Die Landschaft wurde mondähnlich, zugleich verschlechterte sich erstmals der Fernsehempfang; das äußerte sich in Schwankungen und in unterbrochener Bildsynchronisation.
Auch die Anweisung, die Emissionsstärke zu erhöhen, nützte auf die Dauer nichts.
Die bisher weißliche Färbung der Felsen ging in immer dunklere Schattierungen über. Die hochaufgetürmten Felsgrate, die aus dem Gesichtsfeld rückten, waren bräunlich und von metallisch giftigem Glanz. Hier und da waren samtschwarze Flecken zu bemerken, als wucherte dort auf dem nackten Gestein dichtes, aber totes Gestrüpp. Da meldete sich die Sprechanlage der ersten Maschine, die bis dahin geschwiegen hatte. Der Pilot schrie, er höre die automatischen Positionssender, mit denen das Spitzenfahrzeug der Expedition ausgerüstet war. Die in der Steuerzentrale versammelten Männer vernahmen jedoch nur die schwache und gewissermaßen schwindende Stimme, mit der er Regnars Gruppe rief. Die Sonne stand schon ganz tief. In ihrem blutroten Licht tauchte vor der Maschine eine schwarze Wand auf. Wolkenähnlich übereinandergeschichtet, reichte sie von der Felsoberfläche tausend Meter hoch.
Alles, was sich hinter ihr befand, war unsichtbar. Hätte diese knäuelförmige, teils tintenblau gefärbte, teils in violettem Rot metallisch schimmernde, schwarze Zusammenballung nicht langsam und rhythmisch auf und ab gewogt, so hätte man sie für eine ungewöhnliche Gebirgsformation halten können. Unter den horizontal auftreffenden Sonnenstrahlen öffneten sich darin Höhlen, in denen es plötzlich unbegreiflich aufblitzte, als wirbelten in wütendem Tanz Schwärme glitzernder, schwarzer Eisenkristalle durcheinander. Im ersten Moment glaubten die Männer vor dem großen Bildschirm, die Wolke schöbe sich auf die ihr entgegenfliegende Maschine zu, aber das war eine Täuschung.
Lediglich die fliegende Untertasse näherte sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit dem sonderbaren Hindernis.
„FU-4 an Bodenstation. Soll ich über die Wolke gehen?
Bitte kommen“, ertönte die gedämpfte Stimme des Piloten.
Den Bruchteil einer Sekunde später antwortete der Astrogator: „Erster Kommandant an FU-4. Vor Wolke stop!“
„FU-4 an Bodenstation. Ich stoppe“, bestätigte der Pilot sofort, und Rohan schien es, daß seine Stimme erleichtert geklungen hatte. Nur noch wenige hundert Meter trennten die Maschine von dem ungewöhnlichen Gebilde, das nach beiden Seiten zurückwich und auseinanderging, als reichte es bis an den Horizont. Jetzt füllte die Fläche des gigantischen, wie aus Kohle entstandenen, undenkbaren, weil vertikalen Meeres fast den ganzen Bildschirm aus. Die Maschine bewegte sich nicht mehr darauf zu. Doch plötzlich, ehe überhaupt jemand eines Wortes fähig war, schossen aus der schwerfällig wogenden Masse lange, auseinanderlaufende Blitze und verdunkelten das Bild, das gleich darauf in sich zusammenfiel, noch einmal aufflackerte, von den Linien schwacher Entladungen zerrissen wurde und verschwand.
„FU-4, FU-4“, rief der Funker.
„Hier FU-8“, meldete sich plötzlich der Pilot der zweiten Maschine, der bisher der ersten nur als Übertragungsstation gedient hatte.
„FU-8 an Bodenstation. Soll ich auf Bild schalten? Bitte kommen!“
„Bodenstation an FU-8. Sendet Bild!“
Der Leuchtschirm bedeckte sich mit wild durcheinanderwirbelnden, schwarzen Strömungen. Es war dasselbe Bild, aber aus vier Kilometer Höhe aufgenommen. Da war zu sehen, daß die Wolke als durchgehende, lange Bank an dem aufragenden Berggürtel ruhte, als wollte sie den Zugang dorthin verwehren. Ihre Oberfläche bewegte sich träge wie ein starrer, steifer Brei, und von der ersten Maschine, die die Substanz wenig zuvor verschlungen hatte, konnten sie nicht die Spur entdecken.
„Bodenstation an FU-8. Hören Sie FU-4? Bitte kommen.
„FU-8 an Bodenstation. Höre nichts. Gehe auf Interferenzwellen.
Achtung, FU-4, hier FU-8, bitte melden, FU-4, FU-4!“ vernahmen sie die Stimme des Piloten.
„FU-4 antwortet nicht. Gehe auf Infrarotwellen. Achtung, FU-4! Hier FU-8, bitte melden! FU-4 antwortet nicht.
Versuche die Wolke mit Radar zu sondieren.“
In der verdunkelten Steuerzentrale war nicht einmal das Atmen der Männer zu hören. Alle waren starr vor Erwartung.
Das Bild auf dem Schirm, das jetzt keiner beachtete, veränderte sich nicht. Über der schwarzen Wolke ragte der Felsenkamm auf, eine Insel in einem Tintenmeer. Hoch am Himmel erloschen goldgetränkte Federwolken. Die Sonnenscheibe berührte bereits den Horizont. In wenigen Minuten würde die Dämmerung hereinbrechen.
„FU-8 an Bodenstation“, ertönte die Stimme des Piloten, die sich in den paar Sekunden seit der letzten Meldung völlig verwandelt zu haben schien. „Radar zeigt rein metallenes Hindernis an. Bitte kommen!“
„Bodenstation an FU-8. Radarbild auf Telebild umschalten!
Bitte kommen!“
Der Bildschirm wurde dunkel, erlosch, glomm kurz auf in fahlblauem Licht, färbte sich dann grün und war von unzähligen funkensprühenden Entladungen übersät.
„Die Wolke ist aus Eisen“, sagte oder vielmehr seufzte einer hinter Rohan.
„Jazon!“ schrie der Astrogator. „Ist Jazon hier?“
„Jawohl.“ Der Kernphysiker schob sich zwischen den Männern hindurch.
„Kann ich das erhitzen?“ fragte der Astrogator ruhig und zeigte auf den Bildschirm. Alle hatten ihn verstanden.
Jazon zögerte. „FU-4 müßte gewarnt werden, damit er die Schutzhülle maximal ausdehnt.“
„Unsinn, Jazon! Ich habe keine Verbindung.“
„Bis 4000 Grad… Ohne großes Risiko.“
„Danke! Blaar, das Mikrofon! Erster Kommandant an FU-8! Laser fertigmachen! Ziel Wolke! Kleine Kraft, bis zu einem Billierg im Epizentrum! Dauerfeuer längs des Azimuts!“
„FU-8. Dauerfeuer bis zu einem Billierg“, antwortete sofort die Stimme des Piloten. Eine Sekunde lang geschah nichts. Dann blitzte etwas auf, und die zentrale, den unteren Teil des Bildschirms ausfüllende Wolke änderte ihre Farbe. Anfangs sah es aus, als wollte sie zerfließen, dann wurde sie rot und begann zu sieden. Eine Art Trichter mit glühenden Wänden entstand, in den alle angrenzenden Wolkenfetzen, wie von einem Sog angezogen, hineingerissen wurden. Diese Bewegung brach plötzlich ab. Die Wolke bildete einen riesigen Ring und gab durch diese Öffnung den Blick auf wirre Felsgruppen frei. Nur in der Luft flog noch feiner, schwarzer, ascheähnlicher Staub.
„Erster Kommandant an FU-8. Auf maximale Feuerkraft heruntergehen!“
Der Pilot wiederholte den Befehl. Die Wolke versuchte, das entstandene Loch zu stopfen, und umgab es mit einem unruhig züngelnden Wall. Doch wenn ihre vortastenden Arme von der flammenden Glut erfaßt wurden, dann zog sie sie jedesmal wieder ein. All das dauerte einige Minuten.
Die Situation wurde immer brenzliger. Der Astrogator wagte nicht, die Wolke mit voller Kraft des Strahlenwerfers zu beschießen, weil irgendwo in ihr das zweite Flugzeug war. Rohan ahnte, worauf Horpach rechnete: Er hoffte, die Maschine würde durch die freigelegte Lücke herausgelangen.