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»Wissen Sie, es gab da manches an jenem Abend, das ich mir nicht zu erklären vermochte. Zunächst einmaclass="underline" warum wurde so großer Wert darauf gelegt, daß ich den Brief mitbringen sollte?«

»Wegen der Identifizierung«, meinte Cornworthy.

»Nein, nein, mein lieber junger Mann. Diese Idee ist wirklich zu lächerlich. Es muß schon ein viel triftigerer Grund dahinterstecken. Denn nicht nur wünschte Mr. Farley, daß ich den Brief vorzeigen sollte, sondern ich mußte ihn sogar bei ihm zurücklassen. Und selbst dann hat er ihn noch nicht zerrissen! Er ist heute nachmittag unter seinen Papieren gefunden worden. Warum bewahrte er ihn auf?«

Joanna Farleys Stimme ließ sich vernehmen.

»Weil er wünschte, daß die näheren Umstände dieses seltsamen Traumes an die Öffentlichkeit gelangten, falls ihm etwas zustieß.«

»Sie sind scharfsinnig, Mademoiselle. Das allein kann der Grund sein, weshalb er den Brief aufbewahrt hat. Wenn Mr. Farley tot sein würde, dann sollte die Geschichte dieses seltsamen Traumes erzählt werden! Der Traum spielte eine sehr wichtige Rolle. Er war von ausschlaggebender Bedeutung!

Ich komme jetzt«, fuhr er fort, »zum zweiten Punkt. Nachdem Mr. Farley mir seine Geschichte erzählt hatte, bat ich ihn, mir den Schreibtisch und den Revolver zu zeigen. Er schien sich erheben zu wollen, um mir meine Bitte zu erfüllen, weigerte sich dann aber plötzlich. Warum hat er sich geweigert?«

Diesmal hatte keiner von ihnen eine Antwort bereit.

»Ich will die Frage einmal anders formulieren. Was war dort in dem Nebenzimmer, das mir Mr. Farley nicht zeigen wollte?«

Das Schweigen hielt an.

»Ja«, meinte Poirot, »die Frage ist etwas schwierig. Aber es war ein Grund, ein dringender Grund vorhanden, warum Mr. Farley mich im Zimmer seines Sekretärs empfing und sich glattweg weigerte, mich in seinen eigenen Raum zu führen. Es war etwas in diesem Zimmer, das er mich unter keinen Umständen sehen lassen durfte.

Und nun komme ich zu der dritten unerklärlichen Begebenheit jenes Abends. Gerade als ich mich anschickte fortzugehen, bat Mr. Farley mich, ihm den von ihm erhaltenen Brief zurückzugeben. Aus Versehen reichte ich ihm eine Mitteilung meiner Waschfrau, die er prüfend überflog und dann neben sich auf den Tisch legte. Kurz bevor ich den Raum verließ, entdeckte ich meinen Irrtum -und berichtigte ihn. Danach verließ ich das Haus und - ich gebe es unumwunden zu - war völlig ratlos. Die ganze Angelegenheit - insbesondere das letzte Vorkommnis -erschien mir völlig rätselhaft.«

Er blickte die Anwesenden der Reihe nach an.

»Haben Sie es nicht begriffen?«

Stillingfleet meinte: »Ich verstehe wirklich nicht, was Ihre Waschfrau damit zu tun hat, Poirot.«

»Meine Waschfrau«, erklärte Poirot, »spielt eine sehr wichtige Rolle. Diese miserable Frau, die dauernd meine Kragen ruiniert, erwies sich zum erstenmal in ihrem Leben nützlich. Aber sie müssen es doch auch erkennen, es starrt einem ja förmlich ins Gesicht. Mr. Farley sah sich die Mitteilung an - ein einziger Blick hätte ihm sagen müssen, daß es nicht der richtige Brief war. Und doch hat er nichts gemerkt. Warum? Weil er nicht richtig sehen konnte!«

Inspektor Barnett fragte scharf:

»Trug er keine Brille?«

Hercule Poirot lächelte.

»Doch«, sagte er. »Er hatte seine Brille auf. Das macht die Sache ja so interessant.«

Er beugte sich etwas vor.

»Mr. Farleys Traum war sehr wichtig. Sehen Sie, er träumte, daß er Selbstmord begehe. Und ein wenig später hat er tatsächlich Selbstmord begangen. Das heißt, er war allein in einem Zimmer, und der Revolver lag neben ihm. So wurde er jedenfalls aufgefunden. Und niemand hat den Raum betreten oder verlassen, als der Schuß abgegeben wurde. Was bedeutet das? Das bedeutet doch, daß es unbedingt Selbstmord sein muß!«

»Ja«, sagte Stillingfleet.

Hercule Poirot schüttelte aber den Kopf.

»Im Gegenteil«, behauptete er. »Es handelt sich um einen Mord. Einen ungewöhnlichen und sehr schlau geplanten Mord.«

Wiederum beugte er sich vor und klopfte mit dem Finger auf den Tisch, während seine Augen vor Erregung grün schimmerten.

»Warum gestattete mir Mr. Farley nicht, an jenem Abend sein Zimmer zu betreten? Was war darin, das ich um keinen Preis sehen durfte? Ich glaube, liebe Freunde, es war -Benedict Farley selber!«

Er lächelte die perplexen Gesichter an.

»Ja, ja, es ist kein Unsinn, den ich daherrede. Warum konnte Mr. Farley, mit dem ich gesprochen hatte, den Unterschied zwischen zwei völlig unähnlichen Briefen nicht erkennen? Weil er, liebe Freunde, ein Mann mit normalem Sehvermögen war, der sehr starke Gläser trug. Solche Gläser machen einen Menschen mit normaler Sehfähigkeit praktisch blind. Stimmt das nicht, Doktor?«

Stillingfleet murmelte: »Gewiß - da haben Sie recht.«

»Warum hatte ich bei der Unterredung mit ihm das Gefühl, daß ich es mit einem Scharlatan zu tun hatte, mit einem Schauspieler, der eine Rolle spielte? Betrachten wir zunächst die Szenerie - den dämmrigen Raum und die mit einem grünen Schirm bedeckte Lampe, deren grelles Licht von der Gestalt im Sessel abgewandt und dem Besucher zugekehrt ist. Was sah ich denn schon? Den berühmten Flickenschlafrock, die Hakennase - gefälscht mit der so nützlichen Substanz Paraffin - den weißen Haarschopf, die stark vergrößernden Gläser, die die Augen versteckten. Was für ein Beweis existiert, daß Mr. Farley jemals einen Traum gehabt hat? Nur die Geschichte, die mir erzählt wurde, und Mrs. Farleys Aussage. Was für einen Beweis haben wir, daß Mr. Farley einen Revolver in seinem Schreibtisch verwahrte? Wiederum nur die mir erzählte Geschichte und Mrs. Farleys Wort. Zwei Menschen führten diesen Schwindel durch - Mrs. Farley und Hugo Cornworthy. Cornworthy schrieb mir den Brief, erteilte dem Butler die erwähnten Instruktionen, ging angeblich ins Kino, kehrte aber sofort wieder zurück, schlich sich in sein Zimmer, verkleidete sich und spielte Benedict Farleys Rolle.

Und so kommen wir zu dem heutigen Nachmittag. Die günstige Gelegenheit, auf die Mr. Cornworthy gewartet hat, bietet sich endlich. In der Diele sitzen zwei Zeugen, die beschwören können, daß niemand Benedict Farleys Zimmer betreten oder verlassen hat. Cornworthy wartet, bis sich ein besonders schwerer Verkehrsstrom vorbeiwälzt. Dann lehnt er sich zum Fenster hinaus und hält mit der Faulenzerzange, die er vom Schreibtisch nebenan entwendet hat, einen Gegenstand an Farleys Fenster. Benedict Farley tritt daraufhin ans Fenster, und Cornworthy läßt die Zange zurückschnellen. Während Farley sich hinauslehnt und die Lastwagen vor dem Haus vorbeidonnern, erschießt ihn Cornworthy mit einem Revolver, den er in Bereitschaft hat. Das Fenster geht ja nach der Seite, und gegenüber befindet sich eine blinde Wand. Es gibt also keinen Zeugen für das Verbrechen. Cornworthy wartet über eine halbe Stunde. Dann nimmt er einen Stoß Papiere, unter denen er die Faulenzerzange und den Revolver verbirgt, geht hinaus in die Diele und dann in den Raum nebenan. Dort legt er rasch die Faulenzerzange wieder auf den Schreibtisch und den Revolver neben den Toten, nachdem er dessen Finger auf den Griff gepreßt hat, und eilt nach draußen mit der Nachricht von Mr. Farleys >Selbstmord<.

Er sorgt dafür, daß der an mich gerichtete Brief gefunden wird und ich mit meiner Geschichte erscheine - der Geschichte, die ich aus Mr. Farleys eigenem Mund gehört habe, der Geschichte von seinem ungewöhnlichen Traum und seinem seltsamen Drang, sich zu töten! Ein paar leichtgläubige Menschen werden die Hypnose-Theorie diskutieren - aber im wesentlichen wird ohne jeden Zweifel bestätigt, daß es tatsächlich Benedict Farleys eigene Hand war, die den Revolver hielt.«

Hercule Poirots Augen richteten sich auf die Witwe, und er sah mit Befriedigung die Bestürzung, die fahle Blässe, die blinde Furcht ... »Und in absehbarer Zeit«, schloß er sanft, »wäre das Happy-End erreicht worden. Eine Viertelmillion Pfund und zwei Herzen, die wie eines schlagen .«