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»Der arme Kerl könnte einem fast Leid tun«, sagte Elena. War es wirklich Zufall, dass sie den Kopf an seine Schulter lehnte, sodass ihr Haar an seinem Hals und seiner Wange kitzelte? Andrej versuchte unauffällig, ein kleines Stück zur Seite zu treten, aber es gelang ihm nicht.

»Das ist entwürdigend«, sagte er. »Ich weiß nicht, was in Abu Dun gefahren ist.«

Immerhin näherte sich das grausame Spiel seinem Ende. Die Sanduhr war fast abgelaufen, und Abu Dun brachte es jetzt rasch zu Ende. Das Holzschwert wurde so schnell geschwungen, dass das Auge kaum zu folgen vermochte, und der Krummsäbel flog davon, überschlug sich zweimal in der Luft und blieb zitternd und nur eine Handbreit neben Abu Duns Fuß im Boden stecken. Pfeilschnell sprang der Nubier vor, packte den völlig überraschten Burschen bei der Kehle und riss ihn in die Höhe, sodass er noch atmen konnte. Die andere Hand des Nubiers ließ das Holzschwert fallen, ballte sich zur Faust und holte zum Hieb aus. Andrej konnte hören, wie das Publikum entsetzt den Atem anhielt, und auch Elena fuhr überrascht zusammen. Für einen Moment, einen winzigen schreckerfüllten Moment, war jedermann im Publikum sicher, dass Abu Dun zuschlagen würde.

Er tat es nicht. Die Faust verharrte im letzten Moment, nur noch einen Fingerbreit vom Gesicht seines Gegners entfernt. Dann lachte Abu Dun, ließ den armen Kerl endlich los und versetzte ihm einen Stoß, der ihn rückwärts taumeln und schließlich zu Boden gehen ließ. Grinsend drehte sich der Nubier zum Publikum um und verbeugte sich tief.

Für zwei, drei Herzschläge wurde es vollkommen still, nur das Kind weinte immer noch, und man konnte das leise Stöhnen von Abu Duns Gegner hören, der benommen versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

Endlich ließ Elena Andrejs Arm los und begann zu klatschen, und das Geräusch brach den Bann. Tosender Applaus brandete auf, während Abu Dun sich ein zweites Mal verbeugte und schließlich seinen Säbel aus dem Boden zog, um ihn wieder in den Gürtel zu stecken.

»Das reicht!«, sagte Andrej. »Das sehe ich mir nicht länger an.« Mit einem Ruck drehte er sich um und wollte gehen, aber Elena hielt ihn rasch am Arm zurück.

»Warte!«, sagte sie. »Ich glaube, er ist noch nicht fertig.«

»Ja, das befürchte ich auch«, sagte Andrej und machte sich mit sanfter Gewalt los.

»Nun?«, rief Abu Dun von der Bühne herab. »War das etwa alles? Ist denn keiner mehr unter euch, der bereit ist, sich mit mir zu messen?«

Niemand meldete sich. Das Schauspiel hatte die Zuschauer amüsiert, schien aber auch dem Letzten die Lust daran genommen zu haben, sich mit dem schwarzen Hünen zu messen. Andrej setzte sich zum Gehen in Bewegung.

»Seid ihr alle Feiglinge?«, rief Abu Dun. »He! Du da! Ungläubiger!«

Andrej musste nicht einmal zur Bühne hinsehen, um zu spüren, dass sich plötzlich alle Zuschauer zu ihm herum drehten und ihn anstarrten.

»Ja, dich meine ich!«, rief Abu Dun. »Bleib stehen!«

Die Vernunft sagte Andrej, dass er einfach weiter gehen sollte, ganz egal, was Abu Dun sagte oder tat, aber der Zorn über das kindische Verhalten des Nubiers war einfach stärker. Er drehte sich herum und funkelte den Freund schweigend an.

»Du siehst aus wie ein Mann, der sich zu wehren weiß«, rief Abu Dun. »Immerhin trägst du ein Schwert am Gürtel. Führst du es nur spazieren, um die holde Weiblichkeit zu beeindrucken, oder weißt du auch damit umzugehen?«

»Ich werde nicht mit dir kämpfen«, sagte Andrej ruhig. »Also spar' dir die Mühe.«

»Du bist feige«, höhnte Abu Dun.

»Wenn du meinst«, sagte Andrej ruhig. Warum ging er nicht einfach davon? Es konnte ihm doch vollkommen gleichgültig sein, ob die Zuschauer ihn für einen Jämmerling hielten oder nicht... »Ich verdopple mein Angebot«, sagte Abu Dun. »Zehn Taler, wenn du gegen mich bestehst, Ungläubiger. Und du magst dein eigenes Schwert benutzen, wenn du willst.«

»Übertreib' es nicht, Abu Dun«, zischte Andrej. Die Worte des Nubiers machten ihn immer wütender. Sein Verstand sagte ihm, dass er sich benahm wie ein kompletter Narr und ganz genau das tat, was Abu Dun von ihm erwartete ...

»Kann es sein, du trägst das Schwert nur zum Kartoffeln Schälen?«, höhnte Abu Dun. »Mir scheint, du bist nicht Manns genug, Ungläubiger. Ein Feigling und ein herausgeputzter Geck, das bist du. Sag, wartet dein Weib auf dich, oder musst du heim zur Mutter?«

Es war nicht das spöttische Gelächter der Männer und Frauen ringsum. Es war nicht einmal so sehr die Wut, die Abu Duns Worte immer heißer in ihm brennen ließ. Was Andrej schließlich dazu brachte, zur Bühne zurückzugehen, war Elenas Blick, den er aus den Augenwinkeln auffing. Er wusste, dass es kindisch war und durch und durch leichtsinnig, aber er hätte in diesem Moment den Gedanken einfach nicht ertragen, in Elenas Augen als Feigling dazustehen. Mit einem schnellen Satz war er auf dem Podest, zog das Schwert und trat Abu Dun entgegen. Der Nubier grinste triumphierend. Rason drehte die Sanduhr um und wollte sie wieder in die Höhe halten, aber Andrej schüttelte den Kopf.

»Nicht nötig«, sagte er. »Ich brauche dein Geld nicht. Und so lange wird es auch nicht dauern.«

»Hört, hört!«, rief einer der Zuschauer, andere begannen zu lachen oder stießen schrille Pfiffe aus.

Andrej griff ohne Vorwarnung an. Im letzten Moment riss Abu Dun seinen Säbel in die Höhe und parierte den Hieb, aber zwischen den Klingen sprühten Funken auf, und der riesige Nubier wankte unter der Wucht des Schlages.

Andrej ließ das Schwert sinken, erschrocken vom Ungestüm seines eigenen Angriffs. Er war zornig auf Abu Dun wie selten zuvor, aber er hatte nicht wirklich vorgehabt, ihn zu verletzen. Rasch tat er einen halben Schritt zurück und nahm sich vor, sich mehr zu beherrschen. Abu Dun hatte ihn aus der Reserve locken wollen und das war ihm gelungen, aber nun musste es gut sein.

Unglückseligerweise schien der Nubier das nicht so zu sehen. Er griff nun seinerseits an, und er legte kaum weniger Kraft in seine Hiebe als Andrej es gerade getan hatte.

Rings um sie herum wurde es mucksmäuschenstill, während ihre Schwerter immer schneller vor- und zurückzuckten, klirrend gegeneinander prallten oder nach einer Lücke in der Deckung des anderen suchten. Andrej wich weiter vor Abu Dun zurück. Obwohl er viel stärker als ein normaler Mann war, hatte er der schieren Masse des Nubiers nichts entgegenzusetzen und konnte nur mit Schnelligkeit und Geschick ausgleichen, was ihm Abu Dun an Kraft voraus hatte. Eine Zeit lang wogte der Kampf hin und her, ohne dass einer von ihnen wirklich einen Vorteil errang, doch Andrej spürte auch, wie seine Kräfte zu erlahmen begannen, während Abu Duns Angriffe immer aggressiver zu werden schienen.

»Verdammt, Abu Dun, was soll das?«, raunte er so leise, dass niemand der Umstehenden ihn verstehen konnte.

»Ich hab's dir doch gesagt - du lässt mir keine Wahl«, antwortete Abu Dun.

Andrej fand keine Gelegenheit, über diese Worte nachzudenken, denn er musste sich hastig ducken, um einem Schwerthieb zu entgehen, der ihm sonst den Kopf von den Schultern getrennt hätte.

»Bist du verrückt?«, zischte er. »Was sollte das denn werden?«

Und dann, ganz plötzlich, verstand er, dass aus dem Schaukampf Ernst geworden war. Abu Dun spielte nicht mehr mit ihm. Er wollte ihn verletzen. Töten?

Und er war nicht der einzige, der das begriff. Rings um sie herum wurde es totenstill. Atemlos starrten die Menschen zu ihnen hinauf, während immer hellere Funken zwischen ihren Schwertern aufstoben und die beiden ungleichen Gegner immer blitzartiger zustießen, parierten, auswichen oder angriffen.

»Also gut«, keuchte Andrej. »Du hast es nicht anders gewollt.« Er täuschte einen Hieb gegen Abu Duns Schulter an, warf sich blitzschnell zur Seite und kam nach einer Rolle hinter dem Nubier wieder in die Höhe. Noch in der Bewegung stieß er zu. Tief bohrte sich die Klinge in Abu Duns Wade und fügte ihm eine heftig blutende Verletzung zu. Abu Dun schrie vor Schmerz und Wut, wirbelte herum, und Andrej versetzte ihm einen Fußtritt vor das verwundete Bein, der ihn vollends zu Boden schleuderte. Mit einer fließenden Bewegung war er über dem Nubier, ließ sich fallen und rammte ihm dabei beide Knie in den Leib. Dann setzte er ihm die Schwertspitze an die Kehle.