Выбрать главу

Mr. Cornworthy verließ dann eilends das Zimmer und wies den Butler an, Dr. Stillingfleet telefonisch herbeizurufen. Auf Anraten des Arztes benachrichtigte Mr. Cornworthy auch die Polizei.«

»Wurde der Schuß nicht gehört?« fragte Poirot.

»Nein. Der Verkehr ist hier sehr laut, und das Fenster auf dem Treppenabsatz war offen. Bei dem vielen Gehupe und dem Donnern der Lastwagen war es ein Ding der Unmöglichkeit.«

Poirot nickte nachdenklich. »Wann ist er vermutlich gestorben?«

Stillingfleet erwiderte:

»Ich habe die Leiche sofort nach meiner Ankunft untersucht, und das war zweiunddreißig Minuten nach vier. Mr. Farley war da seit mindestens einer Stunde tot.«

Poirots Gesicht hatte einen sehr ernsten Ausdruck.

»Dann erscheint es also durchaus möglich, daß der Tod um die Zeit, die er mir gegenüber erwähnte, eingetreten ist -nämlich um achtundzwanzig Minuten nach drei.«

»Ganz recht«, sagte Stillingfleet.

»Sind Fingerabdrücke auf dem Revolver?«

»Ja, seine eigenen.«

»Und der Revolver selbst?«

Der Inspektor schaltete sich wieder ein.

»War derjenige, den er in der zweiten Schublade an der rechten Seite seines Schreibtisches aufbewahrte, wie er Ihnen gesagt hatte. Mrs. Farley hat ihn mit Bestimmtheit identifiziert. Außerdem hat der Raum nur einen Zugang, nämlich die Tür nach der Diele. Die beiden Reporter saßen dieser Tür direkt gegenüber, und sie schwören, daß niemand das Zimmer betreten hat von dem Augenblick an, als Mr. Farley mit ihnen sprach, bis Mr. Cornworthy kurz nach vier hineinging.«

»So daß man mit Sicherheit annehmen kann, daß Mr. Farley Selbstmord begangen hat.«

Inspektor Barnett lächelte ein wenig.

»Daran wäre überhaupt nicht gezweifelt worden, wenn man nicht etwas entdeckt hätte.«

»Und was war das?«

»Der an Sie gerichtete Brief.«

Poirot lächelte ebenfalls.

»Ich verstehe! Wo Hercule Poirot beteiligt ist, da erhebt sich sofort ein Mordverdacht!«

»Ganz recht«, bestätigte der Inspektor trocken. »Nachdem Sie jedoch die Situation geklärt haben -«

»Einen kleinen Augenblick«, unterbrach ihn Poirot und wandte sich dann an Mrs. Farley. »Ist Ihr Gatte jemals hypnotisiert worden?«

»Niemals.«

»Hatte er die Frage der Hypnose studiert? Interessierte er sich für diesen Gegenstand?«

»Ich glaube nicht.« Plötzlich schien sie ihre Selbstbeherrschung zu verlieren. »Dieser gräßliche Traum! Es ist unheimlich! Daß er das Nacht für Nacht geträumt hat - und dann - es ist beinahe, als wäre er - zu Tode gehetzt!«

Poirot erinnerte sich daran, wie Benedict Farley sagte: »Ich führe das aus, was ich in Wirklichkeit zu tun wünsche. Ich mache meinem Dasein ein Ende.« Er sagte:

»Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, daß Ihr Gatte die Versuchung spürte, sich das Leben zu nehmen?«

»Nein - das heißt, manchmal war er sehr merkwürdig .«

Joanna Farleys Stimme ertönte plötzlich, klar und verächtlich.

»Vater hätte sich niemals das Leben genommen. Er war viel zu sehr auf sein Wohlergehen bedacht.«

Dr. Stillingfleet erwiderte darauf:

»Wissen Sie, Miss Farley, die Menschen, die immer mit Selbstmord drohen, begehen diese Tat gewöhnlich nicht. Daher erscheint mancher Selbstmord so unbegreiflich.«

Poirot erhob sich.

»Ist es gestattet«, fragte er, »daß ich den Raum sehe, wo die Tragödie stattfand?«

»Gewiß. Dr. Stillingfleet wird Sie vielleicht begleiten.«

Der Arzt erhob sich und ging mit Poirot nach oben.

Benedict Farleys Zimmer war bedeutend größer als das des Sekretärs nebenan. Es war luxuriös ausgestattet mit tiefen Ledersesseln, einem dicken Veloursteppich und einem prachtvollen, riesigen Schreibtisch.

Poirot trat hinter den Schreibtisch, wo gerade vor dem Fenster ein dunkler Fleck auf dem Teppich zu sehen war. In Gedanken hörte er den Millionär sagen: »Achtundzwanzig Minuten nach drei öffne ich die zweite Schublade rechts in meinem Schreibtisch, nehme den Revolver heraus, den ich dort liegen habe, lade ihn und trete ans Fenster. Und dann -und dann erschieße ich mich.«

Er nickte langsam vor sich hin und sagte:

»Stand das Fenster offen, wie jetzt?«

»Ja. Aber niemand hätte auf diese Weise eindringen können.«

Poirot blickte hinaus. Es war nichts zu sehen: keine Fensterschwelle, kein Vorsprung, keine Rohre. Nicht einmal eine Katze hätte sich einschleichen können. Gegenüber erhob sich die glatte Wand des Fabrikgebäudes - eine blinde Wand ohne Fenster.

»Seltsam«, meinte Stillingfleet, »daß ein reicher Mann sich einen Raum mit solcher Aussicht als Arbeitszimmer gewählt hatte. Es ist ja, als ob man auf eine Gefängniswand blickte.«

»Ja«, stimmte ihm Poirot zu, während er den Kopf zurückzog und auf die öde Backsteinfläche starrte. »Ich glaube, daß die Wand eine wichtige Rolle spielt.«

»Meinen Sie - vom psychologischen Standpunkt aus?«

Poirot war inzwischen an den Schreibtisch getreten. Scheinbar müßig nahm er eine sogenannte Faulenzerzange in die Hand. Er preßte die Griffe zusammen, und die Zange schoß in ihrer ganzen Länge heraus. Sorgfältig hob er damit ein abgebranntes Streichholz vom Boden, das in einiger Entfernung neben einem Sessel lag, und beförderte es geschickt in den Papierkorb.

»Eine geistreiche Erfindung«, murmelte Hercule Poirot und legte die Zange wieder säuberlich auf den Schreibtisch. Dann setzte er hinzu: »Wo waren Mrs. Farley und Miss Farley zur Zeit des - Todes?«

»Mrs. Farley ruhte in ihrem Zimmer, das im nächsten Stock liegt, und Miss Farley malte in ihrem Atelier ganz oben im Haus.«

Hercule Poirot trommelte eine Zeitlang mit den Fingern auf den Tisch. Dann sagte er:

»Ich möchte gern mit Miss Farley sprechen. Würden Sie sie vielleicht bitten, für einen Augenblick hierherzukommen?«

Stillingfleet blickte ihn neugierig an und verließ dann das Zimmer. Bald darauf öffnete sich die Tür, und Joanna Farley kam herein.

»Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Mademoiselle, wenn ich ein paar Fragen an Sie richte?«

Sie schenkte ihm einen kühlen Blick.

»Bitte, fragen Sie, was Sie wollen.«

»Haben Sie gewußt, daß Ihr Vater einen Revolver in seinem Schreibtisch aufbewahrte?«

»Nein.«

»Wo waren Sie und Ihre Mutter - oder vielmehr Ihre Stiefmutter - stimmt's?«

»Ja, Louise ist die zweite Frau meines Vaters. Sie ist nur acht Jahre älter als ich. Was wollten Sie noch sagen?«

»Wo waren Sie und Ihre Stiefmutter am Donnerstag abend in der vergangenen Woche?«

Sie überlegte eine Weile. »Donnerstag? Einen Augenblick. Ach ja, wir waren im Theater.«

»Und Ihr Vater hatte keine Lust, sich Ihnen anzu-schließen?«

»Mein Vater ging nie ins Theater.«

»Womit befaßte er sich abends gewöhnlich?«

»Er saß hier in seinem Zimmer und las.«

»Er war wohl nicht sehr gesellig, wie?«

Joanna Farley blickte ihm fest in die Augen, »Mein Vater«, erklärte sie, »hatte ein selten unangenehmes Wesen. Niemand, der in enger Gemeinschaft mit ihm lebte, konnte ihn irgendwie gern haben.«

»Das, Mademoiselle, ist ein sehr offenes Zugeständnis.«

»Ich erspare Ihnen Zeit, Monsieur Poirot. Ich weiß sehr wohl, worauf Sie hinauswollen. Meine Stiefmutter hat meinen Vater seines Geldes wegen geheiratet. Ich wohne hier, weil ich kein Geld habe, um anderswo ein Domizil aufzuschlagen. Ich kenne einen Mann, den ich heiraten möchte. Es ist ein armer Mann. Mein Vater sorgte dafür, daß er seinen Posten verlor. Er wünschte nämlich, daß ich eine gute Partie machte - was ja nicht schwer war, da ich seine Erbin sein sollte!«

»Erben Sie das Vermögen Ihres Vaters?«

»Ja. Das heißt, er hat Louise, meiner Stiefmutter, eine Viertelmillion Pfund steuerfrei hinterlassen, und es sind noch einige andere Vermächtnisse vorhanden, aber die Universalerbin bin ich.«