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Metall blitzte. Jemand schrie das Wort Alarm!

Andrej schluckte, wirbelte herum und lief mit Riesenschritten auf den Ausgang zu, doch noch bevor er das gemauerte Gewölbe erreicht hatte, traten ihm gleich vier Männer entgegen. Drei von ihnen trugen die gleichen Uniformen wie die Männer, denen sie bereits begegnet waren, der vierte ein einfaches Priestergewand.

Andrej riss seine Klinge in die Höhe und empfing den ersten mit einem Schwerthieb, der ihn hätte enthaupten müssen. Aber der Hieb war zu langsam, schlecht gezielt und mit viel zu wenig Kraft geführt. Es gelang dem Mann, sein eigenes Schwert hochzureißen und Andrejs Hieb den größten Teil seiner Wucht zu nehmen. Zwar reichte die Kraft immer noch, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen und ihn rücklings gegen die Wand zu schmettern, aber er war nicht einmal verletzt.

Und seine beiden Begleiter bewiesen, dass sie keine verkleideten Bauern waren, die mit Mühe und Not wussten, an welchem Ende sie ein Schwert anfassen mussten, sondern gut ausgebildete Soldaten, die ihr Handwerk verstanden. Während der Mann im Priestergewand hastig ein paar Schritte zurückwich, um sich in Sicherheit zu bringen, zogen sie ihre Waffen und bewegten sich auseinander, wohl um Andrej von zwei Seiten zugleich attackieren zu können, und auch ihr Kamerad schüttelte benommen den Kopf und sah sich bereits wieder nach dem Schwert um, das er fallen gelassen hatte.

Andrej hätte nur einen Augenblick brauchen dürfen, um mit den drei Männern fertig zu werden. Aber er war krank. Die Welt verschwamm immer wieder vor seinen Augen, und das Schwert in seiner rechten Hand schien einen Zentner zu wiegen. Aus dem Augenwinkel sah er, dass weitere Männer heranstürmten.

Nur mit Mühe gelang es ihm, den Schwerthieb eines der Männer abzuwehren; dem des anderen entging er um Haaresbreite. Und hätte Abu Dun ihm nicht beigestanden, dann wäre es bereits im nächsten Augenblick um ihn geschehen gewesen.

Der Nubier stürmte heran wie der Leibhaftige, ein schwarzer Riese, der wie ein Wirbelwind zwischen die Männer fuhr. Den Soldaten, den Andrej entwaffnet hatte, rannte er kurzerhand über den Haufen, gerade als sich dieser nach seinem Schwert bücken wollte, einen zweiten fegte er mit einem fürchterlichen Fußtritt von den Beinen. Der dritte zögerte einen winzigen Moment, welchem der beiden Gegner er sich zuwenden sollte, und seine Unentschlossenheit kostete ihn das Leben. Andrej rammte ihm das Schwert in den Leib und stolperte weiter und auf den Priester zu, noch während der Soldat sterbend zusammenbrach.

Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke, und trotz seiner Schwäche und des Fiebers, das immer heißer und qualvoller in ihm brannte, registrierte er, wie erstaunlich jung der Priester noch war, und wie vollkommen anders, als er ihn sich vorgestellt hatte. Nicht der grausame Folterknecht, den er erwartet hatte, sondern ein offenes Gesicht mit klaren blauen Augen, in denen maßlose Verwirrung und allmählich aufkeimender Schrecken zu lesen waren, blickte ihn an.

Andrej verscheuchte den Gedanken und stach mit dem Schwert nach ihm.

Der Geistliche machte einen hastigen Schritt zur Seite, und die Klinge verfehlte ihn und scharrte Funken sprühend über die Wand.

Bevor Andrej zu einem weiteren Hieb ausholen konnte, versetzte Abu Dun ihm an seiner statt einen Stoß, der seinen Gegner haltlos in das Torgewölbe und auf der anderen Seite wieder herausstolpern ließ. Er fiel auf die Knie, rappelte sich mühsam wieder hoch und wollte sich herumdrehen.

Hinter ihnen polterten die Schritte der Verfolger über den gepflasterten Innenhof der Klosterfestung. Schreie gellten, und flackerndes rotes Licht fiel durch das offen stehende Tor.

»Nimm sie!« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte ihm Abu Dun das bewusstlose Mädchen in die Arme und wirbelte herum. »Ich halte sie auf! Renn!«

Andrej taumelte blind los. Er wusste nicht mehr, was er tat oder warum er es tat. Er führte einfach Abu Duns Befehl aus. Aber er war nicht einmal sicher, ob seine Kraft dafür reichen würden. Das reglose Mädchen wog Tonnen. Sein Gewicht drohte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu ziehen. Er brauchte all seine Kraft, um auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen und in die Richtung zu taumeln, in der er Birger vermutete.

Hinter sich hörte er Schreie und das vertraute Klirren von Metall. Als er den Kopf drehte, bot sich ihm ein fast unheimlicher Anblick: Abu Dun stand vor dem weit geöffneten Tor und kämpfte mit zwei Schwertern gleichzeitig.

Mindestens ein halbes Dutzend Krieger bedrängte ihn, beschienen vom flackernden roten Licht der Fackeln, das durch das Tor herausfiel. Er sah aus wie ein Dämon, der das Tor zur Hölle bewachte.

Abu Dun war ein Furcht einflößender Gegner, aber diese Übermacht war zu gewaltig, selbst für ihn. Er würde unterliegen.

Andrej verbrauchte seine letzten Kräfte, um weiterzustolpern. Die wenigen ärmlichen Hütten, die sich im Schutze der Klosterfestung aneinander drängten wie eine Horde verängstigter Tiere, die den Wolf gewittert hatten, blieben hinter ihm zurück, und er wankte den Hügel hinauf.

Als er ihn überschritten hatte, tauchten wie aus dem Nichts zwei schattenhafte Gestalten vor ihm auf: Birger und einer der beiden Brüder; von dem anderen war noch immer nichts zu sehen.

»Imret!« Birger war mit einem Satz bei ihm und nahm ihm das bewusstlose Mädchen aus den Armen. Er sog entsetzt die Luft zwischen den Zähnen ein, als er sah, in welchem Zustand sie war.

»Sie lebt«, sagte Andrej schwach. Obwohl er vom Gewicht des Mädchens befreit war, taumelte er und wäre fast gestürzt. Er spürte, wie Stefan hinter ihn trat, vielleicht um ihn aufzufangen, sollte er tatsächlich fallen.

»Diese Teufel!«, keuchte Birger. »Was haben sie ihr angetan?!«

»Sie lebt«, murmelte Andrej schwach. »Sie ist ein starkes Kind. Sie wird durchkommen, ich bin sicher. Aber ich muss zurück. Abu Dun. Er hat ... die Wachen aufgehalten. Ich muss ... zu ihm.«

»Aber Euer heidnischer Freund ist doch längst tot«, sagte Birger. Etwas an diesen Worten war ... seltsam. Andrej sah auf. Birger starrte ihn aus brennenden Augen an. Er grinste, aber es war kein menschliches Grinsen.

»Ihr werdet ihn trotzdem wieder sehen, keine Sorge«, fuhr Birger fort.

»Schon bald.«

Andrej bemerkte eine Bewegung hinter sich, und er wusste, was sie zu bedeuten hatte, aber er war nicht mehr in der Lage, sie abzuwehren. Er spürte noch den grausamen Schmerz, als Stefan ihm den Dolch in den Rücken stieß.

Dann nichts mehr.

Es folgte eine Zeit der Qual, doch obwohl sie aus nichts anderem bestand als aus einem schieren Überlebenskampf, gepaart mit wüsten Fieberträumen, begriff er doch zweierlei: Er lebte noch, und er würde auch weiter am Leben bleiben, und er hatte anscheinend seine Unsterblichkeit verloren oder zumindest einen großen Teil davon eingebüßt. Was er nun erlebte - und vor allem erlitt - war ihm nicht fremd. Er war unzählige Male verletzt worden, nur dass nun Tage, wenn nicht Wochen vergingen, während seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit die Verletzungen sonst binnen weniger Augenblicke heilte.

Irgendwann erwachte er, fiebernd und in Schweiß gebadet, und so schwach wie nie zuvor. Geräusche waren ringsum ihn herum, Schritte und Stimmen und Gesichter, die sich über ihn beugten, Hände, die größtenteils unangenehme Dinge mit seinem Körper taten.

Er schlief wieder ein, erwachte wieder, schlief wieder ein und erwachte wieder, und irgendwann erwachte er endgültig.

Es war dunkel. Er lag auf dem Rücken auf einem harten Bett, und es war sehr kalt. Er wollte etwas sagen, aber sein Kehlkopf war wie ausgedörrt und fühlte sich an wie heißer Wüstensand. Irgendwo neben ihm brannte eine Kerze, aber ihr Licht reichte nicht wirklich aus, um Einzelheiten zu erkennen, sondern verwandelte die Schwärze nur in ein mattes Glühen aus Gelb und verschiedenen Brauntönen.