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Adela hielt inne. Sie war zutiefst beschämt, und zugleich fühlte sie sich von einer Zentnerlast befreit. Das Schlimmste war überstanden. Lehnte Rosaleen ab, so lehnte sie eben ab. Es ließ sich nichts daran ändern.

Rosaleen schaute völlig fassungslos drein.

»Ach, du lieber Gott«, stammelte sie hilflos. »Ich hatte ja keine Ahnung… ich werde mit David reden.«

Die Hände um die Stuhllehne gekrampft, stieß Adela verzweifelt hervor: »Könnten Sie mir nicht einen Scheck geben? Jetzt, meine ich, sofort?«

»Doch, natürlich.«

Rosaleen hatte sich von ihrer Verwirrung noch nicht erholt. Sie erhob sich hastig, trat zum Schreibtisch und stöberte in verschiedenen Schubladen, bis sie endlich ein Scheckbuch fand.

»Soll ich… ich meine… wie viel?«

»Wäre es möglich – fünfhundert Pfund?«

»Fünfhundert Pfund«, wiederholte Rosaleen gehorsam und begann zu schreiben.

Wie leicht war das gewesen! Ein Kinderspiel! Bestürzt wurde Adela sich bewusst, dass sie eher Ärger als Dankbarkeit über die Leichtigkeit ihres Sieges empfand.

Rosaleen trat mit dem ausgefüllten Scheck auf Adela zu. Nun war sie die Unsichere. Adela fühlte sich der Situation vollkommen gewachsen.

Sie nahm den Scheck entgegen. Mit kindlicher Schrift war quer über das rosa Papier geschrieben: Mrs Marchmont. Fünfhundert Pfund. Rosaleen Cloade.

»Das ist sehr lieb von Ihnen, Rosaleen. Vielen Dank.«

»Ach… nicht doch… ich meine… ich hätte von selbst…« Mit dem Scheck in ihrer Handtasche fühlte sich Adela Marchmont wie ein anderer Mensch. Die junge Frau hatte sich wirklich sehr entgegenkommend gezeigt. Die Unterhaltung über Gebühr auszudehnen, war jedoch überflüssig. Es schien Rosaleen nur peinlich zu sein. Adela verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg. Draußen vor dem Haus begegnete ihr David. Mit einem freundlichen »guten Morgen«, ging sie an ihm vorüber.

7

»Was wollte diese Marchmont hier?«, erkundigte sich David, sobald er seiner Schwester gegenüberstand.

»Ach, David, sie brauchte entsetzlich nötig Geld. Ich hätte nie gedacht – «

»Und du hast’s ihr vermutlich gegeben?«

Halb belustigt, halb verzweifelt betrachtete er sie.

»Ich konnte es nicht abschlagen, David. Fünfhundert Pfund.« Zu ihrer Erleichterung lachte David.

»Ach, die Lappalie.«

»Lappalie? Aber David! Das ist doch schrecklich viel Geld!«

»Nicht für unsere heutigen Verhältnisse, Rosaleen. Du hast noch immer nicht begriffen, was für eine reiche Frau du jetzt bist. Aber trotzdem lass dir’s eine Lehre sein. Wenn sie fünfhundert verlangte, wäre sie auch mit zweihundertundfünfzig zufrieden gewesen. Du musst die Sprache der Schnorrer erst lernen.«

»Es tut mir Leid, David«, sagte Rosaleen unterwürfig.

»Aber Kind! Schließlich ist’s doch dein Geld.«

»Nein, das ist es nicht.«

»Jetzt fang nicht wieder damit an«, zankte David. »Gordon Cloade starb, bevor er Zeit hatte, ein Testament zu machen. Das nennt man Glück. Auf die Weise haben wir gewonnen und die anderen verloren. Glück und Pech, das ist nun einmal so.«

»Aber es scheint mir nicht recht zu sein.«

»Hand aufs Herz, Schwester! Macht dir dies alles hier etwa keine Freude? Ein herrliches Haus, Schmuck, Dienstboten? Ist’s nicht, als sei ein Traum wahr geworden? Ganz ehrlich, manchmal habe ich Angst, ich könnte aufwachen und entdecken, ich hätte wirklich alles nur geträumt.«

Sie stimmte in sein Lachen ein, und David wusste, dass er gewonnenes Spiel hatte. Er kannte Rosaleen und verstand es, sie richtig zu nehmen. Sie hatte nun einmal ein Gewissen. Das war unbequem, aber nicht zu ändern.

»Aber lass es jetzt gut sein mit Gedanken an die wohledle Familie Cloade, Rosaleen«, warnte er. »Von denen hat jeder immer noch mehr Geld, als du und ich früher jemals besessen haben.«

»Das ist sicher wahr«, gab sie zu.

»Wo steckte denn Lynn heute Morgen?«, erkundigte er sich beiläufig.

»Sie ist nach Long Willows hinüber, soviel ich weiß«, erwiderte Rosaleen.

Nach Long Willows! Zu Rowley, dem einfältigen Bauern. Davids gute Laune war wie weggewischt.

Missmutig schlenderte er zum Haus hinaus, durch das kleine Seitentor hinauf auf den Hügel. Von dort aus führte ein Pfad zum Fuß der Anhöhe und an Rowleys Farm vorbei.

Von seinem Ausblick aus sah David Lynn, die von der Farm kam.

Er zögerte einen Moment, dann streckte er trotzig das Kinn vor und setzte sich in Bewegung, ganz bewusst einen Weg einschlagend, auf dem er Lynn begegnen musste.

»Guten Morgen. Na – wann ist Hochzeit?«, begrüßte er das Mädchen.

»Das haben Sie mich schon öfter gefragt«, entgegnete Lynn. »Sie wissen genau, dass sie im Juni ist.«

»Sie wollen’s wirklich wahr machen?«

»Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen.«

»Das wissen Sie ganz genau.« David lachte höhnisch. »Rowley! Lieber Gott, wer ist schon dieser Rowley!«

»Ein besserer Mensch als Sie«, gab Lynn obenhin zurück. »Messen Sie sich mit ihm, wenn Sie den Mut haben.«

»Dass er besser ist als ich, bezweifle ich keine Sekunde. Aber Mut genug, mich mit ihm zu messen, habe ich. Für Sie, Lynn, täte ich alles.«

Es entstand eine kurze Pause. Dann sagte Lynn:

»Begreifen Sie denn nicht, dass ich Rowley liebe?«

»Ich bin nicht so überzeugt davon.«

Lynns Temperament ging mit ihr durch.

»Doch, ich liebe ihn«, beharrte sie aufbrausend.

»Wir machen uns alle ein Bild von uns selbst, wie wir uns gern sähen. Sie malen sich eine Lynn Marchmont aus, die Rowley liebt, ihn heiratet, die Farm mit ihm bewirtschaftet und bis zum Ende ihrer Tage glücklich an der Scholle klebt. Aber das ist nicht die wahre Lynn Marchmont. Sagen Sie selbst: Entspricht das Ihrer wahren Natur?«

»Ach Gott, was ist eigentlich diese wahre Natur? Was ist Ihre wahre Natur? Wie sehen Sie David Hunter?«

»Als einen Mann, der Ruhe nach dem Sturm sucht, aber manchmal kommen mir Bedenken, und ich frage mich, ob das meiner wirklichen Sehnsucht entspricht. Ich weiß nicht, Lynn, manchmal habe ich das Gefühl, als sei uns beiden gar nicht wohl bei der Aussicht auf ein beschauliches Leben. Wir brauchen Abenteuer.«

Er verfiel in Schweigen und fügte nach einem Weilchen mürrisch hinzu:

»Wozu sind Sie hier aufgetaucht? Bis Sie kamen, fühlte ich mich ausgesprochen glücklich.«

»Und jetzt sind Sie’s nicht mehr?«

David sah sie an: Eine unerklärliche Erregung ergriff von Lynn Besitz, ihr Atem ging schneller. Nie hatte sie stärker als in diesem Augenblick empfunden, welche Anziehungskraft Davids seltsame, hintergründige Art auf sie ausübte. Seine Hände schnellten vor, packten Lynn an den Schultern und drehten sie mit einem Ruck zu sich um.

Bevor Lynn sich noch klar darüber werden konnte, was eigentlich geschah, fühlte sie, wie sein Griff sich lockerte. Über ihre Schulter hinweg starrte er hügelaufwärts.

Lynn wandte sich abrupt um, um zu sehen, was es gab.

Sie sah eben noch eine Frau durch das schmale Tor oberhalb Furrowbanks verschwinden.

»Wer war das?«, erkundigte sich David argwöhnisch.

»Wenn ich mich nicht irre, war’s Frances«, entgegnete Lynn.

»Frances? Was mag die wohl wollen? Rosaleen bekommt hier nur Besuche von Leuten, die etwas von ihr wollen. Ihre Mutter hat ihr heute Morgen auch schon ihre Aufwartung gemacht.«

Lynn trat einen Schritt zurück.

»Mutter? Was hat sie denn gewollt?«

»Können Sie sich das nicht denken? Geld natürlich.«