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»Jawohl, Niklas Asmus.«

»Kommen Sie mit.«

Asmus folgte Jacobsen bis zum Tor und wurde in das Grundstück hineingelassen. Jetzt erst bemerkte er, wie elegant Jacobsen gekleidet war – ein Großstädter zu Besuch im eigenen Landhaus. Dazu passte auch, dass auf dem weitläufigen Gelände ein Mann eine Sense dengelte, während ein anderer das gemähte Gras zusammenrechte. Am Haus angekommen, griff Jacobsen nach einer Klingel. Kurze Zeit später eilte ein Hausmädchen mit einem Tablett herbei, auf dem ein Saftkrug und zwei Gläser standen.

Man war hier auf alles vorbereitet. Asmus nahm Platz und schaute sich bewundernd um. »Es ist unglaublich idyllisch hier. Vor allem an einem so windstillen Tag«, bemerkte er.

»Stimmt. Nicht nur im Sommer. Auch an ruhigen Nebeltagen im Januar. Das übrige Jahr auch. Bei Sturm ist es aufregend, über die See zu blicken. Und das alles im Wissen, dass ich hier über Geschieben aus Schweden und über Gesteinen aus Finnland und Norwegen wohne, deren Entstehung sich ein Laie kaum ausmalen kann. Sind Sie mal am Strand entlanggewandert, um das Farbenspiel des Kliffs von unten zu betrachten?«

Asmus verneinte und trank das Glas in einem Zug leer. Er war tatsächlich durstig.

»Dann kommen Sie doch einfach mal vorbei, wenn es Ihnen passt, und ich erkläre Ihnen die besonderen geologischen Verhältnisse dieses Ortes!«

»Gerne«, sagte Asmus erfreut. »Mir scheint, ich habe es mit einem Fachmann für Geologie zu tun.«

»Nun, nicht direkt. Es ist eines meiner Steckenpferde.«

Offenbar hatte Jacobsen noch mehr davon. Er schien ein interessanter Mensch zu sein. Asmus erhob sich unter Bedauern. »Jetzt muss ich weiter, ich bin im Dienst. Vielen Dank für den Saft, Herr Jacobsen.«

»Oh, das war doch selbstverständlich.« Jacobsen brachte Asmus zur Pforte und sah ihm über der Hecke nach, als er davonratterte.

Der Weg war sandig, aber durch breite Reifen festgefahren, worüber sich Asmus einen Augenblick wunderte.

KAPITEL 6

Am nächsten Tag holte Asmus Ose zu Hause ab, sie wohnte gewissermaßen in Sichtweite von seinem Boot am nördlichen Ende von Keitum, gar nicht so weit weg von der Kirche St. Severin.

»Wir müssen eine ganze Strecke fahren«, erklärte Ose, raffte ihr naturfarbenes Leinenkleid und kletterte auf den Soziussitz. »Nach Morsum. Das Kliff dort ist einzigartig, ist aber zum wunden Punkt von Sylt geworden. Noch vor dem Krieg wollten sie von dort für Militärfahrzeuge eine Brücke zum Festland bauen. Dieser Plan ist erledigt, aber jetzt nimmt ja der Dammbau in der Nähe seinen Ausgang. Und ausgerechnet das Kliff wollten sie abtragen und seine Erde als Dammunterbau verwenden! Stell dir vor!«

»Ja, stelle ich mir vor.«

»Und? Ein bisschen selbst denken hilft manchmal!«

»Besondere geologische Erdschichten, Pflanzen und Tiere wären verschwunden«, schlug Asmus ernst vor.

»Na ja, sicher«, gab Ose besänftigt zu. »Weißt du eigentlich, dass Niklas bei uns auf Friesisch Nis ist? Ich werde dich trotzdem Niklas nennen, bis du dich als Sylter bewährt hast. Und Asmus ist Asmussen. Ich hoffe, ich sehe mich nicht gezwungen, eines Tages Herr Niklas Asmus zu dir zu sagen.«

»Nein, ich hoffe es auch nicht. Können wir jetzt losfahren, nachdem die sprachlichen Fronten geklärt sind?« Asmus setzte seinen Tschako auf, den Ose naserümpfend betrachtete.

»Militärische Ausdrücke liebe ich auch nicht«, bemerkte sie.

»Gewiss, Ose. Aber Diskussionen über Ausdrücke und Uniformen erübrigen sich. Ich bin nun mal Polizist und möchte an die Arbeit. So schnell wie möglich.« Sie war eine kleine Kratzbürste, wie Asmus mittlerweile festgestellt hatte. Aber es musste im Rahmen bleiben.

»Jetzt im Frühling sind die Pflanzen, die du schützen sollst, nicht so gut zu erkennen. Nächste Lehrstunde, wenn sie blühen«, versprach Ose, als sie am Strand unterhalb des Kliffs standen. »Die unterschiedlichen Farben hier repräsentieren Kaolinsand, Glimmerton und Sandstein, und jede Schicht hat eine eigene Pflanzen- und Tierwelt. Schmetterlinge fliegen später, zur Blütezeit, aber die Vögel nisten natürlich schon. Die Uferschwalben sind die pfeilschnellen Geschosse …«

»Na, na«, unterbrach Asmus sie tadelnd. »Wie war das mit den militärischen Ausdrücken?«

Ose grinste. »… die sich vor den Kliffwänden tummeln und sich Niströhren graben. Im Unterschied zu denen gibt es die stinkfaulen Brandenten, die den Kaninchen die Buddelei im Sand und im Schlick überlassen und in deren Wohnungen einziehen, wenn sie ihnen gemütlich genug erscheinen. Diese schwarzweißen großen Tiere, die du da vorne siehst.«

»Faule Enten! Du sollst doch die Natur schützen, nicht moralisch beurteilen«, tadelte Asmus scherzhaft.

»Oh, ich schütze sie ganztägig! Mit den Brandgänsen oder Brandenten, wie du willst, haben wir ein besonders gutes Verhältnis – wir überreden sie zur Zusammenarbeit.«

»Die wie funktioniert?«

»Wenn zu wenig Kaninchenhöhlen da sind, graben wir den Gänsen Nisthöhlen mit einem Ausgang zu einem Priel oder einem Wasserlauf.«

»Das ist also eure Arbeit. Und deren?«

»Die Zahlung der Miete. In Form von Eiern.«

»Aber das ist doch kein Naturschutz«, wandte Asmus betroffen ein, während er verdrängte, dass er selber Möweneier sammeln wollte. Aber er war auch kein Naturschützer.

»Du hast schon recht. Jedoch nur im Prinzip. Tatsächlich ist es aber so, dass die Kaninchenbauten knapp sind, weil immer mehr Brandgänse vom Festland nach Sylt flüchten und deshalb mehrere Paare ein und dieselbe Höhle benutzen. Dann liegen mehrere Eigelege aufeinander, und die unteren erhalten beim Bebrüten keine Wärme. Sie verfaulen, und in diesem Matsch holen sich möglicherweise die oben geschlüpften Gössel Krankheiten, mit denen sie nicht fertig werden.«

»Ach so«, sagte Asmus geschlagen. Es handelte sich also doch um Naturschutz im weiteren Sinne.

»Ja. Wir lassen immer ein ebenerdiges Gelege von acht bis zehn Eiern zurück. Diese Anzahl von Kleinen schaffen die Eltern auszubrüten. Manchmal schmuggeln sich auch andere Wasservögel in die Gelege, wie Mittelsäger. Und alle Eier werden betreut. Es kann richtig putzig sein zu beobachten, was schließlich aus dem Nest in den Priel paddelt.«

»Und hier im Schutzgebiet? Greift ihr da auch ein?«

»Nein, hier natürlich nicht. Hier wird alles sich selbst überlassen. Übrigens haben wir das Schutzgebiet den Herren Avenarius, Goebel und Dr. Ahlborn zu verdanken, die im letzten Augenblick verhindert haben, dass das Kliff abgetragen wurde.«

»Keine Friesen?«

»Nein«, sagte Ose mit bitterer Miene, »keine Nordfriesen. Da müssen immer andere kommen, um unser Erbe zu schützen. Wir allein schaffen es einfach nicht. Sind wir zu dumm, oder was?«

»Vermutlich seid ihr zu arglos. Ihr ahnt anscheinend nicht, was gewiefte Kaufleute aus euren Schätzen an Geld herausholen können.«

Ose sah Asmus betroffen an. »Ja, das könnte sein. Dann lass uns jetzt zum Ende der Nössehalbinsel fahren. Dort befindet sich immer die Speerspitze derjenigen, die unser Sylt verderben wollen.«

»Die Bauarbeiter also«, bemerkte Asmus. »Die sind angeheuert und können auch nichts dafür.«

Am Munkhoog, wo das Restaurant Nösse mitten in die Einöde gebaut worden war, hatten sie das Motorrad zurückgelassen, als sie zum Kliff hinuntergewandert waren. Eine Flagge knatterte leise am Fahnenmast des Gasthauses, und der Wind säuselte in den Gräsern der Heide. Sonst waren keine Geräusche zu hören, auch keine Vögel.

Ganz anders an der Baustelle des Damms. Der Lärm dort war ohrenbetäubend. Das Quietschen von Stahl auf Stahl, wahrscheinlich von der heftig dampfenden kleinen Arbeitslok, mischte sich mit dem Wiehern von Zugpferden, dem Gebrüll der Vorarbeiter und dem dumpfen Wummern von Rammen auf Holzpfählen.