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»Aber ihr wollt den Dammbau gar nicht verhindern.«

»Wir können es nicht. Wir sind einzelne Leute ohne jede Macht – ausgenommen ein wenig den Herrn Avenarius – und treten an gegen den geballten Willen des preußischen Staates und der Interessenten. Außer den Kaufleuten und Hoteliers der Insel sind da noch die Geldgeber aus ganz Deutschland, die wir nicht einmal kennen. Wir wissen aber, dass Musikhallen, Bäder und Kurhäuser in Planung sind, die viel Geld bringen werden. Mit Landschulheimen für die Kinderverschickung ködern sie die Orte, die keinen so guten Strand haben. Und so weiter.«

»Und diese ganzen Bauvorhaben werden viel einfacher und preiswerter zu bewerkstelligen sein, wenn der Wattenmeer-Damm erst einmal fertig ist«, verstand Asmus.

»Ja, eben.«

»Ich habe schon von den Befürchtungen der Fischer und Bauern gehört«, sagte Asmus bedrückt.

»Recht haben sie. Bei den Fischern steht sogar ihr ganzes Gewerbe auf dem Spiel. Dagegen scheinen unsere Ängste als Naturschützer verschwindend gering zu sein. Wir fürchten, dass über den Damm Raubtiere einwandern, die wir hier bisher nicht haben: Füchse, Dachse, Marder … Für sie werden die Bodenbrüter unter den Vögeln das reinste Schlaraffenland darstellen. Insgesamt wird unser schönes Sylt ganz schnell eine andere Insel werden. Es wird ein Leben vor dem Dammbau gegeben haben und eins nach dem Dammbau geben.«

»Alles in allem erwächst in mir starker Zweifel, ob der Damm für Sylt wirklich gut ist«, stellte Asmus fest.

»Ja. Aber damit gehörst du zu einer Minderheit. Viele wollen sich Sylt zur Beute machen, und der Rest interessiert sich nicht für die Entwicklung, die man so leicht erkennen kann. Lass uns jetzt zurückgehen, bevor mich wieder die Wut packt.«

Asmus sah Ose lächelnd an. Mit vor Zorn geröteten Wangen sah sie besonders hübsch aus.

Nachdem sie sich für den nächsten Tag verabredet hatten, knatterte Asmus auf seinem Motorrad nach Munkmarsch zurück. Seltsam, dieses Tuscheln mit einem Einheimischen, sobald einer seiner Vorgesetzten ihn, Asmus, in unerwarteter Umgebung oder Begleitung zu Gesicht bekam. In diesem Fall war es wahrscheinlich Sinkwitz, der missbilligte, dass Asmus zu den Naturschützern gefunden hatte. Aber was hatte dieser Jörn Frees damit zu tun?

Gerade als Asmus sein Motorrad im Schuppen von Bahnsen abgestellt hatte, begegnete ihm der Werftbesitzer selbst, mit einer Miene, die mit jedem Tag sorgenvoller zu werden schien.

Nun, so ging es ihm selbst. »Moin, moin, Hans Christian«, meinte Asmus nachdenklich, »als ich dich neulich bat, Mart nach einem Fremden im Hafengebiet zu fragen, hast du die Frage so weitergegeben?«

»Genau so.«

»Mir ist inzwischen eingefallen, dass der Attentäter natürlich hier im Hafen gar nicht fremd oder unbekannt sein muss.«

Bahnsen nickte.

»Außerdem habe ich allmählich erkannt, wie viele Gruppen mit unterschiedlichen Interessen auf Sylt gegeneinander arbeiten.«

»Da hast du recht. Aber für Einigkeit ist es zu spät, den Dammbau stoppen wir nicht mehr.«

Darauf einzugehen erübrigte sich. »Ist dir ein Jörn Frees bekannt?«

»Sicher doch. Ist öfter hier. Er wohnt in Keitum. Manchmal wandert er am Ufer längs, um hier ein Schwätzchen mit irgendwem zu halten. Meistens ist Mart dazu aufgelegt. Gelegentlich arbeitet er. Ich will ihm nichts Böses nachsagen, aber er gilt als nicht sehr hell im Kopf und unzuverlässig.«

»Hat er für dich auch schon einmal gearbeitet?«

»Ja, aber sehr selten. Dann muss hier schon Not am Mann sein. Beim Aufpallen von Booten ist er ganz nützlich, weil er Bärenkräfte hat.«

Es war offensichtlich dumm von ihm gewesen, den Werftattentäter unter Fremden zu suchen. Bei so vielen unterschiedlichen Interessensgemeinschaften auf der Insel in Zeiten allgemein steigender Not, aber mit der Aussicht auf einen Damm, der die finanziellen Nöte vieler mit einem Schlag beseitigen konnte, schien es logisch, dass die Tat im weitesten Sinne etwas mit dem Bau zu tun hatte und der Täter von der Insel stammte.

Am nächsten Morgen fuhren Asmus und Ose zu den Dünen bei List. Als Erstes zeigte er ihr den Schuppen, in dem der Schnaps eingelagert gewesen war. Aber über den Schmuggel von List aus wusste Ose nichts, sie konnte nur teilnahmsvoll nicken. Asmus erzählte ihr von der befremdlichen Reaktion der Dorfbewohner, als ein Mann vorbeiradelte.

Er grinste ihnen freundlich zu und winkte, dann war er schon fort und um die Ecke.

»Dann bist du an dem Morgen wohl nur einigen besonders schlecht gelaunten Leuten begegnet«, meinte Ose.

»Nein, es waren alle«, beharrte Asmus. »Ein allgemeines Verhalten, wie verabredet.«

»Ungewöhnlich. Allerdings ist die Schupo bei den meisten Leuten nicht sonderlich gut gelitten, mit Ausnahme von Lorns Matthiesen natürlich. Aber der kann nicht anders, als seine Vorgesetzten ihm vorgeben.«

»Nun, ja«, meinte Asmus zögernd. Er war anderer Ansicht. »Der Radler eben hat natürlich dich gemeint. Vielleicht verspricht er sich etwas vom Schutz der Dünen, hofft auf Leute, die mal gucken kommen, eben weil sie als etwas Besonderes ausgewiesen sind. Denen kann er ja Saft verkaufen.«

»Unsinn, Asmus! Das weißt du selbst. Aber ich krieg das raus.«

Asmus schmunzelte. Ose war eine unerschrockene junge Frau, die tatkräftig ihr jeweils nächstes Ziel ins Auge fasste.

Das Ziel kam schon in Sicht. »Bleib hier stehen«, raunte Ose Asmus zu. »Da kommt eine meiner Basen um drei Ecken.«

Ose lief hin und umarmte ihre Verwandte herzlich. Obwohl diese das Wort Naturschutz nie in den Mund genommen hätte, trug sie ihr Herz auf dem rechten Fleck. »Moin, Swaantje. Geht’s dir gut?«

»Moin, meine Kleine. Doch, so gut es eben möglich ist in diesen Zeiten. Meine Hühner legen wenigstens ordentlich.«

»Federvieh ist vernünftiger als manche Menschen.« Ose grinste. »Warum habt ihr Lister den Herrn Asmus denn so abweisend behandelt?«

»Hat er sich beklagt? Du weißt selbst, wie es ist. Wie der Herr, so’s Gescherr, sagen sie woanders, hab ich mal gehört, und da haben sie recht. Seitdem der Stinkwitz die Wache leitet, machen die Polizisten uns eigentlich nur Verdruss. Außer Lorns. Als der Asmus die Schmuggelware beschlagnahmt hat, konnte niemand sich das erklären. Aber wir dachten immer noch, dass er trotzdem die Befehle seines Vorgesetzten befolgt und dass wir neue Ärgernisse zu erwarten haben.«

»Und jetzt?«

»Jetzt wissen wir, dass er sie eben nicht befolgt. Er scheint ein ganz ordentlicher Mensch zu sein. Wir hoffen sogar, dass er aufklärt, warum am Westerländer Strand ein Däne zu Tode gekommen ist. Außerdem ist er sich nicht zu schade, Platt zu sprechen. Er ist das Gegenteil von Stinkwitz.«

»Das will ich meinen«, bestätigte Ose lachend und rannte zu Asmus zurück.

Asmus sah Ose neugierig entgegen.

»Alles geklärt«, behauptete sie forsch. »Wir können fahren.«

»Was denn überhaupt?«

»Warum die Leute garstig zu dir waren. Wegen deines Chefs. Sie dachten, du bist wie er. Aber allein, dass du Platt mit ihnen sprichst, unterscheidet dich grundlegend von Stinkwitz.«

»Sinkwitz«, verbesserte Asmus, der glaubte, dass es sich um ein Versehen handelte. »Und wieso kann er kein Platt? Er ist doch hier geboren.«

»Schon seine eingewanderten Großeltern sollen sich geweigert haben, Platt zu lernen. Und die Eltern dünken sich für die Sprache des Volkes zu gut. In Westerland findest du viele von dieser hochnäsigen Sorte, Ladenbesitzer, Hoteliers …«

»Er ist also unbeliebt.«

»Und wie! Jung übrigens auch. Er ist einer von den ganz Angepassten. Den hat Stinkwitz selber eingestellt. Da war es nur logisch, dass du von der gleichen Sorte sein musstest.«