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»Sie meinen also, daß Major Rich und Mrs. Clayton geplant hatten, die Nacht zusammen zu verbringen.«

»Daß so etwas vorkommen soll, haben Sie sicher auch schon gehört, nicht wahr?« Linda schien amüsiert.

»Und einer von den beiden schickte das Telegramm?«

»Es würde mich nicht überraschen.«

»Major Rich und Mrs. Clayton hatten also nach Ihrer Ansicht ein Verhältnis miteinander?«.

»Wollen mal sagen, ich wäre darüber nicht erstaunt. Etwas Positives weiß ich nicht.«

»Hat Mr. Clayton Verdacht geschöpft?«

»Arnold war ein ungewöhnlicher Mensch. Sehr zugeknöpft. Ich glaube, er wußte Bescheid. Aber er war so veranlagt, daß er alles in sich hineinfraß. Die meisten hielten ihn für einen trockenen, gefühllosen Mann. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß es in seinem Innern ganz anders aussah. Merkwürdgerweise hätte es mich viel weniger überrascht, wenn Arnold seinen Freund Charles erstochen hätte, anstatt umgekehrt. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß Arnold in Wirklichkeit ein irrsinnig eifersüchtiger Mann war.«

»Das ist interessant.«

»Noch wahrscheinlicher ist es eigentlich, daß er Margharita umgebracht hätte. Othello - und so weiter. Margharita übt nämlich eine ungewöhnliche Wirkung auf Männer aus.«

»Sie ist eine gutaussehende Frau«, bemerkte Poirot mit wohlüberlegter Unterschätzung.

»Es ist mehr als das. Sie hat ein gewisses Etwas. Sie pflegt die Männer aufzupeitschen, so daß sie ganz verrückt auf sie sind, und sich dann umzudrehen und sie mit einem weitäugigen Erstaunen anzublicken, das sie zum Wahnsinn treibt.«

»Sie kennen sie wohl gut?«

»Mein Lieber, sie ist eine meiner besten Freundinnen -aber ich würde ihr nicht über den Weg trauen!«

»Aha«, sagte Poirot und brachte die Unterhaltung auf Commander McLaren.

»Jock? Der alte Getreue? Ein lieber Kerl. Der geborene Familienfreund. Er und Arnold waren wirklich eng befreundet. Ich glaube, Arnold erschloß sich ihm mehr als allen anderen. Und natürlich war er Margharitas Sklave. Seit Jahren war er ihr treu ergeben.«

»Und war Mr. Clayton auf ihn eifersüchtig?«

»Eifersüchtig auf Jock? Was für eine Idee! Margharita mag Jock wirklich gern, aber sie hat nie andere Gedanken für ihn gehabt. Ich glaube, es geht den meisten Frauen bei ihm so. Ich weiß nicht, warum. Eigentlich schade. Er ist so nett.«

Poirot lenkte das Gespräch auf den Diener. Aber abgesehen von einer vagen Bemerkung, daß er einen guten Cocktail mixe, schien Linda Spence sich keine Gedanken über Burgess gemacht, ja ihn kaum bemerkt zu haben.

Aber sie begriff rasch, worauf er hinauswollte.

»Sie denken vielleicht daran, daß er Arnold ebenso leicht getötet haben könnte wie Charles. Doch das erscheint mir irrsinnig unwahrscheinlich.«

»Diese Bemerkung deprimiert mich, Madame. Aber andererseits erscheint es mir irrsinnig unwahrscheinlich -obwohl Sie mir nicht zustimmen werden - nicht, daß Major Rich Arnold Clayton getötet haben soll, sondern daß er ihn auf diese Weise umgebracht hat.«

»Mit einem Stilett, meinen Sie? Ja, das paßt entschieden nicht zu ihm. Wahrscheinlicher wäre der stumpfe Gegenstand gewesen. Womöglich hätte er ihn auch erwürgen können, nicht wahr?«

Poirot seufzte.

»Da sind wir wieder bei Othello angelangt. Ja, Othello . Sie haben mir da eine kleine Idee in den Kopf gesetzt.«

»Wirklich? Was -« In diesem Augenblick wurde die Haustür aufgeschlossen und geöffnet. »Oh, da kommt Jeremy. Wollen Sie auch mit ihm reden?«

Jeremy Spence war eine angenehme Erscheinung, etwas über dreißig Jahre alt, gut angezogen und fast auffallend diskret. Mrs. Spence erklärte, daß sie unbedingt in der Küche nach dem Rechten sehen müsse, und ließ die beiden Männer allein.

Jeremy Spence hatte nichts von der gewinnenden Offenheit seiner Frau. Es war ihm sichtlich höchst unangenehm, daß er überhaupt in diesen Fall verwickelt war, und seine sorgfältigen Äußerungen verrieten nicht viel. Ja, sie hatten die Claytons seit einiger Zeit gekannt. Rich nicht so gut. Hatte einen angenehmen Eindruck auf ihn gemacht. Soweit er sich entsinnen konnte, war ihm Rich an dem fraglichen Abend genauso wie sonst vorgekommen. Clayton und Rich schienen immer gut miteinander auszukommen. Das Ganze schien ihm völlig unbegreiflich.

Im Verlauf der Unterhaltung ließ Jeremy Spence es deutlich durchblicken, daß er es sehr begrüßen würde, wenn Poirot endlich ginge.

»Ich fürchte«, meinte Poirot, »daß Sie diese Fragen nicht schätzen.«

»Nun, wir haben eine ziemlich ausgedehnte Sitzung mit der Polizei hinter uns, und es langt mir nachgerade. Wir haben alles, was wir wissen oder gesehen haben, berichtet, und nun möchte ich die ganze Geschichte vergessen.«

»Das kann ich durchaus verstehen. Es ist höchst unangenehm, in eine solche Angelegenheit verwickelt zu sein und ausgefragt zu werden. Nicht nur nach dem, was man weiß und gesehen hat, sondern vielleicht sogar auch nach dem, was man darüber denkt.«

»Am besten, man denkt nicht darüber nach.«

»Aber läßt es sich vermeiden? Glauben Sie, zum Beispiel, daß Mrs. Clayton auch daran beteiligt war? Hatte sie mit Rich den Tod ihres Gatten geplant?« »Um Himmels willen, nein!« rief Spence schockiert. »Ich hatte keine Ahnung, daß so etwas überhaupt erwogen würde.«

»Hat Ihre Gattin nicht diese Möglichkeit angedeutet?«

»Ach, Linda! Sie kennen doch die Frauen - immer hacken sie aufeinander herum. Margharita kommt bei ihrem eigenen Geschlecht nie sehr glimpflich davon - sie ist viel zu attraktiv. Aber diese Theorie, daß Rich und Margharita einen Mord planten - nein, das ist zu phantastisch!«

»So etwas ist schon vorgekommen. Die Waffe, zum Beispiel. Es ist eine Waffe, die man eher bei einer Frau als bei einem Manne findet.«

»Soll das heißen, daß die Polizei ihr den Besitz der Waffe nachgewiesen hat? Das ist doch unmöglich! Ich meine ...«

»Ich weiß nichts«, erklärte Poirot wahrheitsgetreu und trat schleunigst den Rückzug an.

Aus der Bestürzung, die sich in Spences Zügen malte, schloß Poirot, daß er diesem Herrn gründlich zu denken gegeben hatte!

»Sie werden mir verzeihen, Monsieur Poirot, wenn ich nicht einsehe, daß Sie mir in irgendeiner Weise behilflich sein können.«

Poirot antwortete nicht, sondern blickte nachdenklich den Mann an, der des Mordes an seinem Freund, Arnold Clayton, beschuldigt wurde.

Er betrachtete das feste Kinn, den schmalen Kopf. Ein schlanker, brauner Mann, sehnig und kräftig. Geschmeidig wie ein Windhund. Ein Mann, dessen Gesicht nichts verriet und der seinen Besucher mit einem auffallenden Mangel an Herzlichkeit empfing.

»Ich verstehe durchaus, daß Mrs. Clayton Sie mit den besten Absichten zu mir geschickt hat. Aber ganz offen gestanden, war das meiner Ansicht nach ziemlich unklug von ihr. Von ihrem wie auch von meinem Standpunkt aus.«

»Inwiefern?«

Rich warf nervös einen Blick über die Schulter. Aber der anwesende Wärter stand in der vorgeschriebenen Entfernung. Rich senkte die Stimme.

»Sie müssen ein Motiv für diese lächerliche Anklage finden und werden versuchen, es so hinzustellen, als ob -eine intime Verbindung zwischen Mrs. Clayton und mir bestanden habe. Das ist, wie Ihnen Mrs. Clayton bestimmt gesagt haben wird, völlig unwahr. Wir waren gute Freunde, nichts weiter. Aber es ist doch sicherlich ratsam, daß sie keine Schritte für mich unternimmt, nicht wahr?«

Hercule Poirot ging auf diesen Punkt nicht ein. Statt dessen griff er ein Wort heraus.

»Sie sprachen von dieser >lächerlichen< Anklage. Lächerlich ist sie keineswegs, wissen Sie.«

»Ich habe Arnold Clayton nicht getötet.«

»Dann nennen Sie es eine falsche Anklage. Sagen Sie, die Anklage sei nicht wahr. Aber sie ist nicht lächerlich. Im Gegenteil, höchst plausibel. Das müssen Sie doch ganz gut wissen.«