Morgens zogen die Arbeitsgruppen aus, jede in ihre Richtung, die Energoboter verschwanden, wie plumpe Kähne schaukelnd, zwischen den Dünen; die Staubwolke legte sich, und die beim „Unbesiegbaren“ zurückbleibenden Männer rätselten, was es wohl zu essen geben werde, unterhielten sich über das, was der Bootsmann, der Radarbeobachter zu seinem Kollegen von den Nachrichtentechnikern gesagt hatte, oder versuchten, sich an den Namen des Kurspiloten zu erinnern, der sechs Jahre zuvor bei einem Unfall auf dem Navigationssatelliten Terra 5 ein Bein verloren hatte. So schwatzend, vertrieben sie sich die Zeit, saßen auf leeren Kanistern unter der Rakete, deren Schatten wie der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr kreiste und zugleich immer länger wurde, bis er an den Ring der Energoboter stieß. Da erhoben sie sich und hielten Ausschau nach den anderen.
Diese kehrten erschöpft und hungrig zurück, und mit einemmal erlosch die Spannkraft, die die Arbeit in den Metalltrümmern der „Stadt“ ihnen verliehen hatte, ja selbst die „Kondorgruppe“ brachte schon nach einer Woche keine sensationellen Neuigkeiten mehr mit, die darin bestanden hatten, daß sie eine der geborgenen Leichen hatte identifizieren können. Und die Funde, die in den ersten Tagen noch Wahrzeichen des Grauens gewesen waren, wurden sorgsam verpackt — wie sollte man die gewissenhafte Einlagerung aller unversehrten menschlichen Überreste in hermetisch verschlossenen Behältern, die ins tiefste Innere des Raumschiffes wanderten, sonst bezeichnen? — und verschwanden.
Da bemächtigte sich der Männer, die noch immer den Sand rings um das Heck des „Kondors“ absuchten und die Innenräume durchstöberten, an Stelle der Erleichterung, die man vielleicht hätte erwarten können, eine solche Langeweile, daß sie sich, als hätten sie vergessen, was der ehemaligen Besatzung zugestoßen war, auf das Sammeln von allerlei lächerlichem Kram verlegten, der seine nicht mehr feststellbaren Eigentümer überlebt hatte. So brachten sie keine Dokumente, die das Geheimnis hätten lüften können, aber nicht zu finden waren, sondern eine alte Mundharmonika oder ein chinesisches Geschicklichkeitsspiel mit, und diese Gegenstände kamen, des schaurigen Dunkels ihrer Herkunft bereits entledigt, in Umlauf und wurden gemeinsames Eigentum der Besatzung.
Rohan hätte es niemals für möglich gehalten, doch er benahm sich bereits nach einer Woche ebenso wie die anderen.
Und nur manchmal, wenn er allein war, fragte er sich, wozu er eigentlich hier sei, und dann spürte er, daß ihre ganze Arbeit, die emsige Geschäftigkeit, der komplizierte Ablauf der Forschungsarbeiten, Durchleuchtungen, Probeentnahmen, Gesteinsbohrungen, erschwert durch die dritte Alarmstufe, durch das öffnen und Schließen der Kraftfelder, durch die Laserwaffen mit ihren genau berechneten Feuerbereichen, durch die dauernde optische Kontrolle, die ständigen Berechnungen und die Mehrkanalverbindung — daß all das ein einziger, großer Selbstbetrug war, daß sie im Grunde nur auf ein neues Ereignis, ein neues Unglück warteten und lediglich taten, als wäre es nicht so.
Anfangs drängten sich die Leute morgens vor dem Lazarett des „Unbesiegbaren“, um Neues über Kertelen zu erfahren.
Er schien ihnen nicht so sehr das Opfer eines geheimnisvollen Überfalls, als vielmehr ein menschenunähnliches Wesen, ein Ungeheuer, das sich von ihnen allen unterschied, gerade als glaubten sie an phantastische Märchen und wären überzeugt, unbekannte, feindliche Mächte des Planeten hätten einen Menschen, einen von ihnen, in ein Monstrum zu verwandeln vermocht. In Wirklichkeit war er jedoch nur ein Krüppel. Im übrigen stellte sich heraus, daß sein Verstand, unbenutzt wie der eines Neugeborenen und ebenso leer, die Kenntnisse, die ihm die Ärzte vermittelten, aufnahm, und allmählich lernte er sprechen, genau wie ein kleines Kind. Aus dem Lazarett drang nun nicht mehr jenes jeglichem menschlichen Laut unähnliche Winseln, dieses sinnlose Säuglingsgreinen, das so furchtbar gewesen war, weil die Kehle eines erwachsenen Mannes es ausgestoßen hatte. Eine Woche später formte Kertelen die ersten Silben und erkannte bereits die Ärzte, obwohl er ihre Namen nicht aussprechen konnte.
Mit Beginn der zweiten Woche ließ das Interesse an ihm merklich nach, vor allem, als die Ärzte erklärten, er werde über die Umstände des Unfalls nichts sagen können, selbst dann nicht, wenn er in den Normalzustand zurückkehren oder vielmehr seine sonderbare, aber notwendige Geisteserziehung erfolgreich beenden sollte.
Die Arbeiten wurden indes fortgeführt. „Stadtpläne“ und Details über die Konstruktion der „Strauchpyramiden“ häuften sich, obwohl ihre Bestimmung nach wie vor dunkel blieb. Da der Astrogator der Ansicht war, weitere Untersuchungen des „Kondors“ brächten nichts ein, wurden sie abgebrochen. Das Raumschiff selbst mußte aufgegeben werden, weil die Reparatur der Außenhaut die Möglichkeite.“ der Ingenieure überstieg, zumal da viel dringlichere Arbeiten zu erledigen waren. So schafften sie nur eine große Anzahl Energoboter, Transporter, Geländefahrzeuge und Apparaturen zum „Unbesiegbaren“, das Wrack hingegen, das das Schiff nach einer so gründlichen Räumung geworden war, machten sie dicht und trösteten sich damit, daß sie selbst oder eine der nächsten Expeditionen den Kreuzer auf jeden Fall in seinen Mutterhafen zurückbringen würden.
Darauf setzte Horpach die „Kondorgruppe“ im Norden ein. Unter dem Kommando Regnars schloß sie sich Gallaghers Gruppe an. Rohan selbst war jetzt Hauptkoordinator aller Forschungsarbeiten und verließ die nähere Umgebung des „Unbesiegbaren“ jeweils nur kurze Zeit, und auch das nicht jeden Tag.
In einem von unterirdischen Quellen unterspülten Schluchtensystem machten die beiden Gruppen eigenartige 'Funde. Die Tonablagerungen waren schichtweise von einer rötlich-schwarzen Substanz durchzogen, die weder geologischen noch planetaren Ursprungs war. Die Spezialisten konnten nicht viel dazu sagen. Es sah aus, als hätten sich an der Oberfläche der alten Basaltplatte, der Bodenschicht der Rinde, Jahrmillionen zuvor eine Unmenge Metallteilchen, möglicherweise einfach metallähnliche Splitter, abgelagert — die Hypothese tauchte auf, in der Atmosphäre der Regis sei ein riesiger Eisen-Nickel-Meteor explodiert und habe sich mit Feuerkatarakten in das uralte Gestein eingeschmolzen, die einer allmählichen Oxydation unterlegen, chemische Verbindungen eingegangen waren und sich schließlich in die schwarzbraunen, stellenweise purpurroten Ablagerungen verwandelt hatten.
Diese Schürfarbeiten waren bisher lediglich in einen Teil der Gesteinsschichten vorgedrungen, deren komplizierte geologische Struktur sogar einen erfahrenen Planetologen verwirren konnte. Als man Schächte bis hinunter auf den mehr als eine Milliarde Jahre alten Basaltgrund getrieben hatte, stellte sich heraus, daß das darüberliegende Gestein trotz der weit fortgeschrittenen Rekristallisation Kohle organischen Ursprungs enthielt. Anfangs glaubten die Wissenschaftler, das sei einstmals der Meeresboden gewesen. Doch dann entdeckten sie in den echten Steinkohleschichten Abdrücke zahlreicher Pflanzenarten, die nur auf dem Festland existiert haben konnten. Allmählich gewannen sie einen genaueren Überblick über die damals lebenden Kontinentalformen des Planeten. Nun war bekannt, daß dreihundert Millionen Jahre zuvor primitive Reptilien seine Urwälder bewohnt hatten. Triumphierend brachten sie die Reste der Wirbelsäule und der Hornkiefer eines solchen Tieres mit.
Die Besatzung war weniger begeistert. Die Evolution an Land hatte sich, wie es schien, zweimal vollzogen. Der erste Untergang der lebenden Welt fiel in eine ungefähr hundert Millionen Jahre zurückliegende Epoche. Damals war es zu einem Massensterben von Pflanzen und Tieren gekommen, dessen Ursache wahrscheinlich eine nahe Nova-Explosion gewesen war. Das Leben war nach diesem Niedergang jedoch wiedererstanden und in neuen Formen erblüht. Allerdings ließen weder Anzahl noch Zustand der geborgenen Überreste eine genauere Klassifizierung zu. Der Planet hatte niemals säugetierähnliche Formen hervorgebracht.