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»O ja, Miss, ich kann’s gebrauchen. Mir ist ganz übel von dem Anblick. Ich bring Ihnen auch eine Tasse.«

Ein Angebot, das Beatrice Lippincott nicht ablehnte. 

17

Inspektor Spence warf Beatrice Lippincott, die mit fest zusammengepressten Lippen am anderen Ende des Tisches saß, einen prüfenden Blick zu.

»Vielen Dank, Miss Lippincott. Ich werde das Protokoll abschreiben lassen. Dann sind Sie bitte so freundlich, es zu unterzeichnen.«

»Ach, du meine Güte, ich werde doch nicht etwa vor Gericht aussagen müssen?«, fragte Beatrice entsetzt.

»Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt«, war des Inspektors wenig beruhigende Antwort.

»Es könnte doch Selbstmord sein«, mutmaßte Beatrice.

Inspektor Spence verzichtete auf den Hinweis, dass Selbstmörder andere Methoden zu wählen pflegten, als sich den Hinterkopf mit einer eisernen Feuerzange einzuschlagen. Stattdessen erwiderte er im gleichen unverbindlich freundlichen Ton:

»Es hat keinen Sinn, Mutmaßungen anzustelllen. Jedenfalls danke ich Ihnen, Miss Lippincott, dass Sie uns so prompt Ihre Beobachtungen mitgeteilt haben.«

Sobald Beatrice den Raum verlassen hatte, überschlug Spence in Gedanken noch mal ihre Angaben. Er kannte Miss Lippincott gut genug, um zu wissen, wie weit er ihrem Bericht Glauben schenken konnte. Ein gut Teil von dem, was sie gesagt hatte, musste man ihrer Erregung zuschreiben, als sie die Unterhaltung im Nebenzimmer mit angehört hatte. Ein weiterer Teil ging auf Konto der Tatsache, dass sich in Zimmer Nummer 5 ein Mord abgespielt hatte. Was übrig blieb, war hässlich und bedeutungsvoll genug.

Inspektor Spence betrachtete die vor ihm auf dem Tisch ausgebreiteten Gegenstände. Eine Armbanduhr mit zerbrochenem Glas, ein goldenes Feuerzeug mit Initialen darauf, ein Lippenstift in goldfarbener Hülle und eine schwere Feuerzange, deren eiserner Knauf rostbraune Flecke aufwies.

Sergeant Graves meldete, dass Mr Rowley Cloade draußen sei. Auf ein Nicken des Inspektors hin führte er Rowley herein.

Ebenso wie Inspektor Spence mehr oder weniger alles über Beatrice Lippincott wusste, war ihm auch Rowley Cloade sehr gut bekannt.

Wenn Rowley sich aufraffte, um der Polizei eine Mitteilung zu machen, so konnte man hundertprozentig sicher sein, dass es sich um etwas Ernstzunehmendes handelte. Abgesehen davon jedoch würde es geraume Zeit in Anspruch nehmen, denn Leute vom Schlage Rowley Cloades zu drängen, hatte keinen Sinn. Sie brauchten ihre Zeit, und man fuhr am besten mit ihnen, ließ man sie auf ihre eigene Art erzählen.

»Guten Morgen, Mr Cloade. Es freut mich, Sie zu sehen. Haben Sie uns irgendetwas mitzuteilen, was Licht auf diesen Mord im ›Hirschen‹ werfen könnte?«

Zu des Inspektors Überraschung antwortete Rowley mit einer Gegenfrage.

»Haben Sie den Mann identifiziert?«, erkundigte er sich.

»Nein«, entgegnete Spence nachdenklich. »Er hat sich als Enoch Arden eingetragen, doch wir haben keinen Beweis gefunden, dass er Enoch Arden ist.«

Rowley runzelte die Stirn. »Ist das nicht sonderbar?«

Es war sonderbar, in der Tat, doch der Inspektor hatte nicht die Absicht, seine Gedanken darüber, wie außerordentlich sonderbar dies sozusagen war, mit Rowley Cloade zu erörtern. Ruhig meinte er stattdessen:

»Nun lassen Sie mich mal die Fragen stellen, Mr Cloade. Sie haben den Toten gestern aufgesucht. Warum?«

»Sie kennen doch Beatrice Lippincott vom ›Hirschen‹, Inspektor?«

»Natürlich kenne ich sie.« Und in der Hoffnung, auf diese Weise schneller zur Sache zu kommen, fügte er hinzu: »Ich habe schon mit ihr gesprochen. Ich kenne ihre Geschichte.«

Rowley sah erleichtert aus.

»Gott sei Dank. Ich hatte Angst, sie würde vielleicht nicht hineingezogen werden wollen und darum lieber den Mund halten. Na, jedenfalls hat Beatrice mir auch mitgeteilt, was sie zufällig mit angehört hat, und auf mich machte das Ganze einen sehr bedenklichen Eindruck. Es ist nun einmal so, Inspektor, dass wir das sind, was man ›interessierte Partei‹ nennt.«

Wieder nickte der Inspektor zustimmend. Wie alle übrigen Bewohner der Gegend hatte er lebhaftes Interesse an den Ereignissen in der Familie Cloade genommen, und seiner Meinung nach war der Familie durch Gordons Tod so kurz nach seiner Heirat ein schlimmer Streich gespielt worden. Er teilte die allgemeine Auffassung, dass die junge Mrs Gordon Cloade »keine Dame« war und ihr Bruder zu der Sorte skrupelloser Draufgänger gehörte, die im Krieg unvergleichliche Dienste leisteten, in Friedenszeiten aber mit größter Vorsicht zu betrachten waren.

»Ich brauche Ihnen doch sicher kaum zu erklären, was es für uns alle bedeuten würde, stellte sich heraus, dass Mrs Gordon Cloades erster Mann noch lebt«, sagte Rowley. »Beatrices Erzählung von dem, was zwischen dem Fremden und David Hunter besprochen worden war, brachte die erste Andeutung einer solchen Möglichkeit. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen; ich war überzeugt, sie sei Witwe gewesen. Ich muss sagen, die Neuigkeit setzte mir zu, wenn es auch ein Weilchen dauerte, bis ich mir klarmachte, wie wichtig sie für uns sein könnte. Ich wollte dann zunächst meinen Onkel Jeremy Cloade zu Rate ziehen. Ich ging auch hin, aber sie saßen noch bei Tisch – beim Abendessen –, und ich musste warten. Und so während des Wartens überdachte ich das Ganze noch mal, und da überlegte ich, es sei doch besser, erst noch ein wenig mehr herauszubekommen, bevor ich meinen Onkel einweihte. Sie wissen doch, wie Rechtsanwälte sind. Sie wollen einen Haufen Angaben und eine Menge Beweise, und dann überlegen sie sich’s noch zehnmal, bevor sie sich entschließen, etwas zu unternehmen. Ich dachte mir, am gescheitesten wäre es, ich ginge selbst mal in den ›Hirschen‹ und nähme mir den Fremden genauer unter die Lupe.«

»Und haben Sie diesen Plan ausgeführt?«

»Ja, ich ging geradewegs zum ›Hirschen‹ – «

»Wie spät war es da?«

»Lassen Sie mich mal nachdenken… Zu meinem Onkel muss ich so ungefähr zwanzig Minuten nach acht Uhr gegangen sein. Dann hab ich dort ein Weilchen gewartet… Ich würde sagen, es war kurz nach halb neun, so etwa zwanzig Minuten vor neun. Ich wusste, wo der Bursche zu finden war. Bee hatte mir die Zimmernummer genannt. Also ging ich gleich die Treppe hinauf und klopfte an die Tür.«

Rowley schaltete eine Pause ein.

»Ich glaube, ich habe die Sache nicht sehr geschickt angepackt. Als auf mein Klopfen jemand ›herein‹ sagte, trat ich ins Zimmer. Ich hatte gemeint, ich würde der Überlegene bei der Unterhaltung sein, aber dem Burschen war ich nicht gewachsen. Er war ein schlauer Fuchs. Ich machte so eine Andeutung, mir wäre was von Erpressung zu Ohren gekommen. Ich dachte, er würde es daraufhin mit der Angst zu tun kriegen, aber es schien ihn nur zu amüsieren. Er fragte mich ohne alle Umschweife, ob ich etwa auch als ›Käufer‹ in Frage käme. ›Bei mir können Sie mit Ihren schmutzigen Geschäften nichts ausrichten‹, fuhr ich ihn an, worauf er mir in ziemlich frechem Ton antwortete: ›Ich hab was zu verkaufen, und mich interessiert, ob Sie oder die Familie Cloade was anzulegen gewillt sind für den positiven Beweis, dass Robert Underhay, der angeblich in Afrika begraben liegt, lebt.‹ Ich fragte, wieso wir überhaupt etwas dafür zahlen sollten. Darauf lachte der Kerl mir ins Gesicht und sagte: ›Weil ich heute Abend einen Besucher erwarte, der mir von Herzen gern eine runde Summe hinlegt für den Beweis, dass Robert Underhay tot ist.‹ Und da ging mein Temperament mit mir durch, und ich erklärte ihm, dass meine Familie sich auf schmutzige Dinge prinzipiell nicht einlasse. Wenn Underhay wirklich noch am Leben sei, so ließe sich das ohne große Schwierigkeiten sicher feststellen. Ich machte kehrt und war eben im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als er mir mit einem schmierigen Unterton nachrief: ›Ohne meine Mithilfe werden Sie kaum jemals einen Beweis liefern können.‹ In einem komischen Ton sagte er das.«