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»Aber warum?« fragte Margharita mit vor Staunen geweiteten Augen. »Was sollte Arnold veranlaßt haben, sich in der Truhe zu verstecken?«

»Das fragen Sie, Madame? Ihr Gatte war ein eifersüchtiger Mann. Auch war er sehr verschlossen. >Zugeknöpft<, wie Ihre Freundin, Mrs. Spence, sich ausdrückte. Seine Eifersucht wuchs und quälte ihn. Waren Sie Richs Mätresse oder nicht? Er wußte es nicht. Aber er mußte es wissen! Also - ein >Telegramm aus Schottland< das Telegramm, das nie geschickt wurde, das niemand sah. Der Koffer für eine Nacht wird gepackt und zweckdienlich im Klub vergessen. Ihr Gatte hat wahrscheinlich ausfindig gemacht, wann Rich nicht zu Hause ist, und geht um diese Zeit in die Wohnung. Dem Diener sagt er, er möchte ein paar Zeilen schreiben. Sobald er allein ist, bohrt er die Löcher in die Truhe, rückt den Wandschirm zurecht und klettert in die Truhe. An diesem Abend will er die Wahrheit erfahren. Vielleicht bleibt seine Frau zurück, wenn die anderen Gäste aufbrechen; vielleicht geht sie und kommt später wieder zurück. An diesem Abend will der verzweifelte, von Eifersucht geplagte Mann Gewißheit haben .«

»Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß er sich selbst erstochen hat?« Millers Stimme klang ungläubig.

»Oh, nein, jemand anders hat ihn erstochen. Jemand, der wußte, daß er sich in der Truhe versteckt hielt. Es war schon ein regelrechter Mord. Ein sorgfältig geplanter, lange erwogener Mord. Denken Sie an die anderen Charaktere in Othello. An Jago hätten wir uns erinnern sollen. Ein listiges Vergiften von Arnold Claytons Gedanken durch versteckte Andeutungen und Winke. Der ehrliche Jago, der treue Freund, der Mann, dem man immer Glauben schenkt! Arnold Clayton glaubte ihm. Arnold Clayton gestattete ihm, auf seiner Eifersucht herumzureiten und sie bis ins Maßlose zu steigern. Ist Arnold Clayton wohl selbst auf die Idee gekommen, sich in der Truhe zu verstecken? Er hat es sich vielleicht eingebildet und wahrscheinlich auch geglaubt. Und so wird die Sache in Szene gesetzt. Das vor einigen Wochen unauffällig entwendete Stilett ist griffbereit. Der Abend kommt heran. Die Lichter sind gedämpft, das Grammophon spielt, zwei Paare tanzen, der überzählige Mann macht sich am Plattenschrank zu schaffen, der dicht neben der spanischen Truhe und ihrem verhüllenden Schirm steht. Hinter den Schirm schlüpfen, den Deckel heben und zustechen - verwegen, aber ganz leicht!«

»Clayton hätte aber aufgeschrien!«

»Nicht, wenn er betäubt war«, entgegnete Poirot. »Nach Aussage des Dieners lag Clayton wie im Schlafe da. Und er war auch in einen Schlaf versetzt worden, und zwar durch den Mann, der einzig und allein in der Lage gewesen war, ihn zu betäuben. Der Mann, mit dem er im Klub zusammen ein Glas getrunken hatte.«

»Jock?« ertönte Margharitas helle Stimme in kindlicher Überraschung. »Jock? Nicht der gute alte Jock. Meine Güte, ich habe Jock mein ganzes Leben lang gekannt! Warum in aller Welt sollte Jock -«

Poirot fiel ihr heftig ins Wort.

»Warum haben zwei Italiener sich duelliert? Warum hat ein junger Mann sich erschossen? Jock McLaren ist ein verschlossener Mensch. Er hatte sich vielleicht damit abgefunden, Ihnen und Ihrem Gatten ein treuer Freund zu sein. Aber dann kommt Major Rich auch noch hinzu. Das ist zuviel! Blind vor Haß und Begierde, plant er einen fast vollkommenen Mord - einen Doppelmord, denn Rich würde mit ziemlicher Sicherheit für schuldig befunden werden. Und wenn beide Nebenbuhler - Rich und Ihr Gatte - aus dem Wege sind, dann, so nimmt er an, werden Sie sich ihm zuwenden. Und das hätten Sie vielleicht auch getan Madame - wie?«

Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie ihn an. Fast unbewußt flüsterte sie: »Vielleicht ... Ich weiß es nicht ...«

Inspektor Miller ließ sich mit plötzlicher Autorität vernehmen. »Dies ist ja alles ganz schön und gut, Poirot. Aber doch nur eine Theorie, weiter nichts. Sie haben nicht den geringsten Beweis dafür. Wahrscheinlich ist kein wahres Wort an der Geschichte.«

»Sie stimmt von A bis Z.«

»Aber es ist kein Beweis vorhanden. Wir haben keine Veranlassung einzuschreiten.«

»Sie irren sich. Ich glaube, McLaren wird es zugeben, wenn Sie ihn vor die vollendete Tatsache stellen, das heißt, wenn Sie ihm deutlich zu verstehen geben, daß Margharita Clayton im Bilde ist.«

Poirot brach ab und setzte dann hinzu:

»Denn sobald er das weiß, hat er verloren ... Der vollkommene Mord ist vergebens gewesen.«

Das Geheimnis des blauen Kruges

Jack Hartingon war ärgerlich. Er hatte wieder einmal zu hoch geschlagen. Jetzt stand er neben dem Ball und blickte, die Entfernung abschätzend, zum Abschlagmal zurück. Mit einem Seufzer zog er seinen metallenen Golfschläger aus dem Futteral, aber zwei weitere fehlerhafte Schläge vernichteten lediglich ein paar Löwenzahnblüten und ein Büschel Gras.

Mit fünfundzwanzig Jahren seinen Stil im Golf zu verbessern war nicht leicht, besonders dann nicht, wenn man wie er, gezwungen war, die meiste Zeit damit zu verbringen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Fünf und einen halben Tag der Woche mußte Jack in einem düsteren Büro schmachten. Die Wochenenden aber waren einzig und allein seiner Passion gewidmet. Um jedoch auch an den Wochentagen seinem geliebten Sport frönen zu können, hatte sich Jack in einem kleinen Hotel in der Nähe des Golfplatzes von Stourton Heath eingemietet. Täglich stand er um sechs Uhr früh auf, um eine Stunde zu üben, bevor er den Zug um acht Uhr sechsundvierzig in die Stadt nehmen mußte.

Auch mit seinem Spezialschläger hatte er kein Glück. Es war zum Verzweifeln. Immer, wenn der Ball auf eine kurze Distanz geschlagen werden sollte, schoß er mindestens um das Vierfache über sein Ziel hinaus. Jack seufzte, nahm seinen Schläger fest in die Hand und gab sich selber den Befehclass="underline" »Linker Arm ganz durchgedrückt, nicht hochschauen!«

Er holte aus und hielt sofort inne, als ein schriller Schrei die Stille des Sommermorgens durchbrach. Er war wie versteinert.

»Mord!« rief es, »Hilfe, Mord!« Es war eine Frauenstimme, die schließlich in einer Art gurgelndem Seufzer erstarb.

Jack schleuderte seinen Schläger hin und rannte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Es mußte ganz in der Nähe sein. Dieser Teil des Golfplatzes war unkultiviertes Land, und es gab hier nur wenige Häuser. Eigentlich stand nur ein einziges in der Nähe, ein kleines, malerisches Landhäuschen, das Jack schon oft wegen seiner architektonischen Feinheit aufgefallen war. Es war durch einen heidekrautbewachsenen Abhang verborgen, er umging ihn, und in weniger als einer Minute stand er vor dem kleinen verschlossenen Tor.

Im Garten stand ein Mädchen, und einen Augenblick lang glaubte Jack, daß sie um Hilfe gerufen hatte. Aber dann änderte er seine Meinung.

Sie hatte einen kleinen Korb mit Unkraut in der Hand. Offenbar hatte sie ihre Arbeit, ein großes Stiefmütterchenbeet zu jäten, gerade beendet. Ihre Augen, bemerkte Jack, waren selbst wie Stiefmütterchen, samtig, weich und dunkel und mehr violett als blau. In ihrem einfachen lila Leinenkleid sah sie selbst wie ein Stiefmütterchen aus.

Das Mädchen blickte Jack mit einem Ausdruck zwischen Verärgerung und Erstaunen an.

»Verzeihung«, sagte der junge Mann, »aber haben Sie eben geschrien?«