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„Wenn er richtig gehärtet ist, eigentlich nichts“, antwortete der stellvertretende Chefingenieur. „Man kann ihn mit Diamanten ein wenig anbohren, aber dazu brauchte man eine Tonne Bohrköpfe und tausend Stunden Zeit. Dann schon eher mit Säuren. Aber mit anorganischen. Sie müßten bei einer Temperatur von wenigstens zweitausend Grad und bei entsprechenden Katalysatoren einwirken.“

„Und was hat Ihrer Meinung nach den Panzer des ›Kondors‹ zerfressen?“

„Keine Ahnung. Wenn er in einem Säurebad gelegen hätte, und zwar bei der geeigneten Temperatur, dann sähe er nicht anders aus. Aber wie das hier geschehen ist, ohne Lichtbogen-Plasmabrenner und Katalysatoren, kann ich mir nicht vorstellen.“

„Da haben Sie Ihre Fliegen, Kollege Ballmin“, sagte Lauda und setzte sich.

„Ich glaube, es hat keinen Sinn, weiterzudiskutieren“, bemerkte der Astrogator, der bis dahin geschwiegen hatte.

„Vielleicht war es noch zu früh dafür. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Untersuchungen fortzuführen. Wir teilen uns in drei Gruppen. Eine befaßt sich mit den Ruinen, eine mit dem ›Kondor‹, und eine macht ein paar Abstecher ins Innere der Westwüste. Das ist das Maximum unserer Möglichkeiten, denn ich kann nicht mehr als vierzehn Energoboter aus dem Permimeter nehmen, selbst wenn einige Maschinen des ›Kondors‹ in Betrieb genommen werden. Wir haben nach wie vor dritte Alarmstufe.“

Der Erste

Schwelende, schlüpfrige Schwärze umfing ihn. Er drohte zu ersticken. Verzweifelt rang er mit den immateriellen Schlingen, die ihn fesselten, wollte sie von sich abschütteln, aber er versank nur immer tiefer. Der Schrei blieb ihm in der geschwollenen Kehle stecken. Vergebens suchte er nach einer Waffe. Er war nackt. Ein letztes Mal spannte er alle Kräfte an, um zu schreien. Ohrenbetäubender Lärm riß ihn aus dem Schlaf. Rohan sprang benommen aus seiner Koje.

Er wußte nur so viel, daß er von Dunkelheit umgeben war und daß unablässig das Alarmsignal klingelte. Das war kein Traum mehr. Er schaltete Licht an, schlüpfte in den Skaphander und rannte hinaus. In allen Stockwerken drängten sich die Leute vor dem Fahrstuhl. Nur das anhaltende Läuten der Signale war zu hören. Von den Wänden leuchtete in roter Schrift das Wort Alarm. Er lief in die Steuerzentrale. Der Astrogator stand in normaler Tageskleidung vor dem großen Bildschirm. „Ich habe den Alarm schon abgeblasen“, sagte er ruhig. „Es ist nur Regen, Rohan, schauen Sie mal. Ein schöner Anblick.“

Wirklich sprühten auf dem Bildschirm, auf dem die obere Hälfte des nächtlichen Himmels zu sehen war, unzählige Funken von Entladungen. Die Regentropfen, die aus großer Höhe herabfielen, prallten auf die unsichtbare Schutzhülle des Kraftfeldes, die den „Unbesiegbaren“ wie eine riesige Schüssel bedeckte, verwandelten sich augenblicklich in mikroskopisch kleine, feurige Explosionen und tauchten die ganze Landschaft in flimmerndes Licht, ähnlich einem hundertfach verstärkten Nordlicht.

„Die Automaten hätten besser programmiert werden müssen“, sagte Rohan mit schwacher Stimme. Er war nun hellwach, der Schlaf war ihm vergangen. „Ich muß Terner sagen, daß er die Annihilation nicht einschalten soll. Sonst jagt uns jede Handvoll Sand, die der Wind anweht, mitten in der Nacht hoch.“

„Nehmen wir an, es war ein Probealarm, eine Art Manöver“, entgegnete der Astrogator, der unverhofft guter Laune zu sein schien. „Jetzt ist es vier Uhr. Sie können wieder in Ihre Kabine gehen, Rohan.“

„Ich habe, ehrlich gesagt, keine Lust dazu. Und Sie?“

„Ich habe ausgeschlafen. Mir genügen vier Stunden.

Nach sechzehn Jahren Weltraum ist von dem alten Schlafrhythmus, wie er auf der Erde war, nichts übriggeblieben.

Rohan, ich mache mir Gedanken über die maximale Sicherheit der Forschungsgruppen. Es ist ziemlich umständlich, überall Energoboter mitzuschleppen und ein Schutzfeld zu entfalten. Was meinen Sie?“

„Man könnte den Leuten eigene Emitoren mitgeben.

Aber damit ist es auch nicht getan. Wenn man von einer Schutzblase umgeben ist, kann man nichts anfassen… Sie wissen, wie das ist. Und wenn man den Radius des Kraftfeldes zu sehr verkürzt, dann kann man sich eine Verbrennung zuziehen. Ich habe das schon erlebt.“

„Ich habe sogar daran gedacht, keinen an Land zu lassen und mit Hilfe von ferngesteuerten Robotern zu arbeiten“, gestand der Astrogator. „Allerdings ginge das nur für ein paar Stunden oder für einen Tag. Aber ich glaube, wir werden länger hierbleiben.“

„Was gedenken Sie also zu tun?“

„Jede Forschungsgruppe erhält eine Ausgangsbasis, die durch ein Kraftfeld geschützt ist. Aber die einzelnen Mitglieder müssen über eine gewisse Bewegungsfreiheit verfügen, sonst kommen wir vor lauter Schutzmaßnahmen nicht zu einem Ergebnis. Unter einer Bedingung: Jeder hat bei Arbeiten außerhalb des Kraftfeldes einen abgeschützten Mann hinter sich, der ihn ständig beobachtet. Keinen aus den Augen verlieren — das ist oberster Grundsatz auf Regis iu.“

„Welcher Gruppe teilen Sie mich zu?“

„Möchten Sie beim ›Kondor‹ arbeiten? Wie ich sehe, nicht. Gut. Bleiben die Stadt oder die Wüste. Sie dürfen wählen.“

„Ich wähle die Stadt, Astrogator. Ich glaube noch immer, daß das Geheimnis dort verborgen ist.“

„Möglich. Sie nehmen also morgen — nein, es ist ja schon heute, draußen dämmert es bereits — Ihre Gruppe von gestern.

Ich gebe Ihnen einige Arctane mit. Ein paar Handlaser wären auch nicht verkehrt. Ich habe nämlich den Eindruck, daß es aus geringer Entfernung wirkt.“

„Was eigentlich?“

„Wenn ich das wüßte… Ach so, eine Küche nehmen Sie auch mit, damit Sie völlig unabhängig sind und notfalls ohne Proviantzufuhr vom Raumschiff arbeiten können.“

Die rote, kaum wärmende Sonne war über das Firmament gerollt. Die Schatten der grotesken Bauten wurden länger und verschmolzen miteinander. Der Wind wehte die Wanderdünen zwischen den Metallpyramiden von einer Stelle zur anderen. Vom Dach eines schweren Geländefahrzeugs aus beobachtete Rohan durch das Fernrohr Gralew und Chen, die sich außerhalb des Schutzfeldes am Fuße einer schwärzlichen „Honigwabe“ zu schaffen machten.

Der Riemen, an dem sein Handlichtwerfer hing, schnitt in den Nacken ein. Ohne die beiden Männer aus den Augen zu lassen, schob er ihn so weit wie möglich nach hinten. Der Plasmabrenner in Chens Hand funkelte wie ein winziger, aber sprühender Brillant. Aus dem Wageninnern drang das Rufzeichen zu ihm, das sich in gleichmäßigen Abständen wiederholte, aber er wandte nicht ein einziges Mal den Kopf. Er hörte den Fahrer antworten.

„Navigator! Befehl des Kommandanten! Wir sollen sofort zurück!“ schrie Jarg aufgeregt und steckte den Kopf durch das Turmluk.

„Zurück? Warum?“

„Das weiß ich auch nicht. Sie senden dauernd das Rückkehrsignal und schon viermal EV.“

„EV? Oje, ich bin ganz steif! Dann müssen wir uns aber beeilen. Geben Sie mir das Mikrofon und holen Sie die Blinkfeuer heraus.“

Zehn Minuten später waren alle Leute aus der Außenzone bereits in den Fahrzeugen. Rohan trieb seine kleine Kolonne zu der höchsten Geschwindigkeit an, die in dem hügeligen Gelände möglich war. Blank, der jetzt bei ihm als Funker arbeitete, reichte ihm plötzlich die Kopfhörer.

Rohan stieg in den stählernen Leib des Fahrzeugs, wo es nach heißem Plast roch, und hörte beim Surren des Ventilators, dessen Luftzug ihm die Haare durcheinanderwehte, die Funksprüche mit, die zwischen Gallaghers Gruppe in der Westwüste und dem „Unbesiegbaren“ gewechselt wurden.

Ein Gewitter schien heraufzuziehen. Schon seit dem Morgen hatten die Barometer niedrigen Luftdruck angezeigt, aber erst jetzt krochen flache, dunkelblaue Wolken über den Horizont hoch. Oben war der Himmel klar. An atmosphärischen Störungen mangelte es wahrlich nicht — es knisterte dermaßen in den Kopfhörern, daß nur Morseverbindung möglich war. Rohan fing eine Gruppe verschlüsselter Signale auf. Er hatte sich zu spät eingeschaltet und wußte nicht, worum es ging. Er verstand lediglich, daß auch Gallaghers Gruppe mit Höchstgeschwindigkeit zurückkehrte, daß an Bord des Raumschiffes Alarmbereitschaft befohlen war und alle Ärzte an ihre Plätze beordert worden waren.