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Draußen im Korridor blieb er eine Weile stehen. Es war eigentlich eine kleine Diele. Ihm gegenüber stand eine große alte Eichenbank mit einem langen, schmalen Tisch davor. Auf dem Tisch lagen Zeitschriften. Außerdem waren noch zwei Sessel und ein Blumentisch vorhanden. Dieses Arrangement erinnerte ihn ein wenig an das Wartezimmer eines Zahnarztes.

Unten in der Halle wartete der Butler auf ihn, um ihn zur Tür hinauszulassen. »Soll ich Ihnen ein Taxi besorgen, Sir?«

»Nein, danke. Es ist ein schöner Abend. Ich gehe zu Fuß.«

Hercule Poirot blieb einen Augenblick auf dem Bürgersteig stehen, um auf eine Verkehrspause zu warten, ehe er die belebte Straße überquerte.

»Nein«, sagte er mit tief gerunzelter Stirn vor sich hin, »ich verstehe es ganz und gar nicht. Es ist ohne Sinn und Verstand. So bedauerlich dieses Eingeständnis ist, aber ich, Hercule Poirot, bin auf dem toten Gleis angelangt.«

Dies war sozusagen der erste Akt des Dramas. Der zweite Akt folgte eine Woche später und begann mit einem telefonischen Anruf von einem Dr. med John Stillingfleet.

Mit einem bemerkenswerten Mangel an ärztlicher Etikette sagte dieser:

»Sind Sie's, Poirot, altes Haus? Hier ist Stillingfleet.«

»Ja, mein Freund. Was gibt's denn?«

»Ich spreche von Northway House - Benedict Farleys Wohnsitz.«

»Ja?« Poirots Stimme verriet plötzliches Interesse. »Wie steht's mit Mr. Farley?«

»Farley ist tot. Hat sich heute nachmittag erschossen.«

Nach einer kleinen Pause sagte Poirot: »So, ja ...«

»Ich bemerke, daß Sie nicht gerade vor Erstaunen umsinken. Wissen Sie darüber Bescheid?«

»Wie kommen Sie zu dieser Annahme?«

»Nun, wir haben einen von Farley an Sie gerichteten Brief gefunden, in dem er vor etwa einer Woche eine Zusammenkunft mit Ihnen verabredete.«

»Ach so.«

»Wir haben einen zahmen Polizeiinspektor hier - man muß ja vorsichtig sein, wenn sich einer von diesen Millionären eine Kugel durch den Kopf jagt. Und wir haben uns gefragt, ob Sie wohl etwas Licht in diese Angelegenheit bringen könnten. Wenn ja, dann kommen Sie doch bitte her.«

»Ich komme sofort.«

Eine Viertelstunde später saß Poirot in der Bibliothek, einem niedrigen, langgestreckten Raum hinten im Erdgeschoß von Northway House. Es waren noch fünf andere Personen anwesend. Inspektor Barnett, Dr. Stillingfleet, Mrs. Farley, die Witwe des Millionärs, Joanna Farley, seine einzige Tochter, und sein Privatsekretär Hugo Cornworthy.

Inspektor Barnett war ein diskreter Mann von militärischer Haltung. Dr. Stillingfleet, dessen berufliches Gebaren sich von seinem Telefonstil gründlich unterschied, war ein großer, langgesichtiger Mann von etwa dreißig Jahren. Mrs. Farley war offensichtlich sehr viel jünger als ihr Mann. Sie war eine hübsche, dunkelhaarige Frau. Aber sie hatte einen harten Mund, und ihre schwarzen Augen verrieten nichts von ihren Gefühlen. Joanna Farley hatte blondes Haar und ein sommersprossiges Gesicht. Die gebogene Nase und das vorspringende Kinn hatte sie deutlich von ihrem Vater geerbt. In ihren Augen lagen Intelligenz und Scharfsinn. Hugo Cornworthy war ein gutaussehender, sehr korrekt gekleideter junger Mann, der einen gescheiten und tüchtigen Eindruck machte.

Nach der üblichen Vorstellungs- und Begrüßungsszene schilderte Poirot schlicht und klar die Umstände seines Besuches bei Benedict Farley und wiederholte die Geschichte, die dieser ihm erzählt hatte. Er konnte sich dabei nicht über einen Mangel an Interesse bei seinen Zuhörern beklagen.

»Die seltsamste Geschichte, die ich je gehört habe!« erklärte der Inspektor. »Ein Traum, wie? Haben Sie auch etwas davon gewußt, Mrs. Farley?«

Sie beugte den Kopf.

»Mein Mann hat mit mir darüber gesprochen. Es hat ihn sehr beunruhigt. Ich - ich habe ihm gesagt, daß es sich wohl um eine Verdauungsstörung handle - seine Diät war nämlich sehr merkwürdig - und ihm vorgeschlagen, Dr. Stillingfleet zu konsultieren.«

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Er hat mich aber nicht konsultiert. Aus Monsieur Poirots Worten schließe ich, daß er Harley-Street-Spezialisten zu Rate zog.«

»Über diesen Punkt möchte ich gern Ihre Meinung hören, Dr. Stillingfleet«, sagte Poirot. »Was halten Sie von den Theorien, die diese drei Harley-Street-Spezialisten aufstellten?«

Stillingfleet runzelte die Stirn.

»Das läßt sich schwer sagen. Sie müssen berücksichtigen, daß das, was er Ihnen übermittelte, nicht genau dasselbe war, was man ihm gesagt hatte. Es war die Interpretation eines Laien.«

»Sie meinen, er habe sich falsch ausgedrückt?«

»Nicht unbedingt. Ich will nur sagen, daß die Ärzte ihm gegenüber wohl fachmännische Redensarten gebraucht haben, deren Bedeutung er ein wenig verzerrte und dann in seiner eigenen Sprache wiedergab.«

»Dann entsprach also das, was er mir sagte, nicht genau den Äußerungen der Ärzte?«

»So ungefähr. Er hatte eben alles etwas verkehrt aufgefaßt, wenn Sie mich richtig verstehen.«

Poirot nickt gedankenvoll. »Weiß man eigentlich, wen er konsultierte?« fragte er.

Mrs. Farley schüttelte den Kopf, und Joanna Farley bemerkte:

»Keiner von uns hatte die leiseste Ahnung, daß er überhaupt jemanden konsultierte.« »Hat er mit Ihnen über seinen Traum gesprochen?« erkundigte sich Poirot bei der Tochter.

Das Mädchen schüttelte verneinend den Kopf.

»Und Sie, Mr. Cornworthy?«

»Nein, zu mir hat er auch nichts gesagt. Er diktierte mir zwar einen Brief an Sie, aber ich hatte keine Idee, warum er Sie zu sprechen wünschte.«

»Und nun zu den genauen Umständen von Mr. Farleys Tod«, sagte Poirot.

Inspektor Barnett blickte Mrs. Farley und Dr. Stillingfleet fragend an und übernahm die Rolle des Sprechers.

»Mr. Farley hatte die Gewohnheit, jeden Nachmittag in seinem eigenen Zimmer im ersten Stock zu arbeiten. Wie ich höre, stand eine große Verschmelzung im Geschäftsleben bevor ...«

Er blickte fragend zu Hugo Cornworthy hinüber, der erläuternd hinzusetzte: »Vereinigte Buslinien.«

»In diesem Zusammenhang«, fuhr Inspektor Barnett fort, »hatte Mr. Farley sich bereit erklärt, zwei Pressemitgliedern ein Interview zu gewähren. Etwas, das er sehr selten tat -nur alle fünf Jahre einmal, wie ich höre. Demgemäß erschienen zwei Reporter - einer von den Associated Newsgroups und einer von den Amalgamated Press-Sheets -um ein Viertel nach drei, wie verabredet. Sie warteten im ersten Stock vor Mr. Farleys Tür - der übliche Platz für alle, die eine Verabredung mit Mr. Farley hatten. Um zwanzig nach drei erschien ein Bote vom Büro der Vereinigten Buslinien mit wichtigen Papieren. Er wurde in Mr. Farleys Zimmer geführt, wo er ihm die Dokumente aushändigte. Mr. Farley begleitete ihn zur Tür und sprach von dort mit den beiden Pressemitgliedern. Er sagte:

>Es tut mir leid, meine Herren, daß ich Sie warten lassen muß, aber ich habe eine dringende Sache zu erledigen. Ich werde mich nach Möglichkeit beeilen.<

Die beiden Herren, Mr. Adams und Mr. Stoddart, versicherten Mr. Farley, daß es ihnen nichts ausmache zu warten. Er ging dann ins Zimmer zurück, schloß die Tür -und wurde nicht wieder lebend gesehen!«

»Fahren Sie bitte fort«, bat Poirot.

»Kurz nach vier Uhr«, berichtete der Inspektor weiter, »kam Mr. Cornworthy aus seinem Zimmer, das neben Mr. Farleys Raum liegt, und sah zu seiner Überraschung, daß die beiden Reporter immer noch warteten. Er brauchte Mr. Farleys Unterschrift für einige Briefe und hielt es auch für angebracht, ihn an diese beiden Herren zu erinnern. Also ging er in Mr. Farleys Raum. Zu seinem Erstaunen konnte er Mr. Farley zunächst gar nicht sehen und nahm schon an, daß der Raum leer sei. Dann fiel sein Blick auf einen Schuh, der hinter dem Schreibtisch hervorragte - dieser steht quer vor dem Fenster. Er ging rasch hinüber und entdeckte Mr. Farley tot am Boden und neben ihm einen Revolver.