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»Ich scherze nie«, antwortete das Mädchen. »Und meine Geschwister auch nicht.«

Die Hand, die eben noch den Dolch gehalten hatte, deutete an Andrej vorbei zum Waldrand hinauf. Alarmiert fuhr er herum.

Und hätte um ein Haar laut aufgeschrien.

Über ihnen waren drei weitere schmächtige Gestalten aus dem Unterholz getreten. Drei Knaben, von denen zwei kaum älter sein konnten als das Mädchen. Der Dritte aber war annähernd so groß wie Andrej, und vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Alle drei waren ähnlich gekleidet wie das Mädchen - ihre Schwester, wenn sie die Wahrheit gesagt hatte. Sie trugen dünne Sandalen und einfache, sackleinene Hemden, die anstelle eines Gürtels nur von groben Stricken zusammengehalten wurden. Alle drei hatten dasselbe pechschwarze Haar. Andrej schauderte, als er der Kälte in ihren Augen gewahr wurde.

»Was zum Teufel bedeutet das?«, murmelte Abu Dun.

Andrej schüttelte langsam den Kopf. »Nichts Gutes.«

Der hünenhafte Nubier schlug seinen Mantel zurück und legte vorsorglich die Hand auf den Griff des Krummsäbels, den er darunter trug. Langsamer, deutlich langsamer als zuvor, setzten sie sich wieder in Bewegung. Andrejs Herz begann wieder zu rasen. Es waren nur Kinder, aber irgendetwas stimmte hier nicht.

Der älteste der drei Jungen, von dem Andrej annahm, dass er zugleich auch den Anführer darstellte, löste sich von seinem Standort und kam ihnen entgegen, während sich die beiden anderen nach rechts und links entfernten. Andrej musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass sich auch das Mädchen von seinem Platz fortbewegt hatte und ihnen folgte. Kein Zweifeclass="underline" Diese vier Kinder waren dabei, sie einzukreisen.

Doch waren es wirklich Kinder?

Plötzlich blieb der ältere der Jungen stehen und zog etwas hinter seinem Rücken hervor. Andrej riss ungläubig die Augen auf, als er erkannte, dass es sich um ein schlankes, mehr als einen Meter langes Schwert handelte, das in einer reich verzierten Scheide aus schwarzem Leder steckte. Auch die Klinge war mit kunstvollen Gravuren verziert, und die Blutrinne hatte die Form einer gewundenen Schlange. Andrej wusste das.

Schließlich war es sein Schwert.

»Guten Tag, die Herren«, sagte der Junge. Seine Stimme war so weich und kindlich wie die seiner Schwester, aber es lag etwas darin, das Andrej schaudern ließ. Ebenso wie der Ausdruck in seinem Gesicht. Es war nichts Sichtbares. Der Junge hatte ein fein geschnittenes, fast hübsches Antlitz, aber unter dieser schönen Maske war noch etwas. Etwas Grässliches, Lauerndes.

»Wie kommst du an dieses Schwert?«, fragte Andrej scharf.

Der Junge lächelte. »Es gehört Euch, vermute ich? Eine wirklich prachtvolle Waffe. Schade nur, dass Ihr sie nicht mehr brauchen werdet.«

Er warf das Schwert mit einer achtlosen Bewegung ins Gras. Seine Augen wurden schmal. »Ein toter Mann benötigt keine Waffe mehr, oder?«

»Das reicht jetzt!«, zischte Abu Dun. »Treibt es lieber nicht zu weit, oder ich verpasse euch die schlimmste Tracht Prügel eures Lebens!«

»Ach?«, antwortete der Junge. »Tust du das, schwarzer Mann?« Er kicherte.

Abu Dun starrte ihn einen Moment lang drohend an, dann löste sich sein Blick vom Gesicht des Jungen und suchte misstrauisch den Waldrand über ihm ab. Andrej wusste, wonach er Ausschau hielt: Eine verräterische Bewegung, Schatten, die sich im Dickicht verbargen ... irgendeinen Hinweis auf den Hinterhalt, den er zweifellos vermutete. Was sonst sollte das irrsinnige Benehmen dieser Kinder zu bedeuten haben, wenn nicht die Ablenkung von etwas anderem, sehr viel Gefährlicherem?

Andrej konnte das Gefühl nicht begründen, aber er wusste plötzlich, dass dies kein Hinterhalt war. Keineswegs hatten sie es mit einer Räuberbande zu tun, die sich auf die Lauer gelegt hatte und ihre eigenen Kinder als Köder benutzte. Die Gefahr ging einzig von diesen vier Kindern aus.

»Ich bitte dich, hör mit dem Unsinn auf, Junge«, sagte er. »Ihr habt euren Spaß gehabt, aber nun muss es gut sein.« Als der Junge nicht antwortete, ging Andrej weiter und bückte sich nach dem Schwert. Er rechnete damit, dass er und die drei anderen versuchen würden, ihn daran zu hindern, doch er kehrte unbehelligt an Abu Duns Seite zurück und befestigte die Waffe an seinem Gürtel.

»Jetzt fühlt Ihr Euch gewiss stärker, wie?«, fragte der Junge spöttisch.

Andrej antwortete nicht, sondern legte die Hand auf den Schwertgriff und drehte sich langsam um die eigene Achse. Die Kinder hatten sie mittlerweile umringt und waren in drei oder vier Schritten Abstand stehen geblieben. Sie sahen aufmerksam zu ihnen auf, und auf ihren Gesichtern war nicht die mindeste Spur von Furcht zu erkennen.

Dafür machte sich umso mehr davon in Andrejs Herzen breit, als ihm lieb war. Fast verzweifelt lauschte und witterte er in den Wald hinein, aber dort war niemand. Er hätte es gespürt, hätte sich dort oben jemand versteckt. Die Angst, die immer heftiger in seinen Eingeweiden wühlte, wurde eindeutig von diesen vier Kindern verursacht. Von Kindern?

»Jetzt ist es aber endgültig genug!«, rief Abu Dun wütend. Mit einer einzigen Bewegung schlug er seinen Mantel vollends zurück und riss das Schwert aus der Scheide. Gleichzeitig trat er auf den Jungen zu. »Nimm die Beine in die Hand und lauf, so schnell du kannst, du ungehobelter Bengel, oder...«

»Oder?«, unterbrach ihn der Junge. »Wirst du dein großes Messer nehmen und mich damit schneiden?« Grinsend legte er den Kopf in den Nacken und bot Abu Dun seine Kehle dar. »Nur zu, schwarzer Mann. Versuch es ruhig.«

Abu Dun war verblüfft stehen geblieben, und sein Blick wanderte von dem Jungen zu der Klinge in seiner Hand. Der Kleine spielte ein gefährliches Spiel. Natürlich würde Abu Dun ihm nicht die Kehle durchschneiden, ganz gleich, wie sehr ihn der Knabe reizte, aber der Nubier war auch nicht zimperlich und würde nicht zögern, ihm eine Lektion zu erteilen, die er lange Zeit nicht vergessen würde.

Abu Dun zögerte. Ein gequälter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Abwechselnd starrte er das Schwert und den Jungen an, dann wieder das Schwert und noch einmal den Jungen - und schließlich ließ er die Waffe mit einem Laut sinken, der wie ein erstickter Schrei klang.

»Siehst du, schwarzer Mann?«, sagte der Junge lächelnd. »Du kannst es nicht. Eine Waffe allein nutzt gar nichts. Man muss auch bereit sein, sie zu benutzen. Wie ich zum Beispiel.«

Damit trat er ganz dicht an Abu Dun heran, riss den Dolch des Nubiers aus dessen Gürtel und zog ihm die Klinge in aller Seelenruhe über die rechte Hand. Der Nubier schrie gellend auf und starrte fassungslos auf den klaffenden, heftig blutenden Schnitt, der auf seinem Handrücken prangte.

Andrej riss sein Schwert aus der Scheide und spürte gleichzeitig, wie nutzlos diese Maßnahme war. Der Junge zeigte sich auch nicht im Geringsten beeindruckt, sondern bedachte ihn nur mit einem verächtlichen Blick, wandte sich um und ließ den Dolch fallen.

»Ihr seid langweilig«, beschwerte er sich. »Fällt Euch nichts Besseres ein?«

»Du wirst gleich sehen, was mir alles einfällt, du kleine Kröte!«, brüllte Abu Dun. Mit einem einzigen Satz war er bei dem Jungen, riss ihn in die Höhe und schüttelte ihn so wild, dass die Zähne aufeinander schlugen. Der Junge keuchte vor Schmerz und Schreck, und Abu Dun ließ ihn wieder los, wich zurück und starrte bestürzt auf seine eigenen Hände. Seine Rechte blutete noch immer, aber nicht sehr heftig. Der Schnitt, den ihm der Junge zugefügt hatte, war nicht besonders tief.

Allmählich wurde Andrejs Furcht von nackter Panik abgelöst. Er war unendlich weit davon entfernt zu verstehen, was hier vor sich ging, aber die Bedrohung, die von diesen vermeintlichen Kindern ausging, hing in der Luft wie übler Gestank. Es war keine Gefahr irgendeiner natürlichen Art.