Nach weiteren neunzig Millionen Jahren hatte abermals, doch diesmal weit von ihm entfernt, eine Sterneruption stattgefunden. Ihre Spuren waren in Gestalt von Isotopen festzustellen. Den berechneten Näherungswerten nach war die Intensität der harten Strahlung an der Oberfläche nicht stark genug gewesen, so gewaltige Verluste hervorzurufen.
Um so weniger war zu begreifen, daß von da an Pflanzenund Tierreste in den jüngeren Gesteinsschichten immer seltener wurden. Dafür fanden sie jenen gepreßten „Ton“, Antimonsulfide, Molybdän- und Eisenoxyde, Nickel-, Kobalt- und Titansalze in immer größeren Mengen.
Die sechs bis acht Millionen Jahre alten und verhältnismäßig flach liegenden, metallhaltigen Schichten hatten stellenweise starke Zentren, aber diese Radioaktivität war, an dem Bestehen des Planeten gemessen, recht kurzlebig. Irgend etwas schien in jener Zeit eine Reihe heftiger, aber nur örtlicher Kernreaktionen ausgelöst zu haben, deren Produkte sich in den „metallhaltigen Tonschichten“ abgelagert hatten.
Neben der Hypothese vom „radioaktiven Eisenmeteor“ wurden andere, höchst phantastische Vermutungen geäußert, die die seltsamen Zentren „radioaktiver Hitze“ mit dem Untergang des Planetensystems der Leier und der Vernichtung seiner Zivilisation in Verbindung brachten.
Man nahm daher an, daß während der Besiedlungsversuche der Regis iii atomare Auseinandersetzungen zwischen den aus dem bedrohten System entsandten Raumschiffen stattgefunden hatten. Aber das erklärte wieder nicht die Ausmaße der merkwürdigen, metallhaltigen Schichten, die man bei Probebohrungen auch in anderen, weiter entfernten Gebieten entdeckt hatte. Immerhin drängte sich mit aller Macht ein ebenso rätselhaftes wie einleuchtendes Bild auf: Das Leben auf dem Festland des Planeten war in demselben Jahrmillionen umfassenden Zeitraum ausgestorben, in dem die metallhaltigen Ablagerungen entstanden waren.
Die Radioaktivität konnte nicht die Ursache für die Vernichtung der lebenden Formen gewesen sein: Man hatte die allgemeine Strahlungsmenge in Kernexplosionsäquivalente umgerechnet. Sie betrug zwanzig bis dreißig Megatonnen; auf Hunderte von Jahrtausenden verteilt, vermochten solche Explosionen — wenn es überhaupt Atomexplosionen und nicht andere Kernreaktionen waren — die Evolution biologischer Formen natürlich nicht ernstlich zu gefährden.
Da die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen jenen Ablagerungen und den Ruinen der „Stadt“ vermuteten, bestanden sie darauf, die Forschungsarbeiten fortzuführen.
Das war mit mannigfaltigen Schwierigkeiten verbunden, denn das, Schürfen erforderte erhebliche Abraumarbeiten.
Der einzige Ausweg waren unterirdische Stollen, allerdings genossen die Leute unter Tage dann nicht mehr den Schutz der Kraftfelder. Da wurden in einer Tiefe von gut zwanzig Metern in einer mit Eisenoxyden stark angereicherten Schicht verrostete Metallteile von höchst eigenartiger Gestalt entdeckt, die aussahen wie Überbleibsel von korrodierten, verrotteten Elementen mikroskopisch kleiner Mechanismen — das gab den Ausschlag, daß trotz allem weitergearbeitet wurde.
Am neunzehnten Tag nach der Landung ballten sich über der Gegend, in der die Förderungsgruppen arbeiteten, dicke, dunkle Wolkenmassen, wie man sie auf dem Planeten bis dahin nicht gesehen hatte. Gegen Mittag ging ein Gewitter nieder, das an Stärke der elektrischen Entladungen jedes Gewitter auf der Erde übertraf. Himmel und Felsen verschmolzen im Durcheinander unablässig zuckender Blitze.
Die Bäche schwollen an, stürzten die gewundenen Felsschluchten hinunter und überfluteten die Abraumstrecken.
Die Männer mußten sie schleunigst verlassen, sie fanden mit den Automaten unter der Kuppel des großen Kraftfeldes Schutz, in das kilometerlange Blitze einschlugen. Das Gewitter zog allmählich nach Westen und bedeckte als schwarze, blitzdurchfurchte Wand den ganzen Horizont über dem Ozean. Auf dem Rückweg zum „Unbesiegbaren“ entdeckten die Schürfgruppen im Sand eine beträchtliche Menge winziger schwarzer Metalltropfen. Sie hielten sie für die berüchtigten „Fliegen“, lasen sie sorgfältig auf und nahmen sie mit ins Raumschiff, wo sie das Interesse der Wissenschaftler erregten; aber davon, daß sie Überreste von Insekten seien, konnte nicht die Rede sein. Wieder fand eine Beratung von Spezialisten statt, die mehrmals in hitzige Kontroversen überging. Zu guter Letzt beschlossen sie, eine Expedition nach Nordosten zu schicken, über das Gebiet des Schluchtlabyrinths und der Eisenoxydlagerstätten hinaus, denn an den Raupenketten der „Kondor“-Fahrzeuge waren geringe Spuren interessanter Minerale festgestellt worden, wie man sie auf dem bislang untersuchten Gelände nicht gefunden hatte.
Am anderen Tage stiegen 22 Männer in die Fahrzeuge, und als die Vorräte an Sauerstoff, Lebensmitteln und Kerntreibstoff verstaut waren, setzte sich die mit Energobotern, dem Schreitwerfer vom „Kondor“, mit Transportern und Robotern, darunter zwölf Arctanen, mit automatischen Baggern und Bohrmaschinen vorzüglich ausgerüstete Kolonne unter Regnars Kommando in Bewegung. Die Funkund Fernsehverbindung mit dieser Gruppe bestand bis zu dem Augenblick, da die gewölbte Oberfläche des Planeten die Anwendung der Ultrakurzwellen ausschloß. Da schoß der „Unbesiegbare“ eine automatische Fernsehsonde auf eine stationäre Umlaufbahn, die den Empfang ermöglichte.
Den ganzen Tag war die Kolonne unterwegs, in der Nacht umgab sie sich, sobald sie die kreisförmige Wehrstellung eingenommen hatte, mit dem Kraftfeld und setzte tags darauf ihren Weg fort. Gegen Mittag teilte Regnar Rohan mit, er wolle am Fuße fast völlig versandeter Ruinen in einem kleinen, flachen Krater haltmachen, um sie näher zu untersuchen.
Eine Stunde später verschlechterte sich der Funkempfang infolge starker statischer Störungen. Die Nachrichtentechniker wechselten auf eine andere Wellenlänge über, die besser zu empfangen war. Bald darauf, als die Donnerschläge des nach Osten, also in Fahrtrichtung der Expedition abziehenden Gewitters leiser wurden, brach der Empfang plötzlich ab. Dem Verlust der Verbindung waren einige immer stärkere Fadings vorausgegangen. Das son derbarste aber war, daß sich zugleich der Fernsehempfang verschlechterte, der doch vom Zustand der Ionosphäre unabhängig war, da er von einem Satelliten außerhalb der Atmosphäre getragen wurde. Um ein Uhr blieb die Verbindung ganz aus. Kein Techniker, ja nicht einmal die zu Hilfe gerufenen Physiker konnten sich diese Erscheinung erklären. Es war, als hätte sich irgendwo in der Wüste eine Metallwand herabgesenkt, die die 170 Kilometer entfernte Gruppe vom „Unbesiegbaren“ abschnitt.
Rohan war die ganze Zeit hindurch dem Astrogator nicht von der Seite gewichen und bemerkte dessen Unruhe.
Er selbst hielt sie anfangs für unbegründet. Er meinte, die Gewitterfront, die doch genau in Richtung der Expedition abgezogen war, habe vielleicht bestimmte Abschirmungseigenschaften.
Die Physiker jedoch bezweifelten, daß eine so dicke Schicht ionisierter Luft entstehen könnte. Als das Gewitter vorüber war und es nicht gelang, die Verbindung wiederherzustellen, entsandte Horpach, der auf seine pausenlosen Rufzeichen keine Antwort erhielt, gegen sechs Uhr zwei Aufklärungsflugzeuge vom Typ fliegender Untertassen.
Das eine flog etliche hundert Meter hoch über der Wüste, das andere stieg bis zu einer Höhe von vier Kilometern auf und diente dem ersten als Fernsehübertragungsstation. Rohan, der Astrogator, Gralew und ein Dutzend andere — unter ihnen Ballmin und Sax — standen vor dem großen Bildschirm in der Steuerzentrale und verfolgten unmittelbar, was im Gesichtsfeld des Piloten der ersten Maschine geschah. Hinter dem Schluchtlabyrinth, über dem tiefer Schatten lag, dehnte sich die Wüste mit ihren endlosen Dünenketten, jetzt von schwarzen Streifen überzogen, denn es war kurz vor Sonnenuntergang. In dieses schräge Licht getaucht, das der Landschaft ein besonderes, trauriges Aussehen verlieh, glitten unter der in geringer Höhe fliegenden Maschine dann und wann kleine, bis an den Rand mit Sand gefüllte Krater vorbei. Manche waren nur dank dem zentralen Kegel eines seit Jahrhunderten erloschenen Vulkans sichtbar. Das Gelände stieg allmählich an und wurde immer abwechslungsreicher. Unter den Sandhügeln traten hohe Felsgürtel zutage, die ein ganzes System sonderbar gezackter Gebirgsketten bildeten. Einsame Felsnadeln erinnerten an die Rümpfe zerschmetterter Raumschiffe oder an riesenhafte Gestalten. Klüfte, von kegelförmig zulaufenden Geröllhalden ausgefüllt, zerschnitten in scharfen Linien die Hänge. Schließlich verschwand der Sand vollends und machte einer Wildnis aus schroff abfallenden Felsen und Schutthalden Platz. Da und dort wanden sich tektonische Risse in der Planetenrinde, die von fern wie Flüsse wirkten.