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Am frühen Abend kam Ose. Asmus hatte nicht das Herz, ihr Vorhaltungen zu machen, dass sie schon wieder auf diesem suspekten Uferweg unterwegs gewesen war. Auf sein missbilligendes Kopfschütteln hin warf sie abwehrend die Hände in die Höhe.

»Ich war nicht allein, Asmus! Jörn Frees hatte die gleiche Richtung wie ich. Er wollte zu Mart. Da konnte mir wirklich nichts passieren.«

»Ah so. Na, dann ist es ja gut«, sagte Asmus, obwohl sein mulmiges Gefühl blieb.

»Ich habe mich nach dem Bekannten von Cord umgehört«, erklärte Ose niedergeschlagen.

»Dann komm erst einmal an Bord und setz dich. Ich habe gerade Tee gekocht. Mit Zitronenmelisse aus Frau Bahnsens Garten.«

»Ja, schön.«

Ose nahm im Cockpit Platz, erhielt ihren Becher mit Tee und drehte ihn eine Weile in den Händen, während Asmus an seinem eigenen nippte und wartete.

»Es war ein Schlag ins Wasser. Ich habe mehrere Familienhotels abgeklappert, schließlich wurde ich im Hotel Dünenhalle fündig.« Ose grunzte erbost.

»Trink erst einmal«, mahnte Asmus.

Ose tat es. »So ein blöder Kerl«, schimpfte sie dann. »Hat mich richtig auflaufen lassen.«

»Wer?«

»Gerrit. Der Concierge. Ich fragte, ob er der Portier sei oder nur zufällig am Tresen stehe. ›Du darfst mich als Concierge unseres Hauses ansprechen, Ose‹«, zitierte sie geziert.

»Ihr kennt euch.«

»Unglücklicherweise sind wir zusammen in die Mittelschule gegangen, er ist einige Jahre älter als ich und immer noch so pickelig wie früher. Schon damals konnte ich ihn nicht leiden, jetzt noch weniger.«

»Warum?«, fragte Asmus geduldig.

»Als ich den Bekannten von Cord beschrieb, wusste Gerrit gleich, um wen es ging. Erst sah er sich um, stellte fest, dass sich in der Hotelhalle gerade keine Gäste befanden, dann streckte er die gespreizten Hände in die Höhe, trippelte wie auf hohen Hacken hinter dem Tresen hervor und schleuderte mir im Sopran entgegen: ›Ich weiß, wen du meinst, liebe Ose, natürlich unseren bayerischen Zitteraal.‹«

»Oh je.«

»Ja. Dann sprang er wieder hinter den Tresen, griff sich ein Journal oder so etwas und erkundigte sich in geschäftigem Ton: ›Und was willst du von der Schwuchtel?‹«

Ose hätte an dieser Stelle die Befragung abbrechen sollen, dachte Asmus mitleidig, der an ihrem Gesicht ablas, dass es danach erst richtig schlimm geworden war.

»Ich hatte mir keinen Ersatzplan für den Fall ausgedacht, dass der Bayer etwas anderes ist als ein gewöhnlicher Urlauber und dies obendrein im Hotel noch bekannt ist«, fuhr Ose mühsam fort, »deshalb erklärte ich Gerrit, dass der Bayer eine bestimmte Pflanze gesucht hätte und ich sie ihm jetzt zeigen könnte … Na ja.« Sie zuckte mit den Schultern.

»Und dann?«

»Gerrit brach in ein Gelächter aus, das durch die ganze Halle ging, bevor er sich wieder einfing. ›Der doch nicht!‹, quiekte er heraus, ›der hat sich nur für Mode und Männer interessiert. Ich glaube nicht, dass der jemals aus Westerland hinausgekommen ist.‹«

»Und damit war deine Suche am Ende.«

»Ja. Adressen gäben sie nie heraus, das seien sie ihren Gästen schuldig, erklärte Gerrit und fragte mich anschließend, ob ich die Schwingtür ohne Hilfe aufbekäme.«

»Ein ziemlich schnoddriger Concierge.«

»Ja. Aber bitte schreite du nicht jetzt meinetwegen ein.«

Asmus schüttelte den Kopf. »Leider geht das sowieso nicht. Ich bin nicht autorisiert, nach Cord und seinem Bekannten zu suchen. Um Namen illegaler Bauherren herauszufinden, wäre der Weg durch ein paar Ämter wohl schneller. Abgesehen davon, dass Sinkwitz es mir rundheraus abschlagen würde. Es ist sowieso wichtiger, den Mörder oder Totschläger Boy Böhrnsen zu suchen, als nach Namen von Männern, mit denen es sich Sinkwitz nicht verderben möchte. Übrigens soll ich den Fuhrunternehmer gefunden haben, bevor der Abgeordnete Bauer Sylt besuchen kommt. Welche Illusion!«

»Sinkwitz pflegt sich nach allen Richtungen abzusichern, das weiß man. Auf diese Weise hält er sich auch als Kommunist unter konservativen Kaufleuten.«

»Ich habe mich auch schon gewundert. Anscheinend versteht er es, geschickt die Bedürfnisse entgegengesetzter Gruppierungen zu bedienen.«

»Offensichtlich. Etwas ganz anderes, Asmus. Mir ist noch eingefallen, dass ich einmal von Böhrnsens Verwandtschaft auf der Hallig Langeneß sprechen hörte. Vielleicht hat er sich ja dort verkrochen. Und jetzt muss ich nach Haus.« Ose stand so unvermittelt auf, dass die Franziska schwankte. »Vielleicht begleitet mich ja wieder Jörn.«

»Kommt nicht in Frage, das werde ich tun!«

Ose wagte keinen Widerspruch.

Asmus verfolgte noch ein weiteres Ziel, außer dass er Ose sicher zu Hause wissen wollte. Im Cockpit der Franziska hatte er sich so hingesetzt, dass er den Hafen überblicken konnte und eben auch das Fährgebäude. Jörn Frees war herausgekommen, als sie ihre Becher noch nicht halb leergetrunken hatten, und hatte sich augenscheinlich auf den Heimweg gemacht.

Selbst wenn dieser Jörn in Bahnsens Augen als dumm galt, konnte es gut sein, dass er etwas von den Vorgängen am Ufer bemerkt hatte. Asmus würde sich gerne einmal mit ihm unterhalten. An diesem Abend war daran natürlich nicht zu denken.

Stattdessen legte er sich selber auf die Lauer. Er suchte sich mit Umsicht eine Stelle, von der aus er das Ufer beobachten konnte, er selbst aber unsichtbar blieb. Am besten geeignet waren Priele im Klentertal, die häufig nicht tiefer waren als ein darin liegender Mann. Zwar waren sie trotz der viele Regentage nicht mit Wasser gefüllt, aber der Schlick war nass. Asmus’ Kleidung war nach kurzer Zeit durchweicht.

Die Ellenbogen auf dem Gras am Prielrand abgestützt, suchte er mit dem Fernglas das Ufer ab. Der Sandstreifen lag leer vor dem Watt, in dem Austernfischer und aus welchem Grund auch immer nicht abgeflogene Ringelgänse nach Futter suchten. Gelegentlich erreichte ein Schnattern der zufriedenen Gänse Asmus’ Ohren, der Wind strich hörbar durch die Gräser, aber darüber hinaus gab es keine fremden Geräusche. Jäger waren am Ufer noch nicht unterwegs, da die jagdbaren Vögel, die das Watt ab Oktober bevölkern würden, sich noch nicht sammelten.

Asmus hielt geduldig aus, bis es stockdunkel geworden war, jetzt im August doch schon beträchtlich früher als im Juni und Juli. Etwas unzufrieden wanderte er zu seinem Boot zurück. Er konnte sich weiterhin keinen Reim auf die geheimnisvollen Vorgänge an diesem Ufer machen.

Am nächsten Morgen erwachte Asmus von ungewohntem Klappern und undefinierbaren Geräuschen im Hafen. Er fuhr in die Höhe. Verschlafen!

Als er aus dem Luk seines Bootes schaute, sah er, wie Jörn Frees aus einer Jolle heraus zwei schwere Blecheimer auf den Fähranleger hochwuchtete.

Aha. Offensichtlich hatte er Miesmuscheln gesammelt, wahrscheinlich für einen Auftraggeber auf dem Festland, und die Eimer würden mit der Morgenfähre weiterreisen.

Asmus fuhr in Uniformhose, Hemd und Jacke hinein und schlenderte zum Fährhaus hinüber, in das Jörn verschwunden war. Dort begann er, die Fahrpläne zu studieren.

Es dauerte nicht lange, bis Jörn wieder herauskam. Das monotone Pfeifen, das er auf den Lippen hatte, versiegte, als Asmus auf ihn zutrat.

»Moin, moin, ich wollte gerne einmal mit dir sprechen, Jörn.« Asmus lächelte freundlich, während er den jungen Mann betrachtete. Den entstellte ganz gewaltig eine Hasenscharte, die von der Oberlippe bis zur Nase reichte und auf der linken Wangenseite auslief. Das linke Auge schielte, und es war nicht zu erkennen, wohin es gerichtet war.

»Hä«, hackte Jörn heraus.

»Du weißt bestimmt, wer ich bin – der Schupo, der auf seinem Boot wohnt.«

Jörn nickte eifrig, während seine Augen Verständnis signalisierten.

»Ich glaube auch, dass du öfter als jeder andere zwischen Keitum und Munkmarsch am Ufer entlang wanderst. Hast du jemals etwas Ungewöhnliches bemerkt?«