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„Achtung, Rohan. Hier Horpach. Die Buguhren vermerken ein Ansteigen der magnetischen Aktivität. Wahrscheinlich sind die Geländewagen schon unter der Wolke… Ida schicke eine Sonde los.“

Rohan hob den Blick zu dem aufklarenden Himmel. Er sah nicht den Start der Rakete, die plötzlich senkrecht wie eine Leuchtkugel aufstieg. Sie zog einen dünnen weißen Rauchstreifen hinter sich her, mit dem sie die Spitze des Schiffes einnebelte, und stob mit rasender Geschwindigkeit nordostwärts davon. Minuten verstrichen. Nun saß schon die halbe Scheibe der gedunsenen, alten Sonne rittlings auf dem Kraterwall.

„Eine kleine Wolke greift den ersten Wagen an“, sagte die Stimme in Rohans Kopf. „Der zweite kommt bisher ungehindert voran. Der erste nähert sich dem Felsentor.

Achtung! Jetzt haben wir die Kontrolle über den ersten verloren. Auch die optische — die Wolke hat ihn zugedeckt.

Der zweite nähert sich der Biegung bei der sechsten Wegverengung.

Er wird nicht angegriffen. Vorbei! Wir haben die Kontrolle über den zweiten verloren. Sie haben ihn schon umzingelt… Rohan! Achtung! Dein Wagen fährt in fünfzehn Sekunden ab. Von nun an handelst du nach eigenem Ermessen. Ich schalte den Startautomaten ein. Viel Glück.“

Horpachs Stimme entfernte sich plötzlich. An ihre Stelle trat ein mechanisches, die Sekunden zählendes Ticken.

Rohan setzte sich bequemer, stemmte sich mit den Beinen fest und schob den Arm durch die elastische Schlinge, die am Wagengeländer befestigt war. Die leichte Maschine erzitterte und fuhr federnd an.

Horpach hatte alle Männer im Schiff zurückgehalten.

Rohan war ihm dafür beinahe dankbar, denn Abschiedsszenen hätte er nicht ertragen. So sah er, an das auf— und abhüpfende Trittbrett des Wagens geschmiegt, nur die riesige Säule des „Unbesiegbaren“, die allmählich kleiner wurde.

Der blaue Lichtschein, der eine Weile über die Dünenhänge flackerte, sagte ihm, daß die Maschine gerade die Grenze des Kraftfeldes überquerte. Doch gleich darauf wuchs die Geschwindigkeit, und die rote Staubwolke, die die Ballonreifen aufwarfen, nahm ihm die Sicht. Nur undeutlich sah er darüber den grauen Himmel. Das war keine sehr glückliche Lösung — er konnte angegriffen werden, ohne zu wissen, wann. Statt also, wie vorgesehen, sitzen zu bleiben, drehte er sich um, richtete sich auf und stand dann, sich am Geländer festhaltend, auf dem Trittbrett. Nun konnte er über den flachen Rücken der unbemannten Maschine hinweg den Blick auf die ihm entgegeneilende Wüste richten. Der Wagen fuhr mit Höchstgeschwindigkeit holpernd und schlingernd, so daß Rohan sich bisweilen mit ganzer Kraft gegen die Karosserie pressen mußte. Den Motor hörte er fast gar nicht, nur der Wind pfiff ihm um die Ohren, die feinen Sandkörnchen bissen in die Augen, und beiderseits des Fahrzeugs spritzten Sandfontänen hoch und bildeten eine undurchdringliche Wand, so daß er nicht einmal bemerkte, wann er das Kraterrund verließ. Offenbar hatte sich das Fahrzeug durch eine Sandkerbe im Nordrand hinausgeschlängelt.

Plötzlich hörte Rohan ein singendes Signal, das sich näherte.

Das war der eingeschaltete Sender der Fernsehsonde.

Er konnte sie nicht am Himmel entdecken, obgleich er an— gestrengt nach ihr Ausschau hielt. Sie war wohl sehr hoch aufgestiegen, um nicht die Aufmerksamkeit der Wolke auf sich zu ziehen, zugleich aber war sie unerläßlich, sonst hätte das Schiff den Wagen nicht steuern können. An der Rückwand war eigens ein Kilometerzähler angebracht worden, um ihm die Orientierung zu erleichtern. Bisher hatte er neunzehn Kilometer zurückgelegt, jeden Augenblick würden die ersten Felsen sichtbar werden. Aber die niedrig stehende Sonnenscheibe, die er bislang zur Rechten gehabt hatte und die rötlich durch den hochgeschleuderten Sand schimmerte, schob sich nun ein wenig hinter ihn. Dann bog der Wagen links ab. Rohan suchte vergebens herauszufinden, ob der Winkel mit dem festgelegten Kurs übereinstimmte oder ob er größer war; das hätte bedeutet, daß man in der Steuerzentrale ein unvorhergesehenes Manöver der Wolke bemerkt hatte und ihn aus ihrer Reichweite entfernen wollte. Die Sonne verschwand bald darauf hinter dem ersten langgestreckten Felsrücken, dann tauchte sie wieder auf. In dem schrägen Licht bot die Landschaft einen wilden Anblick und sah anders aus, als er sie von seiner letzten Expedition her in Erinnerung hatte. Doch damals hatte er sie aus größerer Höhe, vom Turm des Transporters aus betrachtet. Der Wagen wurde plötzlich so fürchterlich hin und her geworfen, daß Rohan ein paarmal schmerzhaft mit der Brust gegen die Panzerung prallte. Jetzt mußte er alle Kräfte anspannen, damit ihn die heftigen, wütenden Stöße, die nicht einmal von den Ballonreifen wirksam abgefangen wurden, nicht von dem schmalen Trittbrett warfen.

Die Räder tanzten über die Gesteinsbrocken und schleuderten den Kies hoch in die Luft; polternd flog er den Abhang hinunter. Manchmal blieben sie stecken und drehten sich wie rasend auf der Stelle. Rohan meinte, diese höllische Fahrt müsse im Umkreis von mehreren Kilometern zu hören sein, und er überlegte ernsthaft, ob er die Maschine nicht anhalten und abspringen sollte — dicht unter der Schulter fühlte er den herausragenden Griff der bewußt außen angebrachten Bremse. Aber dann hätte er einen kilometerlangen Fußmarsch vor sich gehabt, und die ohnehin geringe Aussicht, rasch ans Ziel zu gelangen, wäre weiter geschwunden.

Mit zusammengebissenen Zähnen, die Hände krampfhaft um die Griffe gekrallt, die ihm jetzt gar nicht mehr ein so sicherer Halt zu sein schienen, sah er also nur blinzelnd über den flachen Schädel des Fahrzeugs hinweg den Hang hinauf. Das Singen der Radiosonde wurde bisweilen leiser, aber sie war zweifellos noch immer über ihm, denn der Geländewagen manövrierte geschickt und wich den übereinandergetürmten Felstrümmern auf der Schutthalde aus.

Manchmal neigte er sich zur Seite und fuhr langsamer, doch gleich darauf jagte er wieder mit voller Kraft bergan.

Der Kilometerzähler stand auf 27 — soviel hatte er bisher zurückgelegt. Auf der Geländekarte betrug der aufgezeichnete Weg 6o Kilometer, aber er mußte in Wirklichkeit schon wegen der Höhenunterschiede und der dauernden Schleifen länger sein. Hier gab es nicht die Spur Sand mehr. Schwer und bedrohlich hing die Sonne am Himmel, riesig und fast kalt. Ihre Scheibe berührte noch immer die Felszacken. Wie von Fieberschauern geschüttelt, bahnte sich die Maschine verbissen einen Weg durch das Geröll. Manchmal rutschte sie, wenn sich unter ihr knirschend das Gestein löste. Die Reifen rieben sich kraftlos an den Steinen und heulten pfeifend.

Die Steigung wurde steiler. 29 Kilometer — außer dem singenden Signal der Sonde hörte er nichts. Der „Unbesiegbare“ schwieg. Warum? In der Steilwand, die sich in schwärzlichen Linien unterhalb der Sonne undeutlich abzeichnete, vermutete Rohan den oberen Rand der Schlucht, die er hinuntersteigen sollte — aber nicht hier, sondern bedeutend weiter im Norden. 3o Kilometer. Immerhin war von der schwarzen Wolke nichts zu sehen. Sie hatte wohl schon die beiden anderen Maschinen kaltgestellt. Oder hatte sie sie einfach aufgegeben und sich damit begnügt, sie durch Blockieren der Funkverbindung vom Raumschiff abzuschneiden?

Der ganze Wagen warf sich hin und her wie ein verzweifeltes Tier. Bisweilen drang Rohan das Dröhnen des auf vollen Touren laufenden Motors bis in die Kehle.

Die Geschwindigkeit sank ständig, doch er kam wider Erwarten gut voran. Vielleicht hätte er ein Luftkissenfahrzeug nehmen sollen? Aber es wäre zu groß und zu schwer gewesen, außerdem lohnte es nicht, jetzt noch einen Gedanken daran zu verschwenden, da ohnehin nichts zu ändern war.