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»Ich kann Ihnen nur versichern, daß sie mir geradezu phantastisch erscheint.«

»Diese Ansicht wird Ihnen nicht viel helfen. Wir müssen uns schon etwas Nützlicheres ausdenken.«

»Ich werde durch meine Anwälte vertreten. Wie ich höre, haben diese einen hervorragenden Verteidiger beauftragt. Ich kann daher nicht Ihren Gebrauch des Wortes >wir< akzeptieren.«

Wider Erwarten lächelte Poirot.

»Aha«, sagte er. »Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Na schön. Ich gehe. Ich wollte Sie sehen, und ich habe Sie gesehen. Auch habe ich bereits Ihre Karriere studiert. Sie haben Ihre Eignungsprüfung für Sandhurst sehr gut bestanden. Ebenso die für die Generalstabsschule. Und so weiter und so weiter. Ich habe mir heute mein eigenes Urteil über Sie gebildet. Sie sind kein dummer Mann.«

»Und was hat das mit meiner Sache zu tun?«

»Alles! Ein Mann von Ihren Fähigkeiten begeht unter keinen Umständen einen Mord in dieser Weise. Gut. Sie sind unschuldig. Nun erzählen Sie mir mal etwas von Ihrem Diener Burgess.«

»Burgess?«

»Ja. Wenn Sie Clayton nicht umgebracht haben, muß es Burgess getan haben. Eine unentrinnbare Folgerung. Aber warum? Es muß irgendein Grund vorhanden sein. Sie sind der einzige Mensch, der Burgess hinreichend kennt, um eine Vermutung anzustellen. Warum, Major Rich, warum?«

»Ich habe keine Ahnung. Kann es mir überhaupt nicht vorstellen.

Oh, ich bin denselben Gedankengängen gefolgt wie Sie. Ja, Burgess hatte Gelegenheit - als einziger außer mir. Aber ich kann es einfach nicht glauben. Burgess gehört nicht zu den Leuten, von denen man sich vorstellen kann, daß sie jemanden ermorden.«

»Wie denken Ihre Rechtsberater darüber?«

Über Richs Züge huschte ein bitterer Ausdruck.

»Meine Rechtsberater verbringen ihre Zeit damit, daß sie mich mit sanfter Überredung fragen, ob es nicht wahr sei, daß ich mein ganzes Leben lang unter vorübergehender Amnesie gelitten habe und wirklich nicht wisse, was ich in solchen Augenblicken tue!« »So schlimm steht es also«, sagte Poirot. »Na, vielleicht entdecken wir, daß es Burgess ist, der unter solchen Bewußtseinsstörungen leidet. Es ist immer eine Idee. Nun zur Waffe. Man hat sie Ihnen gezeigt und Sie gefragt, ob sie Ihnen gehört, ja?«

»Sie gehört mir nicht. Ich hatte sie nie zuvor gesehen.«

»Nein, sie gehörte Ihnen nicht. Sind Sie jedoch ganz sicher, daß Sie den Dolch nie zuvor gesehen haben?«

»Ja.« Er schien ein wenig zu zaudern. »Eigentlich ist es eine Art Ziergegenstand. Man sieht solche Dinge in Wohnungen herumliegen.«

»Vielleicht im Salon einer Dame. Vielleicht in Mrs. Claytons Salon?«

»Auf keinen Fall!«

Die Worte wurden so laut gesprochen, daß der Wärter aufblickte.

»Tres bien. Also nicht - aber deshalb brauchen Sie nicht so zu schreien. Aber irgendwo, irgendwann haben Sie tatsächlich etwas sehr Ähnliches gesehen. Nun, habe ich recht?«

»Ich glaube nicht . vielleicht . in einem Kuriositätenladen.«

»Höchstwahrscheinlich.« Poirot erhob sich. »Gestatten Sie, daß ich mich verabschiede.«

»Und jetzt«, sagte Hercule Poirot, »zu Burgess. Ja, endlich zu Burgess.«

Über die anderen in diesen Fall verwickelten Personen hatte er etwas in Erfahrung gebracht, entweder direkt oder indirekt. Doch niemand hatte ihm etwas über Burgess gesagt. Er besaß keinerlei Anhaltspunkte, keine Andeutungen, welcher Art dieser Mann war. Als er Burgess sah, wußte er auch, warum.

Der Diener, der durch einen telefonischen Anruf von Commander McLaren von Poirots Besuch unterrichtet war, erwartete ihn in Major Richs Wohnung.

»Ich bin Hercule Poirot.«

»Ja, Sir, ich habe Sie erwartet.«

Burgess hielt ehrerbietig die Tür offen, und Poirot trat ein. Burgess nahm ihm Hut und Mantel ab und führte ihn ins Wohnzimmer.

»So«, meinte Poirot, während er sich umblickte, »hier ist es also geschehen, wie?«

»Ja, Sir.«

Ein stiller Bursche, dieser Burgess, bleichgesichtig, etwas schlaksig. Unbeholfene Haltung von Schultern und Ellbogen. Eine flache Stimme mit einem provinziellen Akzent, den Poirot nicht kannte. Ein ziemlich nervöser Mann, vielleicht - sonst keine bestimmten Merkmale. Es war schwer, ihn mit einer positiven Handlung irgendwelcher Art in Verbindung zu bringen. Konnte man einen negativen Totschläger voraussetzen?

Er hatte jene hellblauen, unbeständigen Augen, die oberflächliche Beobachter oft mit Unehrlichkeit in Übereinstimmung bringen. Dabei kann ein Lügner einem oft mit kühnem, dreistem Blick ins Gesicht sehen.

»Was geschieht mit der Wohnung?« erkundigte sich Poirot.

»Ich betreue sie noch, Sir. Major Rich hat dafür gesorgt, daß mir mein Lohn weiterhin ausgezahlt wird, und er wünscht, daß ich die Wohnung in Ordnung halte, bis ... bis .«

Die Augen wanderten unbehaglich hin und her.

»Bis ...« pflichtete Poirot ihm bei. In sachlichem Ton fügte er hinzu: »Ich möchte wohl sagen, daß Major Rich fast mit Bestimmtheit dem Strafgericht überwiesen wird. Der Fall kommt wahrscheinlich innerhalb der nächsten drei Monate zur Verhandlung.«

Burgess schüttelte den Kopf, nicht ablehnend, sondern einfach verdutzt.

»Es scheint kaum möglich zu sein«, meinte er.

»Daß Major Rich ein Mörder ist?«

»Das Ganze. Die Truhe .«

Sein Blick glitt durch den Raum.

»Aha, das ist also die berühmte Truhe?«

Es war ein riesiges Möbelstück aus sehr dunklem, glänzendem Holz, mit Messing beschlagen und einem großen antiken Schloß versehen.

»Ein hübsches Stück«, meinte Poirot, während er hinüberging.

Die Truhe stand in der Nähe des Fensters an der Wand neben einem modernen Plattenschrank. Auf der anderen Seite befand sich eine halb offenstehende Tür, die zum Teil von einem großen bemalten Lederschirm verdeckt wurde.

»Diese Tür führt in Major Richs Schlafzimmer«, erklärte Burgess.

Poirot nickte, während seine Augen zur anderen Seite des Zimmers wanderten. Dort standen zwei Stereophonische Plattenspieler, jeder auf einem niedrigen Tisch, von denen Kontaktschnüre herabhingen. Bequeme Sessel und ein großer Tisch vervollständigten die Einrichtung. An den Wänden hingen japanische Holzschnitte. Es war ein schöner Raum, behaglich, aber nicht luxuriös.

Sein Blick fiel wieder auf William Burgess.

»Die Entdeckung«, sagte er freundlich, »muß ein großer Schock für Sie gewesen sein.«

»Oh, ja, Sir. Das werde ich niemals vergessen.« Der Diener wurde auf einmal beredt. Die Worte strömten von seinen Lippen. Vielleicht hatte er das Empfinden, daß er durch häufige Schilderung den Vorfall aus seiner Vorstellung tilgen könne.

»Ich war aufräumend durchs Zimmer gegangen, Sir. Gläser und so weiter. Ich hatte mich gerade gebückt, um ein paar Oliven vom Boden aufzuheben, und da sah ich es - auf dem Teppich - einen dunklen rostbraunen Fleck. Nein, der Teppich ist nicht mehr da. Er ist in der Reinigungsanstalt. Die Polizei war damit fertig. Was ist das denn mir? dachte ich und sagte halb im Scherz vor mich hin: >Es könnte beinahe Blut sein! Aber woher kommt es bloß? Was hat man vergossen?< Und dann entdeckte ich, daß es aus der Truhe gesickert war - hier an der Seite, wo ein Spalt ist. Und ich sagte, immer noch ohne mir etwas dabei zu denken: >Was mag das nur sein?< Dann hob ich den Deckel auf - so« - er machte es vor - »und da war's! Die Leiche eines Mannes, der mit angezogenen Beinen auf der Seite lag, als ob er schliefe. Und dieser ausländische Dolch stak in seinem Halse. Ich werde es nie vergessen, niemals! In meinem ganzen Leben nicht! Der Schock, wissen Sie - wo ich so etwas nicht erwartet hatte .«

Er holte tief Atem.

»Ich ließ den Deckel fallen und rannte wie besessen auf die Straße, um einen Polizisten zu holen. Glücklicherweise fand ich einen, gerade um die Ecke herum.«