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Sie legte den Hörer auf und wandte sich ihrem Mann zu.

»So redest du also mit deinem Metzger«, sagte Gerald.

»Das ist weibliche List«, erwiderte Alix leichthin.

Die Aufregung brachte sie halb um. Er hatte nichts gemerkt. Selbst wenn Dick sie nicht verstanden hatte -kommen würde er jedenfalls.

Sie ging hinüber ins Wohnzimmer und schaltete das elektrische Licht ein. Gerald folgte ihr.

»Du scheinst wieder bester Laune zu sein«, sagte er und beobachtete sie gespannt.

»Ja«, entgegnete sie, »meine Kopfschmerzen sind vergangen.«

Sie setzte sich in ihren Sessel und lächelte ihrem Mann zu, als er ihr gegenüber Platz nahm. Sie war gerettet. Es war erst fünfundzwanzig Minuten nach acht. Lange vor neun würde Dick kommen.

»Der Kaffee, den du mir serviert hast, hat mir nicht geschmeckt«, beschwerte sich Gerald. »Er war bitter.«

»Ich habe eine neue Sorte ausprobiert. Ich werde ihn nicht mehr nehmen, wenn du ihn nicht magst, Liebling.«

Alix nahm sich eine Handarbeit und begann zu sticken. Gerald las ein paar Seiten in seinem Buch, dann blickte er zur Uhr und legte es weg.

»Halb neun. Zeit, um in den Keller zu gehen und mit der Arbeit anzufangen.«

Die Handarbeit fiel Alix aus den Händen.

»Oh, noch nicht. Laß uns bitte bis neun warten.«

»Nein, mein Kind. Halb neun. Diese Zeit habe ich mir vorgenommen. Um so früher kannst du zu Bett gehen.«

»Aber ich möchte lieber bis neun Uhr warten.«

»Du weißt, wenn ich eine Zeit festsetze, halte ich mich daran. Komm, Alix. Ich werde keine Minute länger warten.«

Alix blickte zu ihm auf, so sehr sie sich auch dagegen wehrte, eine Welle des Entsetzens durchflutete sie. Die Maske war gefallen. Gerald zupfte an seinen Fingern. Seine Augen leuchteten vor Aufregung. Immer wieder fuhr er mit der Zunge über seine trockenen Lippen. Jetzt machte er sich nicht mehr die Mühe, seine Erregung zu verbergen.

Alix dachte: Es ist wahr. Er kann es nicht abwarten. Er benimmt sich wie ein Wahnsinniger.

Er kam auf sie zu und berührte ihre Schulter. Sie sprang auf.

»Komm, mein Schatz. Oder ich werde dich tragen.«

Seine Stimme klang fröhlich, aber eine unmißverständliche Grausamkeit schwang im Unterton mit. Mit letzter Kraft machte sie sich frei und hielt sich kauernd an der Wand fest. Sie war machtlos. Sie konnte nicht weglaufen. Sie konnte überhaupt nichts tun. Und er kam immer näher.

»Also, Alix ...«

»Nein - nein!« Sie schrie. Kraftlos streckte sie ihre Hände aus, um ihn abzuhalten.

»Gerald, halt ein. Ich muß dir etwas sagen, etwas beichten!«

»Beichten?« fragte er neugierig.

»Ja, beichten.« Sie hatte dieses Wort aufs Geratewohl gewählt. Verzweifelt redete sie weiter und versuchte, damit seine Aufmerksamkeit zu fesseln.

»Ein ehemaliger Liebhaber, nehme ich an«, sagte er höhnisch.

»Nein«, antwortete Alix. »Etwas anderes. Man nennt es -ich glaube, man nennt es ein Verbrechen.«

Sofort merkte sie, daß sie den richtigen Ton angeschlagen hatte.

Intensiv hörte er ihr zu. Als sie das bemerkte, beruhigten sich ihre Nerven etwas. Noch hatte sie eine Chance. Sie ging durch das Zimmer und setzte sich wieder in den Sessel.

»Du solltest dich auch lieber hinsetzen«, sagte sie leise.

Sogar ihre Handarbeit hatte sie wieder aufgenommen. Aber ihre Ruhe war auch nur eine Fassade. Sie mußte eine Geschichte erfinden, die ihn fesselte, bis Hilfe kam.

»Ich erzählte dir«, begann sie, »daß ich fünfzehn Jahre lang als Stenotypistin gearbeitet habe. Das ist nicht ganz die Wahrheit. Es gab zwei Unterbrechungen. Die erste passierte, als ich zweiundzwanzig Jahre alt war. Ich begegnete einem Mann, einem älteren Herrn, der ein wenig Besitz hatte. Er verliebte sich in mich und wollte mich zur Frau. Ich sagte zu, und wir heirateten.« Sie machte eine kleine Pause. - »Ich brachte ihn dazu, eine Lebensversicherung zu meinen Gunsten abzuschließen.«

Alix sah das außerordentliche Interesse im Gesicht ihres Mannes und fuhr mit neuer Sicherheit fort.

»Während des Krieges arbeitete ich in der Arzneimittelabteilung eines Krankenhauses. Ich hatte dort die Verwaltung von Medikamenten und Giften unter mir.«

Wieder unterbrach sie sich. Jetzt hatte sie ihn gepackt. Daran bestand kein Zweifel. Mörder haben Interesse an Mordgeschichten. Sie hatte damit gerechnet und Erfolg gehabt. Verstohlen blickte sie auf die Uhr. Es war fünfundzwanzig Minuten vor neun.

»Es gibt ein Gift - so ein kleines weißes Pulver. Eine Prise davon bringt den Tod. Kennst du dich vielleicht ein wenig mit Giften aus?«

Sie bebte, als sie diese Frage stellte. Wenn er mit Giften Bescheid wußte, mußte sie auf der Hut sein.

»Nein«, antwortete Gerald. »Ich weiß sehr wenig davon.«

Ein Seufzer der Erleichterung kam über ihre Lippen.

»Du hast sicher schon einmal etwas von Hyoszamin gehört? Das Gift, von dem ich spreche, hat die gleiche Wirkung, nur ist es absolut unnachweisbar. Jeder Arzt würde den Totenschein auf Herzschlag ausstellen. Ich habe ein kleines Quantum davon gestohlen und aufbewahrt.«

Sie schwieg und ordnete ihre Gedanken.

»Weiter!« befahl Gerald.

»Nein. Ich habe Angst. Ich kann es dir nicht sagen. Ein andermal.«

»Jetzt«, rief er ungehalten. »Ich will es jetzt hören!«

»Wir waren einen Monat lang verheiratet. Ich war sehr gut zu meinem Mann. Er rühmte mich bei allen Nachbarn. Jeden Abend bereitete ich ihm seinen Kaffee. Eines Abends, als wir allein waren, streute ich eine Prise des tödlichen Alkaloids in seine Tasse.«

Wieder machte Alix eine Pause und fädelte sorgfältig einen neuen Faden in ihre Nadel. Sie, die niemals schauspielern konnte, überflügelte jetzt die größten Mimen der Welt. Sie lebte ihre Rolle als kaltblütige Giftmischerin.

»Es war sehr friedlich. Ich saß und beobachtet ihn. Nur einmal hat er ein wenig nach Luft geschnappt. Ich öffnete die Fenster. Er sagte, er könne nicht mehr vom Stuhl aufstehen. Dann starb er.«

Sie lächelte. Es war nur noch eine Viertelstunde bis neun Uhr. Gewiß würde Dick jeden Augenblick hier sein.

»Wie hoch war die Versicherungssumme?« erkundigte sich Gerald.

»Ungefähr zweitausend Pfund. Ich habe damit spekuliert und das Geld verloren. Ich ging wieder ins Büro. Aber nicht lange. Dann lernte ich einen anderen Mann kennen. Ich hatte im Geschäft meinen Mädchennamen behalten, daher wußte er nicht, daß ich schon einmal verheiratet war. Er war jung, sah gut aus und war ganz gut situiert. Wir haben in aller Stille in Sussex geheiratet. Er wollte keine Lebensversicherung abschließen. Aber er hat natürlich ein Testament zu meinen Gunsten gemacht. Er liebte es, daß ich ihm seinen Kaffee selbst zubereitete, genau wie mein erster Mann.«

Alix lächelte nachdenklich und fügte dann schlicht hinzu: »Ich kann einen sehr guten Kaffee machen.«

Dann fuhr sie fort:

»Ich hatte einige Freunde im Dorf, in dem wir lebten. Sie bemitleideten mich sehr, daß mein Mann so plötzlich einem Herzschlag erlag. Der Arzt war mir unsympathisch. Ich glaube zwar nicht, daß er mich verdächtigte, aber er war jedenfalls über den plötzlichen Tod meines Mannes sehr überrascht.

Ich weiß nicht genau, weshalb ich wieder in mein Büro zurückging. Gewohnheit, wahrscheinlich. Mein zweiter Mann hinterließ viertausend Pfund. Diesmal spekulierte ich nicht. Ich investierte es. Und dann, na, du weißt ja -«