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»Wer ist eigentlich dieser Major Porter?«, erkundigte sie sich.

»Ein pensionierter Offizier.«

»War er wirklich in Afrika?«

Poirot warf ihr einen verwunderten Blick zu.

»Natürlich, Madame. Wieso sollte er nicht dort gewesen sein?«

»Ach, nur so«, erwiderte Frances Cloade geistesabwesend, »Jeremy, ich habe mir überlegt, dass Rosaleen Cloade sich furchtbar einsam in Furrowbank fühlen muß. Hast du etwas dagegen, dass ich sie auffordere, zu uns zu ziehen?«

»Bist du der Meinung, dass das ratsam wäre?«, meinte Jeremy zweifelnd.

»Ratsam? Mein Gott, ich weiß nicht. Aber sie ist ein so hilfloses Geschöpf. Man muss ihr doch beistehen.«

Ruhig erwiderte der Anwalt.

»Wenn es dich glücklicher macht, meine Liebe.«

»Glücklicher!«, entfuhr es Frances.

»Ich werde mich jetzt verabschieden.«

Hercule Poirot erhob sich.

»Sie fahren jetzt gleich nach London zurück?«, fragte Frances, ihn in die Halle begleitend.

»Morgen. Aber nur für vierundzwanzig Stunden, dann kehre ich hierher – in den ›Hirschen‹ – zurück, wo Sie mich jederzeit finden können, Madame, falls Sie mich brauchen.«

»Wieso sollte ich Sie brauchen?«, kam es scharf von Frances’ Lippen.

Poirot antwortete nicht auf die Frage. Er wiederholte nur:

»Sie finden mich im ›Hirschen‹.«

Später in der Nacht sagte Frances Cloade zu ihrem Mann: »Was sollen wir nur tun, Jeremy? Was sollen wir nur tun?« Es verging ein Weilchen, bevor Jeremy Cloade leise entgegnete:

»Es gibt nur einen Ausweg, Frances.« 

26

Versehen mit der Vollmacht Jeremy Cloades hatte Poirot in London alle Auskünfte erhalten, an denen ihm lag. Sie ließen wenig Hoffnung. Das Haus, in dem Gordon Cloade umgekommen war, lag in Trümmern. Außer Mrs Cloade und David Hunter hatte keiner der Bewohner den Bombenangriff überlebt. Drei Dienstboten hatten sich außer der Familie im Haus befunden: Frederick Game, Elisabeth Game und Eileen Corrigan. Alle drei waren auf der Stelle tot gewesen. Gordon Cloade wurde noch lebend geborgen, starb aber auf dem Weg ins Krankenhaus, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Poirot notierte sich die Namen und Adressen je eines nahen Verwandten der drei Dienstboten.

»Möglich, dass sich auf diesem Weg der Hinweis finden lässt, nach dem ich suche.«

Der Beamte, an den Poirot sich gewandt hatte, schüttelte zweifelnd den Kopf. Das Ehepaar Games stammte aus Dorset, Eileen Corrigan kam aus Irland.

Poirots nächstes Ziel war Major Porters Wohnung.

Doch als er um die Ecke der Edge Street bog, bemerkte er voller Bestürzung einen postenstehenden Polizisten vor dem Haus, welches das Ziel seiner Schritte war.

Der Polizist hinderte Poirot am Eintreten.

»Nichts zu machen, Sir.«

»Was ist denn passiert?«

»Sie wohnen doch nicht hier?«, fragte der Polizist statt einer Antwort. »Wen wollen Sie denn besuchen?«

»Major Porter.«

»Sind Sie ein Verwandter oder Freund des Majors?«

»Nein, kein Verwandter, und als ein Freund würde ich mich auch nicht gerade bezeichnen. Aber was sollen diese Fragen?«

»Der Major hat sich erschossen, soviel ich weiß. Ah, da ist der Inspektor.«

Die Tür hatte sich geöffnet; zwei Herren betraten die Straße. Der eine musste der Inspektor des zuständigen Bezirks sein, im anderen erkannte Poirot Sergeant Graves von Warmsley Vale. Graves erkannte Poirot ebenfalls und machte ihn mit dem zuständigen Inspektor bekannt.

Zu dritt gingen sie ins Haus zurück.

»Sie haben uns in Warmsley Vale angerufen, und Inspektor Spence hat mich hergeschickt«, erklärte Graves.

»Selbstmord?«

»Ja. Ziemlich klarer Fall. Hat sich wohl die Gerichtsverhandlung und das ganze Drum und Dran zu sehr zu Herzen genommen. Außerdem soll er in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sein. Na, wie’s so ist. Eines kommt zum anderen. Mit seinem eigenen Armeerevolver hat er sich erschossen.«

»Ist es erlaubt hinaufzugehen?«, fragte Poirot.

»Wenn Ihnen daran liegt. Führen Sie Monsieur Poirot hinauf, Sergeant«, ordnete der Inspektor an.

Graves ging die Treppe voran zu dem im ersten Stock gelegenen Zimmer.

»Vor ein paar Stunden muss es passiert sein«, berichtete er. »Niemand hat’s gehört. Die Vermieterin war gerade einkaufen.«

Poirot sah nachdenklich auf die stumme Gestalt im Sessel.

»Können Sie sich erklären, wieso er das getan hat?«, forschte Graves respektvoll.

Poirot erwiderte geistesabwesend:

»Ja, natürlich. Er hatte einen guten Grund. Da liegt die Schwierigkeit nicht.«

Der Meisterdetektiv trat an einen Schreibtisch, dessen Rolldeckel offen war. Er war tadellos aufgeräumt. In der Mitte stand ein Tintenlöscher, davor ein Schälchen mit einem Federhalter und zwei Bleistiften. Rechts lag ein Schächtelchen mit Büroklammern und ein Markenheft. Alles war am Platz und wie es sich gehörte. Ein ordentliches Leben und ein ordentlicher Tod. Natürlich – das war es! Etwas fehlte.

Zu Graves gewandt, fragte Poirot:

»Hinterließ er keinen Brief? Kein Blatt Papier mit ein paar Zeilen?«

Graves schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts gefunden. Wäre eigentlich zu erwarten gewesen von einem Mann wie dem Major.«

»Sonderbar. Sehr sonderbar«, murmelte Poirot. 

27

Es war bereits acht Uhr vorbei, als Poirot wieder im »Hirschen«, eintraf. Er fand eine Botschaft von Frances Cloade vor, in der sie ihn bat, sie aufzusuchen. Er machte sich sogleich auf den Weg.

Frances Cloade empfing ihren Besucher im Salon.

»Sie haben mir prophezeit, dass ich Sie brauchen würde, Monsieur Poirot, und Sie haben Recht behalten. Es gibt etwas, was ich jemandem anvertrauen muss, und ich glaube, Sie sind die am ehesten geeignete Persönlichkeit, meine Geschichte zu hören.«

»Es ist stets leichter, Madame, sich jemandem anzuvertrauen, der mehr oder weniger ahnt, worum es geht.«

»Sie wissen, worüber ich reden will?«

Poirot nickte langsam.

»Und seit wann?«

»Seit ich die Fotografie Ihres Herrn Vater gesehen habe. Sie sehen sich sehr ähnlich. Ihre Verwandtschaft ist offenkundig. Und diese Familienähnlichkeit fand sich ebenso stark bei dem Fremden, der im ›Hirschen‹ ein Zimmer nahm und sich als Enoch Arden ins Fremdenbuch eintrug.«

Frances stieß einen bedrückten Seufzer aus.

»Sie haben es erraten. Obwohl der arme Charles einen Bart trug. Er war ein Vetter zweiten Grades von mir, Monsieur Poirot. Sehr nahe haben wir uns nie gestanden. Er war das schwarze Schaf der Familie. Und ich bin schuld an seinem Tod.«

Sie verfiel für einen Augenblick in Schweigen. Poirot drängte sanft:

»Wollen Sie mir nicht erzählen?«

Frances riss sich zusammen.

»Ja, es muss sein. Wir brauchten furchtbar dringend Geld. Damit begann alles. Mein Mann befindet sich in Schwierigkeiten, in sehr schlimmen Schwierigkeiten. Wir fürchteten, es könnte zu einer Verhaftung kommen. Aber eines möchte ich von vornherein klarmachen, Monsieur Poirot. Der Plan stammte von mir. Ich dachte ihn mir aus, und ich führte ihn durch. Meinem Mann wäre das alles viel zu riskant gewesen. Aber ich will der Reihe nach berichten.

Zuerst wandte ich mich an Rosaleen Cloade wegen eines Darlehens. Ich weiß nicht, ob sie es nicht gegeben hätte, aber ihr Bruder trat dazwischen. Er war an jenem Morgen besonders schlechter Laune und benahm sich ausfallender als gewöhnlich. Ausgesprochen frech, um es deutlich zu sagen. Und als mir später die Möglichkeit dieses Planes in den Sinn kam, hatte ich keine Bedenken, ihn auszuführen.

Ich überlegte, dass Zweifel am Tod Robert Underhays bestanden und dass man mit diesem Zweifel vielleicht etwas anfangen könnte. Mein Vetter Charles war mal wieder im Lande. Er war so ziemlich am Ende, hatte sogar im Gefängnis gesessen, glaube ich. Ich machte ihm meinen Vorschlag. Es war Erpressung, nichts anderes. Aber wir dachten, es würde uns gelingen. Schlimmstenfalls, überlegten wir, würde David Hunter eben nicht die verlangte Summe zahlen. Dass er zur Polizei gehen könnte, hielten wir für ausgeschlossen. Leute seines Schlages halten wenig von der Polizei und wollen lieber nichts mit ihr zu tun haben.