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Böhrnsen sah auf und erkannte Asmus, genau wie die Blockade der Außentür. »Meinen Gewinn zahlst du trotzdem«, blaffte er einem der Spieler zu. Er erhob sich in aller Ruhe und streckte Asmus die Hände entgegen.

»Sie sind im Namen des preußischen Staates verhaftet«, verkündete Asmus und schloss die Handschellen um Böhrnsens Handgelenke.

Der Fuhrunternehmer nahm seine Verhaftung mit Ruhe auf. Er vermittelte Asmus dreist den Eindruck, dass er glaubte, bald wieder frei zu sein.

Für die Nacht wurde Böhrnsen in einem Schuppen des Kneipenwirts eingeschlossen, vor dem Asmus Wache schob. Bahnsen hingegen kehrte auf die Franziska zurück.

Am frühen Morgen erschien Asmus mit dem vor Schlafmangel taumelnden Böhrnsen am Ilef. Der Frühstückstisch im Cockpit war bereits für drei gedeckt. Nachdem der Fuhrunternehmer mit einer Fußfessel an der achterlichen Ankerkette angeschlossen worden war, durfte auch er an der Back Platz nehmen und beim Essen mithalten.

Böhrnsen war mürrisch und blieb es auch unterwegs. Erbost war er offensichtlich vor allem, weil Bahnsen der Polizei geholfen hatte.

Der Werftbesitzer ließ sich dadurch nicht stören. Aber er war unruhig, was auch Asmus merkte. Er witterte immer wieder in die Luft.

»Der Wind hat auf Südwest gedreht. Für unseren Kurs ist das ja in Ordnung. Siehst du darin mehr?«, fragte Asmus.

Bahnsen blähte wieder die Nasenflügel und nickte. »Ich glaube, es kommt schlechtes Wetter auf. Sturm. Der erste Herbststurm vielleicht.«

»Aber wir werden Munkmarsch vorher erreichen«, meinte Asmus beschwichtigend, mit einem Blick auf Böhrnsen, der blass geworden war und kein Wort sprach. Die Wellen trugen bereits Schaumkronen, aber sie schoben die Franziska vor sich her. Das Kosterboot konnte fünf Beaufort wie jetzt sehr gut ab, aber auch sieben und acht Windstärken würde es abreiten können. Stören würden dabei vor allem Passagiere, denen schlecht wurde, die man an Deck mit Leinen sichern und denen man Trost zusprechen musste.

Aber Böhrnsen hielt sich einigermaßen, obwohl der Wind weiter auffrischte. Mit gerefftem Großsegel liefen sie abends bei Starkwind in Munkmarsch ein. Den vom Spucken geschwächten Fuhrunternehmer mussten sie an Land hieven. Asmus war dankbar, als der Delinquent endlich hinter Schloss und Riegel saß, versehen mit ausreichend Wasser für die Nacht und einem Eimer für seine Bedürfnisse. Essen lehnte er ab.

Der Schuppen, in dem Böhrnsen einsaß, war stabil gebaut und besonders gesichert, weil teures Frachtgut und Postsäcke, die nicht sofort befördert werden konnten, hier gelagert wurden. Asmus versiegelte die Tür obendrein mit einer Polizeibanderole, dann informierte er mit Bahnsen als Zeugen Mart und Jon über den Gefangenen. Gustav, den Postmeister, gab es in dieser Außenstelle nicht mehr, er war schon vor einiger Zeit nach Westerland zurückbeordert worden.

»Das sollte reichen«, erklärte Bahnsen und erhielt dafür Asmus’ uneingeschränkte Zustimmung. »Jetzt gehen wir essen. Engeline hat sicher schon aufgetischt.«

Der Werftbesitzer kannte seine Frau. In der Tür schlug ihnen der Duft von Bratkartoffeln mit Scholle und Speck entgegen. Ungeheuer zufrieden mit sich sprachen sie dem Essen und dem zur Belohnung gewährten Bier zu.

Am nächsten Morgen wiederholte sich Asmus’ Albtraum: Der Gefangene war fort.

Dieses Mal ohne Gewalt. Das Schloss war mit einem Schüssel auf- und wieder zugeschlossen worden, und die Polizeibanderole hing sauber aufgerollt an einem Nagel hinter der Tür.

Asmus ließ sich am Telefon mit seiner Dienststelle verbinden, in der zum Glück Matthiesen Dienst hatte, dem er ungeschminkt erklären konnte, was passiert war. Leider war Matthiesen allein in der Wache und außerstande, nach Munkmarsch zu kommen.

Asmus musste Zug und Fähre ohne Hilfe bewachen, vor allem natürlich die Passagiere, die zum Festland fuhren.

Ankommende Gäste gab es deutlich weniger als in den noch kühlen Frühlingstagen, dafür umso mehr abreisende. Trotzdem wurde Asmus immer wieder von Neuankömmlingen angesprochen, die unter ihren krampfhaft festgehaltenen Strohhüten den unter Dampf stehenden Zug nach Westerland nicht erkennen konnten und empört wegen des Sturmes Auskunft begehrten, wobei ihnen jeder Uniformierte recht war.

Im Stillen verfluchte Asmus diese Leute, die ihn bei der Arbeit störten. Sorgfältig wäre gewesen, jeden Abreisenden auf Aussehen und mögliche Verkleidung zu prüfen.

Er war sich im Klaren darüber, dass die nicht genehmigte Fahrt nach Langeneß und der Verlust des Gefangenen das Ende seiner Tätigkeit auf Sylt bedeuten konnten.

KAPITEL 16

Niemand wusste, mit wem Sinkwitz telefonierte, seitdem er sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte. Asmus lief nervös zwischen Außentür und Wache hin und her, während er auf das Ende des Telefonates wartete, das offenbar sein Urteil sein sollte.

»Wird schon nicht so schlimm werden«, murmelte Matthiesen, während Jung nur hämisch grinste. Als Matthiesen und Asmus am Morgen noch allein gewesen waren, hatte sein junger Kollege die Meinung vertreten, dass Sinkwitz wesentliche Erfolge erst seit Asmus’ Zugehörigkeit zur Wache Westerland melden konnte. Er würde sich hüten, Asmus zu entlassen.

Endlich wurde das Gespräch beendet. Asmus, dessen gesamte Sinne dorthin gerichtet waren, hörte das Klicken beim Auflegen des Hörers auf die Gabel.

Sinkwitz kam mit düsterer Miene in den Wachraum gestiefelt. »Wir haben lange überlegt, ob Sie fristlos zu entlassen seien, Herr Asmus. Gründe gäbe es genug. Dann haben wir uns aber doch entschieden, Sie zu behalten. Aus der Verantwortung für Böhrnsen entbinde ich Sie jedoch nicht. Sehen Sie zu, dass Sie ihn wieder einfangen, zumal er im Augenblick wohl noch auf Sylt sein muss.«

Matthiesen hatte recht behalten. »Soll ich die Eintragung ins Journal über meinen Verbleib selber machen?«, bot Asmus an. »Dann müsste ich aber den Namen Ihres Gesprächspartners erfahren.«

»Sie spinnen wohl!«, blaffte Sinkwitz, schnurrte auf den Hacken herum und rauschte zurück.

Matthiesen bog sich vor Lachen, bis ihm Jung ins Auge fiel, der ihn missbilligend beobachtete.

Die Gefahr war erstmal überstanden. Asmus eilte in die Buchhandlung in der Friedrichstraße, wo er schnell fündig wurde, und stieg kurze Zeit später in die Südbahn nach Hörnum.

Der Sturm hatte inzwischen nachgelassen. Der Wind kam nun aus Nord, wie an der Rückseite eines Tiefdruckgebietes üblich. In der kommenden Nacht war zwischen den schnell ziehenden Wolken klare Sicht zu erwarten.

Line kam wie vermutet ein wenig hinter den Klassenkameraden hertrödelnd, die Asmus nicht beachteten, weil er im Gras saß und seinen Tschako abgenommen hatte. Als sie Asmus erkannte, stürzte sie auf ihn zu und schwenkte seine Hand wie einen Pumpenschwengel, bevor sie sich neben ihm niederließ.

»Suchst du wieder jemanden? Den, der mit Knud zusammen fortsegelte?«

»Ja, tatsächlich«, gab Asmus zu. »Aber vor allem wollte ich dir ein Buch bringen. ›Der Strandwanderer‹ aus der preußisch biologischen Anstalt auf Helgoland.«

»Oh.« Line blätterte überwältigt und ganz vorsichtig das Buch durch, das auf jeder dritten Seite eine buntgedruckte Tafel mit Strandpflanzen und Meerestieren enthielt. »Und das willst du mir leihen? Hast du keine Angst, es zu verlieren? Du kennst mich doch nicht!«

»Wovor sollte ich Angst haben? Das Buch gehört dir.«

Die Tränen schossen Line in die Augen.

Asmus ergriff behutsam ihren Oberarm. »Line, ich gebe dir einen kleinen Brief an deinen Vater mit. Darin steht, dass ich dir das Buch geschenkt habe, weil ich als Polizist auf die Sylter Natur aufpasse und mich freue, wenn auch Kinder sie mit wachen Augen sehen. Er wird dann nichts dagegen haben.«