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David schüttelte den Kopf.

»Unsinn«, erklärte er. »Absoluter Unsinn.«

»Sie bleiben also dabei, dass der Name Robert Underhay in Ihrer Unterhaltung mit Enoch Arden nicht gefallen ist?«

David lächelte entwaffnend.

»O doch, der Name wurde erwähnt. Der Mann kannte Underhay.«

»Handelte es sich vielleicht um eine kleine – Erpressung, Mr Hunter?«

»Erpressung? Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Inspektor.«

»Wirklich nicht? Nun, lassen wir das. Aber etwas anderes hätte ich gern gewusst – eine reine Formsache selbstverständlich: Wo haben Sie sich gestern Abend zwischen sieben und elf Uhr aufgehalten?«

»Und wenn ich – eine reine Formsache selbstverständlich – die Antwort auf diese Frage verweigere?«

»Wäre das nicht etwas kindisch, Mr Hunter?«

»Dieser Meinung bin ich nicht. Ich hasse es und habe es von jeher gehasst, beaufsichtigt und kontrolliert zu werden.«

Der Inspektor zweifelte nicht an der Aufrichtigkeit dieser Behauptung.

Er hatte schon öfter mit Leuten vom Schlage dieses David Hunter zu tun gehabt. Sie waren imstande, aufsässig und widerspenstig zu sein, keineswegs, weil sie eine Schuld zu verbergen hatten, sondern weil diese Aufsässigkeit ihrem Charakter entsprach. Die Tatsache allein, dass sie über ihr Kommen und Gehen Rechenschaft ablegen sollten, reizte sie zu Widerspruch und Auflehnung.

Der Inspektor blickte fragend zu Rosaleen Cloade hinüber, und sie reagierte unverzüglich auf die stumme Aufforderung.

»Warum sagst du es ihm nicht, David – «

»So ist’s recht, Mrs Cloade. Uns liegt doch einzig und allein daran, Licht in diese Sache zu bringen«, hakte Spence versöhnlich ein.

»Lassen Sie meine Schwester in Ruhe«, fuhr David ihn an. »Was schert es Sie, ob ich gestern Abend hier, in Warmsley Vale oder in Honolulu war?«

»Man wird Sie als Zeugen vor Gericht zitieren, Mr Hunter, und dort werden Sie wohl oder übel Auskunft erteilen müssen«, hielt der Inspektor ihm vor.

»Ich ziehe es vor zu warten, bis ich vor Gericht befragt werde. Und jetzt wäre es mir angenehm, wenn Sie so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwänden.«

»Wie Sie wünschen.«

Der Inspektor ließ sich von dem hitzigen Ton des jungen Mannes nicht aus der Ruhe bringen.

»Bevor ich mich jedoch zurückziehe, habe ich noch eine Frage an Mrs Cloade.«

»Ich wünsche nicht, dass meine Schwester belästigt wird«, brauste David von neuem auf.

»Verständlich, aber ich muss Mrs Cloade bitten, sich den Toten anzuschauen, da sie ihn vielleicht identifizieren kann. Dem können Sie sich nicht widersetzen, Mr Hunter. Es ist lediglich eine Frage des Zeitpunkts, denn früher oder später muss Mrs Cloade den Mann persönlich in Augenschein nehmen. Am besten wäre es, sie käme gleich mit mir. Je eher man so eine unerfreuliche Sache hinter sich bringt, desto besser. Wir haben Zeugen dafür, dass Mr Arden sagte, er habe Mr Underhay gekannt. Nichts liegt näher, als dass er auch Mrs Underhay gekannt hat, und wenn er Mrs Underhay gekannt hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass Mrs Underhay auch ihn kannte. Es ist eine ausgezeichnete Chance, den wirklichen Namen des Mannes, der sich Enoch Arden nannte, herauszufinden.«

Zu des Inspektors Erstaunen erhob sich Rosaleen sofort und erklärte:

»Ich komme, wann immer Sie wünschen.«

Spence erwartete einen neuen Ausbruch Davids, doch verblüffenderweise lächelte der junge Mann nur.

»Das ist recht, Rosaleen«, sagte er. »Ich muss gestehen: Ich bin selbst neugierig. Sehr gut möglich, dass du uns sofort verraten kannst, wer der Bursche in Wirklichkeit war.«

»Sie haben ihn in Warmsley Vale nicht getroffen?«, erkundigte sich Spence.

»Ich bin schon seit Sonnabend in London«, antwortete Rosaleen.

Der Inspektor nickte.

»Und Arden traf Freitag nacht in Warmsley Vale ein.«

»Möchten Sie, dass ich jetzt gleich mitkomme?«, vergewisserte sich Rosaleen im Ton eines folgsamen Kindes, das seinen Lehrern gefallen möchte. Wider Willen fühlte sich Spence zu ihren Gunsten beeinflusst. Diese Bereitwilligkeit, ihn zu unterstützen, hatte er nicht erwartet.

»Ich warte in der Halle auf Sie.«

Er zog sich zurück.

Unten begab er sich abermals ins Büro, wo der General ihn bereits erwartete.

»Nun?«

»Beide Betten sind letzte Nacht benutzt worden, Inspektor. Auch die Badetücher waren nass, und um halb zehn heute früh wurde Frühstück aufs Zimmer serviert.«

»Um welche Zeit Mr Hunter gestern Nacht heimkam, haben Sie nicht in Erfahrung bringen können?«

»Leider nicht, Inspektor.«

Der Inspektor hatte mit keiner besseren Auskunft gerechnet. Er war sich nicht im Klaren darüber, ob Davids kindisches Verhalten nur einem trotzigen Charakter entsprach oder ob sich mehr hinter der Widerspenstigkeit des jungen Mannes verbarg. Wie die Dinge lagen, konnte er sich eigentlich nicht verhehlen, dass er in Verdacht stand, einen Mord begangen zu haben. Je eher er mit der Wahrheit herausrückte, desto besser. Was für einen Sinn sollte es haben, der Polizei zu trotzen? Aber gerade das bereitete Leuten wie David Hunter besonderes Vergnügen. Inspektor Spence wusste das nur zu gut.

Die Fahrt nach Warmsley Vale verlief äußerst schweigsam. Als die drei am Leichenschauhaus anlangten, war Rosaleen sehr blass. Ihre Hände zitterten. David redete tröstend, so wie man einem verschüchterten Kind Mut zuspricht.

Auf ein Zeichen des Inspektors hin wurde das Leintuch von der leblosen Gestalt auf der Bahre gezogen. Stumm stand Rosaleen Cloade vor dem Toten, der sich Enoch Arden genannt hatte. Spence war einen Schritt zurückgetreten, doch seine Augen hingen am Gesicht der jungen Witwe.

Sie schaute auf den Toten hinunter, ohne sich zu rühren, ohne aufgeregt zu sein, es war fast ein Staunen in ihrem Blick, eine leichte Verwunderung. Und dann machte sie ruhig, beinahe sachlich, das Zeichen des Kreuzes über ihm und sagte:

»Gott sei seiner armen Seele gnädig. Ich habe diesen Mann noch nie in meinem Leben gesehen. Ich habe keine Ahnung, wer er ist.«

Ihr Ton war so überzeugend, dass es für den Inspektor nur zwei Möglichkeiten gab: Entweder hatte Rosaleen Cloade die Wahrheit gesagt, oder sie war eine der besten Schauspielerinnen, die er je erlebt hatte.

Etwas später rief Inspektor Spence Rowley Cloade an.

»Mrs Cloade hat den Toten gesehen«, sagte er. »Sie behauptet, ihn nicht zu kennen. Damit ist jeder Zweifel, ob es Robert Underhay war oder, nicht, ein für alle Mal aus der Welt geschafft.«

Es entstand eine kleine Pause, bevor Rowley langsam entgegnete:

»Sind Sie fest überzeugt davon?«

»Jede Geschworenenbank würde Mrs Cloade Glauben schenken«, erwiderte der Inspektor. »Solange kein Beweis für das Gegenteil vorliegt, selbstverständlich.«

»Ja«, erwiderte Rowley zögernd.

Er hängte den Hörer ein und langte nach dem Telefonbuch von London. Er schlug den Buchstaben P auf und fuhr mit dem Zeigefinger die Kolonnen entlang, bis er auf den gesuchten Namen stieß. 

19

Hercule Poirot faltete die letzte der zahlreichen Zeitungen zusammen, nach denen er seinen Diener George geschickt hatte. Nur sehr wenig war deren Berichten zu entnehmen. Die Untersuchung des Gerichtsarztes hatte ergeben, dass der Mann durch mehrere kräftige Schläge auf den Kopf ermordet worden war. Dieser Mr Arden schien vor kurzem aus Kapstadt gekommen zu sein.

Poirot legte die letzte Zeitung auf einen säuberlich ausgerichteten Stoß bereits gelesener Blätter und überließ sich seinen Gedanken. Die Sache interessierte ihn. Wäre nicht Mrs Lionel Cloades kürzlicher Besuch bei ihm gewesen, hätte er vielleicht die erste, knapp gefasste Notiz über den Mord übersehen. Doch da gab es noch eine andere Begebenheit in Zusammenhang mit dem Namen Cloade, der ihm im Gedächtnis haften geblieben war. Der langweilige Major Porter hatte an jenem nun schon einige Zeit zurückliegenden Tag im Club prophezeit, es könnte eines Tages irgendwo ein Mr Enoch Arden auftauchen. Hercule Poirot hätte in diesem Augenblick gern mehr über diesen Enoch Arden gewusst, der in Warmsley Vale eines gewaltsamen Todes gestorben war.