Выбрать главу

Zum ersten Mal im Leben war er nach dem Liebesakt sofort eingeschlafen.

Bisher hatte er nur davon gehört, meist von Frauen, ein paar Mal aber auch von Männern, und er hatte es nie wirklich verstanden - er selbst hatte sich nach dem Beischlaf niemals müde oder gar ausgelaugt gefühlt, sondern frisch und mit neuer, manchmal fast unbändiger Energie erfüllt, während er es gewohnt war, dass die Frauen in seinen Armen einnickten; manchmal für lange Zeit, und manchmal so tief, dass er sich erschrocken gefragt hatte, ob sie überhaupt noch am Leben waren.

Als er noch sehr jung gewesen war, hatte er sich ernsthaft eingebildet, es läge daran, dass er ein so viel besserer Liebhaber sei als die anderen Männer, doch das war nicht der wirkliche Grund. Die eine oder andere Frau hatte ihn von dieser Illusion befreit, und er hatte sich auch schon mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass es durchaus Männer gab, die sich in Bezug auf Ausdauer und Fantasie mit ihm messen konnten. Vielleicht hatte es etwas mit seiner besonderen Gabe zu tun. Vielleicht nahm er den Frauen, mit denen er schlief, mehr als sie ahnten. Er hatte nie versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden, und wozu auch? Keine hatte sich je beschwert, keine hatte je Schaden genommen, und er hatte stets das sichere Gefühl gehabt, dass er den Frauen nicht nur mehr nahm als sie ahnten, sondern zugleich auch etwas gab, was sie von einem sterblichen Mann niemals erwarten konnten.

Jetzt erwachte er vollkommen verwirrt, tief in der Nacht, und mit einem Gefühl so absoluter Erschöpfung, dass es ihm schon schwer fiel, die Augen zu öffnen. Seine Glieder fühlten sich an wie Blei, und sein Herz schlug schwerfällig, wie gegen einen zähen Widerstand ankämpfend.

Andrej drehte den Kopf auf dem strohgefüllten Kissen und stellte fest, dass er allein war. Elena war gegangen während er schlief, aber es konnte noch nicht lange her sein - er spürte noch ihren Geruch, hatte noch ihren Geschmack auf den Lippen und konnte selbst noch einen Hauch ihrer Körperwärme auf dem zerschlissenen Laken neben sich wahrnehmen.

Andrej verspürte ein tiefes Gefühl der Enttäuschung, obwohl ihm sein Verstand sagte, dass sie auf die einzig vernünftige Art gehandelt hatte. Egal, wie vorsichtig sie sich hierher geschlichen hatte, und egal, ob Laurus nun da war oder nicht, in einem hatte Elena zweifellos Recht: Dieses Lager war einfach zu klein, um auf Dauer ein Geheimnis zu wahren.

Er versuchte, sich aufzusetzen, und es gelang ihm nur unter Mühen. Seine Glieder fühlten sich immer noch bleischwer an, sein Herz pumpte immer noch schwer und unregelmäßig in seiner Brust, und sein ganzer Körper war klebrig von eingetrocknetem, erkaltetem Schweiß. Andrej schloss die Augen und konzentrierte sich für einen Moment darauf, sein Herz wieder in einem regelmäßigen Rhythmus schlagen zu lassen - es gelang ihm, aber selbst diese kleine Anstrengung kostete ihn unerwartete Mühe - und versuchte zugleich, sich an die zurückliegende Stunde zu erinnern. Aber diese Erinnerung war ungewohnt, so wie das Gefühl - zwar wohltuender - aber doch vollkommener Erschöpfung und Mattigkeit. Sie hatten sich zweimal geliebt, das erste Mal wild und schnell, sodass es schon nach wenigen Augenblicken vorbei gewesen war, das zweite Mal dafür umso ausdauernder und zärtlicher. Und doch war es anders gewesen als mit jeder Frau zuvor. Ja, sie war fantasievoll und durchaus nicht prüde gewesen - und doch hatte er schon aufregendere Nächte erlebt, mit Frauen, die hundertmal schöner waren und die ihn ungleich mehr erregt hatten. Und doch war die Zeit mit ihr mit nichts anderem zu vergleichen. Niemals zuvor hatte er die Umarmung einer Frau als so weiblich empfunden, ihre Berührungen so wohltuend und beschützend - auf eine Art, an der nichts Schmutziges oder Verwerfliches war. Und zugleich hatte er nie zuvor einen Körper als so begehrenswert empfunden, und vielleicht zum ersten Mal begriff Andrej, warum Männer für eine Frau töten konnten, oder mehr riskierten und auch opferten als nur ihr Leben.

Was er allerdings nicht begriff, war, warum er so erschöpft und müde war.

Vielleicht wurde er tatsächlich krank. Die Tatsache, dass er es noch nie gewesen war, bedeutete noch lange nicht, dass er es nicht werden konnte. Bisher hatte er ganz selbstverständlich angenommen, dass sein unheimlicher Metabolismus gar nicht in der Lage war, krank zu werden, so wenig wie er unter normalen Umständen sterben konnte - aber es gab keinen Beweis dafür. Vielleicht hatte er bisher einfach Glück gehabt, so, wie es ja auch viele Sterbliche gab, die Zeit ihres Lebens niemals krank wurden. Wenigstens waren die Kopfschmerzen, mit denen er aufgewacht war und die ihn fast den ganzen Tag über begleitet hatten, nicht mehr da. Dafür fühlte er sich jetzt so müde, dass er auf der Bettkante langsam nach vorne sank und um ein Haar im Sitzen wieder eingeschlafen wäre. Und vermutlich hätte er dem Verlangen auch nachgegeben, wäre nicht in diesem Moment die Tür aufgegangen und Elena hereingekommen. Sie hatte sich in eine der schäbigen Decken gewickelt, die ihm als Bettstatt dienten, und das Haar hing ihr noch immer zerzaust ins Gesicht. Als sie sah, dass er sich aufgesetzt hatte, wirkte sie für einen Moment irritiert, als erblicke sie etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Dann aber zog sie die Tür hinter sich zu und kam lächelnd näher.

»Wo warst du?«, fragte Andrej.

»Es gibt Fragen, die man einem Weib nicht stellt«, antwortete Elena. Sie lachte leise. »Aber keine Angst. Niemand hat mich gesehen. Dein guter Ruf ist nicht in Gefahr.« Andrej blinzelte. »Sollte nicht ich derjenige sein, der das sagt?«

Elena drehte sich herum und ließ dabei die Decke von den Schultern gleiten. Sie fiel mit einem Geräusch zu Boden, als wäre sie aus edelster Seide gewoben und nicht aus Stoff, der selbst für eine Zeltplane zu grob war, und das Mondlicht, das durch die offen stehenden Fenster herein strömte, schien ihre Haut mit flüssigem Silber zu überziehen. Für einen Moment wurde der Geruch ihres Haares so übermächtig, dass er ihm fast die Sinne raubte, und er spürte, wie ihn ihr bloßer Anblick schon wieder zu erregen begann, obwohl er sich noch immer so schwach fühlte, dass er nicht wusste, ob er überhaupt die Kraft gehabt hätte, aufzustehen. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte Elena: »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Es ist spät geworden.« Sie zwinkerte ihm zu. »Du hast mich länger aufgehalten, als ich erwartet habe.« Andrej lauschte einen Moment lang nach draußen. Aus dem Lager drangen noch immer Musik und Gelächter herein, aber längst nicht mehr so laut wie zuvor. Auch das war neu: Bisher hatte er nach dem Aufwachen immer ganz genau sagen können, wie viel Zeit im Schlaf verstrichen war. Jetzt konnte er es nicht einmal erraten.

»Ich werde noch einmal nach deinem Freund sehen«, sagte Elena, während sie sich nach ihrem Kleid bückte. »Anka hat einen Trank für ihn gebraut, der das Fieber senkt und ihm hilft, schneller wieder zu Kräften zu kommen. Aber ich bin nicht sicher, ob er ihn auch zu sich nimmt.«

»Ja, Abu Dun ist manchmal ziemlich stur«, murmelte Andrej zerstreut, denn er war vielmehr darauf konzentriert, Elena dabei zuzusehen, wie sie sich ihr Kleid über den Kopf streifte. Selbst derart alltägliche Handlungen waren bei ihr von einer solchen Eleganz und Anmut, dass ihn schauderte. Als sie sich zu ihm herumdrehte und dabei einige Falten im Stoff glatt strich, streckte er den Arm aus und versuchte, sie an sich zu ziehen.

Elena befreite sich aus seinem Griff und schlug ihm scherzhaft auf die Finger. »Ich habe gesagt, es wird Zeit für mich, zu gehen.« Ihre Augen funkelten spöttisch. »Bist du immer so unersättlich, oder warst du nur zu lange allein?«