fähig sind, mit Situationen dieser Art fertig zu werden. Wenn Reisebekanntschaften ihren Zweck erfüllt haben, verstehen Sie es zweifellos geschickt, sie fallen zu lassen.«

»Ich glaube tatsächlich, dass ich fast mit jeder Situation fertig werde«, sagte Lady Westholme selbstzufrieden.

Das ironische Funkeln in Poirots Augen entging ihr völlig.

»Wenn Sie so freundlich wären, nun die weiteren Ereignisse jenes Tages zu schildern?«

»Selbstverständlich. Soweit ich mich erinnere, kamen kurz darauf Raymond Boynton und die rothaarige Boynton-Tochter ins Zelt. Miss King traf als Letzte ein. Da wollte man bereits das Abendessen servieren. Der Dragoman schickte einen der Diener los, um der alten Mrs. Boynton Bescheid zu sagen. Der Mann kam mit einem seiner Kollegen ziemlich aufgeregt zurückgerannt und sagte dem Dragoman etwas auf Arabisch. Es hieß, dass Mrs. Boynton krank sei. Miss King bot ihre Dienste an. Dann ging sie mit dem Dragoman weg. Sie kam zurück und informierte Mrs. Boyntons Familie.«

»Und das völlig abrupt«, warf Miss Pierce ein. »Platzte einfach damit heraus! Ich persönlich finde, dass man das schonender hätte tun müssen.«

»Und wie nahm Mrs. Boyntons Familie die Nachricht auf?«, fragte Poirot.

Ausnahmsweise schienen sowohl Lady Westholme als auch Miss Pierce um eine Antwort verlegen zu sein. Schließlich sagte Erstere mit einer Stimme, die ihre übliche Selbstsicherheit vermissen ließ: »Tja — also — das ist schwer zu sagen. Sie — sie waren alle ziemlich sprachlos.«

»Erschüttert«, sagte Miss Pierce. Es klang eher wie eine Vermutung als wie eine Tatsache.

»Sie gingen alle mit Miss King hinaus«, sagte Lady Westholme. »Miss Pierce und ich besaßen so viel Taktgefühl, zu bleiben, wo wir waren.«

In den Augen von Miss Pierce erschien plötzlich ein leicht wehmütiger Ausdruck.

»Ich verabscheue penetrante Neugier!«, fuhr Lady Westholme fort.

Der wehmütige Blick wurde ausgeprägter. Es war klar, dass Miss Pierce nichts anderes übrig geblieben war, als penetrante Neugier ebenfalls zu hassen!

»Etwas später«, sagte Lady Westholme abschließend, »kamen der Dragoman und Miss King zurück. Ich schlug vor, das Abendessen für uns vier sofort zu servieren, damit die Boyntons später allein und ohne die peinliche Anwesenheit von Fremden essen konnten. Mein Vorschlug wurde angenommen, und unmittelbar nach dem Essen zog ich mich in mein Zelt zurück. Miss King und Miss Pierce folgten meinem Beispiel. Mr. Cope blieb meines Wissens im Gemeinschaftszelt, da er ein Freund der Familie ist und ihnen vermutlich beistehen wollte. Das ist alles, was ich weiß, Monsieur Poirot.«

»Nachdem Miss King die Familie informiert hatte, verließen da alle Boyntons mit ihr das Gemeinschaftszelt?«

»Ja - das heißt, nein. Jetzt, wo Sie es erwähnen, glaube ich mich zu entsinnen, dass das rothaarige Mädchen nicht mitging. Vielleicht erinnern Sie sich, Miss Pierce?«

»Ja, ich glaube — ich bin sicher, dass sie blieb.«

Poirot fragte: »Und was machte sie?«

Lady Westholme starrte ihn verständnislos an. »Was sie machte, Monsieur Poirot? Sie machte gar nichts, soweit ich mich erinnern kann.«

»Ich meine, nähte sie oder las sie? Wirkte sie verstört? Sagte sie etwas?«

»Tja, also wirklich.« Lady Westholme runzelte die Stirn. »Sie — nun ja — sie saß einfach da, wenn ich mich recht erinnere.«

»Sie spielte mit ihren Fingern herum«, sagte Miss Pierce plötzlich. »Ich entsinne mich, dass mir das auffiel. Armes Ding, dachte ich noch, das zeigt, dass die Sache sie doch sehr mitnimmt! Ihrem Gesicht war nämlich überhaupt nichts anzumerken, wissen Sie — nur ihre Hände waren ständig in Bewegung.«

»Ich erinnere mich«, fuhr Miss Pierce im Plauderton fort, »wie ich einmal eine Pfundnote zerriss — genau so, ohne zu wissen, was ich tat. >Soll ich den nächsten Zug nehmen und zu ihr fahren?<, dachte ich. Es ging um eine Großtante von mir, die plötzlich erkrankt war. >Oder soll ich nicht fahren?< Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, weder so noch so, und dann blickte ich nach unten und merkte, dass ich statt des Telegramms eine Pfundnote -eine Pfundnote! - in winzige Stücke riss!«