Выбрать главу

Sie blickte auf.

»Was meinst du damit? Das hast du vorhin schon behauptet.«

»Als du dich einverstanden erklärtest, mich zu heiraten«, erwiderte Jeremy würdevoll, »konntest du mit Recht annehmen, dass ich dir ein Leben ohne Peinlichkeiten, ein Leben ohne Sorgen und Demütigungen bereiten würde.«

Frances betrachtete ihren Mann mit äußerstem Erstaunen.

»Ja, aber Jeremy, was um Himmels willen glaubst du, hat mich veranlasst, dich zu heiraten?«

Er lächelte überlegen.

»Du warst stets eine gute Frau, Frances, und du hast stets zu mir gehalten. Aber ich kann mir kaum schmeicheln, dass du mich auch unter – hm – anders gearteten Umständen zum Mann gewählt hättest.«

Frances starrte ihren Mann verdutzt an und brach dann in Lachen aus.

»Ach, du dummer Kerl, du! Was für romantische Gedanken du hinter deiner trockenen Juristenstirn verbirgst! Hast du wirklich geglaubt, ich hätte dich quasi zum Dank dafür, dass du Vater vor den Wölfen gerettet hast, geheiratet?«

»Du hast sehr an deinem Vater gehangen, Frances.«

»Ich vergötterte ihn. Er war der lustigste Kamerad, den man sich wünschen kann, und er sah fabelhaft aus. Aber deswegen habe ich mich doch nie Illusionen über ihn hingegeben. Und wenn du glaubst, ich hätte dich als Vaters Anwalt nur geheiratet, um ihn vor dem zu bewahren, was ihm unweigerlich früher oder später widerfahren musste, dann kennst du mich nicht. Dann hast du mich überhaupt nie gekannt.«

Sie sah ihren Mann verblüfft an. Wirklich sonderbar, dass man über zwanzig Jahre mit einem Mann verheiratet sein konnte, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was eigentlich in ihm vorging.

»Ich habe dich geheiratet, weil ich dich liebte«, stellte sie sachlich fest.

»Du liebtest mich? Aber was kann dir an mir gefallen haben?«

»Ach, was für eine Frage, Jeremy! Ich weiß es selbst nicht. Vielleicht weil du so anders warst als die Leute um meinen Vater herum. Und vielleicht auch, weil du nie über Pferde gesprochen hast. Du kannst dir nicht vorstellen, wie satt ich es hatte, nur über Pferde und Rennen reden zu hören. Ich erinnere mich, wie du eines Abends zum Essen kamst und ich dich fragte, ob du mir erklären könntest, was Bimetallismus sei. Und du konntest es wirklich. Es dauerte zwar das ganze Essen lang – wir hatten damals gerade Geld und konnten uns einen fabelhaften französischen Koch leisten – «

»Ich muss dir schrecklich auf die Nerven gegangen sein.«

»Im Gegenteil! Ich war fasziniert. Kein Mensch hatte mich jemals zuvor so ernst genommen. Andrerseits schien ich überhaupt keinen Eindruck auf dich zu machen, und das reizte mich. Ich setzte mir in den Kopf, dich dazu zu, bringen, mich zu beachten.«

»Ich beachtete dich mehr als genug«, versetzte Jeremy. »Du hattest ein blaues Kleid mit einem Kornblumenmuster an. Ich schlief damals die ganze Nacht nicht und dachte nur immer an dich in deinem blauen Kleid.«

Er räusperte sich.

»Ja… das liegt alles so lange zurück.«

Sie half ihm geistesgegenwärtig, die aufkommende Verlegenheit zu überwinden.

»Und heute sitzen wir hier, ein Ehepaar mittleren Alters, das sich in Schwierigkeiten befindet und nach einer Lösung sucht.«

»Nach dem, was du mir jetzt gesagt hast, Frances, ist alles noch hundertmal schlimmer… die Schande…«

»Aber Jeremy! Streuen wir uns doch keinen Sand in die Augen. Du hast etwas getan, was mit dem Gesetz in Konflikt steht, stimmt. Möglich, dass man Anklage erhebt und dich zu Gefängnis verurteilt.« Jeremy zuckte unwillkürlich zusammen. »Aber Grund zu moralischer Entrüstung haben wir trotzdem nicht. Wir sind keine so schrecklich moralische Familie. Vater war ein charmanter Mann, das steht außer Frage, aber im Grunde doch ein kleiner Hochstapler. Na, und mein Vetter Charles, den man schleunigst in die Kolonien verfrachtete, als ein Prozess drohte, oder mein anderer Vetter Gerald, der in Oxford einen Scheck fälschte und trotzdem später das Viktoriakreuz bekam für besondere Tapferkeit vor dem Feind – nein, Jeremy, kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Dass ich selbst eine weiße Weste habe, liegt vielleicht nur daran, dass ich nie in Versuchung geraten bin. Aber eines steht fest: Ich habe Mut, Jeremy, und lasse mich nicht so leicht zur Verzweiflung bringen.«

Sie lächelte ihm zu, und er stand auf, kam steif auf sie zu und drückte ihr einen Kuss aufs Haar.

»Jetzt lass uns einmal vernünftig miteinander reden. Was können wir tun?«, fuhr Frances nach kurzem Überlegen fort. »Irgendwo Geld auftreiben?«

Jeremys Gesicht verfinsterte sich.

»Ich wüsste nicht wo.«

»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als von jemandem zu borgen. Und da kommt wohl nur Rosaleen in Frage.«

Er schüttelte den Kopf.

»Es handelt sich um eine größere Summe, und Rosaleen hat nicht das Recht, das Kapital anzugreifen. Sie hat nur die Nutznießung, solange sie lebt.«

»Ach so, das wusste ich nicht. Und was geschieht, wenn sie stirbt?«

»Dann bekommen Gordons Erben das Geld, das heißt, es wird zwischen uns, Lionel, Adela und Maurices Sohn Rowley geteilt.«

Etwas Unausgesprochenes lag in der Luft; der Schatten eines Gedankens schien sowohl Jeremy wie Frances zu streifen.

»Das Schlimmste ist, dass wir es weniger mit ihr zu tun haben als mit ihrem Bruder. Sie steht völlig unter seinem Einfluss«, bemerkte Frances nach kurzer Pause.

»Ein wenig anziehender Bursche«, sagte Jeremy.

Ein unvermitteltes Lächeln überflog Frances’ Gesicht. »Im Gegenteil, er ist sogar sehr anziehend. Auffallend anziehend, und – wie mir scheint – ein bedingungsloser Draufgänger. Aber das bin ich im Grunde auch.«

Ihr Lächeln fror gleichsam ein.

»Wir geben uns nicht geschlagen, Jeremy. Es muss einen Ausweg geben. Ich werde ihn finden, und wenn mir nichts anderes übrig bleibt, als das Geld aus einer Bank zu stehlen.«

4

»Geld!«, sagte Lynn.

Rowley Cloade nickte bedächtig. Er war ein kräftig gebauter junger Mann mit gesunder, von der Landluft gebräunter Haut, nachdenklichen blauen Augen und sehr hellem Haar. Das Gemessene in seiner Sprechweise und seinem Gehaben schien eher einer angenommenen Gewohnheit als natürlicher Veranlagung zu entsprechen. Wie manche Leute sich durch Schlagfertigkeit hervortun, fiel Rowley durch seine bedachtsame Art auf.

»Ja, heutzutage scheint sich wirklich alles nur noch um Geld zu drehen«, erwiderte er.

»Aber ich habe immer gedacht, während des Krieges sei es den Farmern ausgezeichnet gegangen«, versetzte Lynn.

»Stimmt. Aber das nützt auf die Dauer nichts. In einem Jahr stehen wir wieder da, wo wir angefangen haben. Die Löhne werden gestiegen sein, es wird Arbeitskräftemangel herrschen, und niemand wird wissen, was. er eigentlich will. Wenn man eine Farm nicht in großem Stil betreiben kann, steht das Risiko in keinem Verhältnis zum Erfolg. Das wusste Gordon, und deshalb war er bereit, mir zu einem richtigen Start zu verhelfen.«

»Und jetzt…«, sagte Lynn vage.

»Jetzt fährt Mrs Gordon nach London und gibt ein paar Tausender für einen hübschen Nerzmantel aus.«

»Es ist eine Gemeinheit.«

»O nein, Lynn.« Rowley lächelte. »Ich hätte nichts dagegen, könnte ich dir einen Nerzmantel kaufen.«

»Wie ist sie eigentlich, Rowley?«

»Du wirst sie heute Abend ja mit eigenen Augen sehen. Onkel Lionel und Tante Kathie haben sie eingeladen.«

»Ich weiß, aber ich möchte hören, was du von ihr hältst. Mama behauptet, sie sei geistig zurückgeblieben.«

Rowley überlegte sich seine Antwort gründlich, bevor er erwiderte:

»Ihr Intellekt ist sicher nicht ihre stärkste Seite, aber geistig zurückgeblieben ist sie auch nicht. Sie wirkt nur manchmal so einfältig, weil sie ständig auf der Hut ist.«