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»Mein Vater ist dort Arzt. Schröder konnte keinen Patienten angeben, den er besuchte. Der, den er dem Pförtner nannte, war eine Woche zuvor entlassen worden. Darauf rief der Mann meinen Vater.«

»Sehr aufmerksam. Schröder nimmt also vor allem Witterung über die Stimmung in verschiedenen Gesellschaftsschichten auf?«

»Ich glaube, so könnte man es beschreiben.«

»Ist er auch gewalttätig?«

»Das glaube ich nicht, schon von seiner Statur her nicht. Er arbeitet mit dem Kopf.«

Ganz überzeugt war Asmus nicht. »Ein merkwürdiger Kerl. Das sieht nach langfristiger Planung aus.«

»Ja. Aber was planen sie?«

»Hoffentlich keinen Aufstand oder Ähnliches. Die Meldungen, dass die Kommunisten für Unruhe sorgen, kommen mittlerweile aus allen Ecken Deutschlands.«

»Ich habe es gelesen.«

»Übrigens war bei der Versammlung gestern auch ein Parteimitglied der NSDAP anwesend. Trotz Verbot.«

»Ja, wir Sylter sind anders als die übrigen Deutschen.«

Diese Behauptung, die er schon gehört hatte und in der auch Stolz durchklang, brachte Asmus zum Schmunzeln. Seine gute Laune verschwand auch nicht, als er auf der Heimfahrt feststellte, dass der Starkwind dabei war, zum Sturm aufzufrischen und der Regen keineswegs nachgelassen hatte.

In der Nacht gab es für Asmus keinen Grund mehr zum Schmunzeln. Der Sturm riss und ruckte an seinen Festmachern. Er lag mittlerweile längsseits an einer älteren Pier und hatte am Abend zur Sicherheit noch zwei Springs ausgebracht. Trotzdem schälte er sich aus seinem Schlafsack und öffnete das Luk im Bug einen Spalt, um hinauszusehen.

Es war Vollmond, aber schnell ziehende Wolkenbänder verdunkelten ihn alle paar Sekunden, und Asmus brauchte einige Zeit, um seine Augen auf die wechselnden Lichtverhältnisse einzustellen.

Das Fenderbrett hatte sich verschoben, einer der Fender rutschte nutzlos am Waschbord hin und her. Asmus hievte sich an Deck, tappte an die Reling und korrigierte den Sitz von Brett und Fender.

Als er sich aufrichtete, sah er im wandernden Mondlicht für einen kurzen Augenblick den Rücken eines Menschen, der hinter der Ecke eines Schuppens von Bahnsen verschwand. Eines breitschultrigen Mannes, korrigierte er sich selbst, es handelte sich um einen Mann.

Was hatte der gewollt? Eine weitere Schurkentat begehen?

Asmus blieb stehen und lauschte. Aber über den vielfältigen Geräuschen, die der Sturm machte, konnte er nichts hören, etwa ein Motorrad. Während er von oben noch nach seiner stets in Griffweite befindlichen Kleidung einschließlich der Gummistiefel angelte und sich hastig anzog, überlegte er, wer der nächtliche Besucher sein konnte.

Er tippte auf einen von außerhalb. Bahnsen wäre auf einem Kontrollgang bei ihm längsgekommen. Auch Jon hätte keinen Grund gehabt, sich zu verstecken.

Dann sprang er an Land, umrundete jedes Gebäude und jedes Boot der Werft sowie das Fährhaus. Aber der Besucher war spurlos verschwunden. Anzeichen für einen Schurkenstreich wie etwa einen Brandanschlag konnte er nicht finden.

Schließlich fröstelte ihn trotz der langen Winterunterhose. Er stapfte zurück zum Boot und kroch wieder in den Schlafsack, der mittlerweile ausgekühlt war.

KAPITEL 9

Über den Böen, die durch seine Takelage heulten, hörte er das Klappern eiliger Holzschuhe, die näher kamen. Vermutlich Mart.

Kurz darauf das erwartete scharfe Klopfen auf den Bug. So klangen Befehle oder Maßregelung. »Asmus! Du sollst so schnell wie möglich nach Westerland in deine Dienststelle kommen.«

Asmus stellte das Luk hoch, um hinauszusehen, und kniff vor dem Wind die Augen zusammen.

»Befehl von Sinkwitz persönlich. Hat gerade angerufen«, setzte Mart schnaufend fort.

»Was ist passiert?«

»Hat er nicht gesagt. Aber er hörte sich sehr komisch an.«

»Ich liebe komische Situationen. Ich mache mich sofort fertig.« Obwohl er eigentlich frei hatte.

»Das Fahren wird kein Spaß heute«, setzte Mart fort und grinste gehässig.

»Nein. Danke, Mart.«

Ein wenig enttäuscht, weil Asmus sich nicht reizen ließ, machte sich Mart wieder auf den Rückweg zum Gasthof.

Als Asmus sich endlich zu seiner Dienststelle durchgeschlagen hatte, wurde er bereits von seinem ungeduldigen Kollegen Matthiesen erwartet. »Komm mit«, sagte der knapp. »Wir haben Probleme.«

Es war nicht weit. In der schmalen Durchgangsstraße neben dem Polizeirevier standen Sinkwitz, Jep und zwei Sanitäter. Ein Motorrad lag quer zur Fahrbahn, daneben ein Ast von Armstärke, augenscheinlich abgebrochen aus dem einzigen Baum, der nach dem Bau eines Nachbarhauses hier noch stehengeblieben war. Von einer Wolldecke abgedeckt der Fahrer.

»Wir müssen …, Herr Sinkwitz«, erinnerte der Sanitäter, dass es nun Zeit wurde.

»Schon gut. Wachtmeister Asmus ist ja jetzt angekommen.« Dann wandte Sinkwitz sich an Asmus. »Sehen Sie sich den Verunglückten mal an.«

Nebenher registrierte Asmus, dass sein Chef bleich wie ein Leintuch war. Ohne Umschweife schlug er die Decke über dem Toten zurück. Dieser trug eine Motorradhaube und Brille, trotzdem erkannte er ihn sofort. »Ferdinand Schröder.« Dessen Kleidung troff von Wasser.

»Ich wollte nur, dass Sie selbst ihn sehen«, sagte Sinkwitz.

»Aha«, meinte Asmus lakonisch, um nochmals zu bestätigen, dass es sich um den Flensburger handelte.

»Ja, das ist bekannt.«

Dass Sinkwitz auf diese Bestätigung gar keinen Wert legte, verwunderte Asmus. Weshalb war er dann gerufen worden?

»Sie können ihn jetzt wegbringen.« Dieser Befehl galt dem Sanitäter.

Der nickte und rief dann mit einer verstohlenen Kopfbewegung Asmus zu sich heran. Dann öffnete er die leichte, zum Wetter nicht passende Jacke am Hals des Verunglückten. »Sehen Sie das Hämatom?«, raunte er. Asmus nickte, sehr wohl registrierend, dass der Sanitäter von Sinkwitz abgewandt sprach. »Der Ast muss im Sturm gegen die Kehle des Mannes gedonnert sein. Dann ist er auf dem Pflaster ausgerutscht und hat sich den Hals gebrochen.«

So war es vorstellbar. Asmus nickte und erschrak, als das Motorrad ihm ins Auge fiel. »Ist es etwa das Motorrad der Wache?«

Sinkwitz nickte mit düsterer Miene. »Genau.«

Die Räder des Fahrzeugs waren derart demoliert, dass es nach einem Totalschaden aussah.

»Gestohlen«, vermutete Matthiesen und versuchte mit nasser Kreide die Umrisse des Fahrzeugs auf das Pflaster zu malen, nachdem er vorher schon die des Toten festgehalten hatte, so gut es ging.

Sinkwitz bat Asmus in seinen Arbeitsraum, und Asmus wunderte sich. Jep Thamsen hatte Dienst, Matthiesen durfte Feierabend machen, weil er Nachtdienst gehabt hatte.

»Das Motorrad können wir abschreiben«, grummelte Sinkwitz mit einem verärgerten Seufzer.

»Der Schaden ist bemerkenswert groß«, stimmte Asmus zu und meinte damit eigentlich, dass er unverhältnismäßig hoch war angesichts dessen, was augenscheinlich passiert war. »Als ob jemand nach dem Unfall draufgeschlagen hätte.«

Der Hauptwachtmeister schwieg.

»Wie ist Schröder überhaupt an das Motorrad gekommen?«

Sinkwitz verzog die Lippen. »Er hat den Schlüssel zum Schloss gestohlen. Er hängt ja hier am Haken.«

»Er war also hier in Ihrem Raum?«

»Muss er wohl.«

»Waren Sie denn auch da?«

»Jetzt reicht’s aber, Herr Wachtmeister! Sie haben wohl vergessen, wer Sie sind!«

Asmus war der Versuchung erlegen, ein Verhör zu führen. Im Journal des Wachhabenden waren auch die Besucher aufgeführt, deshalb wäre es von Sinkwitz sinnlos gewesen, Schröders Anwesenheit zu bestreiten. Stattdessen hatte er den Chef herausgekehrt. »Was wollen Sie denn von mir?«, fragte Asmus.

»Sie behaupten doch immer, das Ermitteln sei Ihre Stärke. Stellen Sie fest, was passiert ist. Warum das Motorrad eines Unfallopfers hinterher demoliert wurde. Ich möchte wissen, ob die Mitglieder der kommunistischen Partei auf Sylt in besonderer Gefahr schweben.«