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»Was ist passiert?«, fragte er. Die Bewegung tat ihm gut.

Sein Kreislauf kam allmählich in Schwung, und aus der lähmenden Müdigkeit wurde Benommenheit, immer noch unangenehm, aber beherrschbar.

Bason hob hilflos die Schultern. »Ich weiß es nicht genau«, sagte er. »Zuerst dachte ich, es hätte was mit gestern Abend zu tun. Mit dem, was dein Freund und du getan habt. Aber jetzt bin ich nicht mehr sicher.«

Sie durchquerten das Lager mit schnellen Schritten. Als sie näher kamen, sah Andrej einen der beiden Bewaffneten, in deren Begleitung Schulz schon einmal hergekommen war, in eindeutig drohender Haltung vor Laurus' Wagen stehen; der andere war vermutlich mit seinem Dienstherren drinnen. Andrej wollte den Wagen unverzüglich ansteuern, aber Bason schüttelte den Kopf, deutete verstohlen auf eine Lücke zwischen zwei der großen Wohnwagen und sagte: »Warte hier. Ich bringe dir ein Hemd. Rühr dich nicht von der Stelle.«

Andrej tat, wie Bason ihn geheißen hatte, ohne den Sinn dieser Anweisung wirklich zu verstehen. Offensichtlich wollte Bason nicht, dass der fremde Krieger ihn ohne Hemd sah - als ob das irgendetwas ausmachte. Aber er wartete geduldig, bis Bason wiederkam. Er trug ein einfaches weißes Hemd und eine zusammengefaltete Weste über dem Arm. Fast unwirsch forderte er Andrej auf, beides anzuziehen und hob schließlich wenig begeistert die Schultern. »Nun ja, schließlich willst du nicht auf Brautschau gehen.«

Andrej sah an sich herab und musste gestehen, dass Bason durchaus Recht hatte. Das Hemd war ihm um etliches zu klein. Er sah einfach nur lächerlich dann aus. Und die Weste, in die er sich zusätzlich gezwängt hatte, machte es auch nicht besser. Bason gab ihm jedoch keine Gelegenheit, irgendetwas zu sagen, sondern steuerte nun mit schnellen Schritten den Wagen seines Stiefvaters an.

Der Wachtposten davor wollte ihm den Weg verwehren, aber Bason wedelte unwillig mit der linken Hand und deutete mit der anderen auf Andrej. »Das ist Andreas«, sagte er. »Dein Herr wollte ihn sprechen.«

Der Krieger trat nicht sofort zur Seite, sondern musterte Andrej mit versteinerter Miene. Schließlich deutete er ein Kopfnicken an und gab wortlos den Weg frei. Bason machte keine Anstalten, den Wagen zu betreten und sah Andrej nur auffordernd an. Nach kurzem Zögern betrat er den Wagen.

Und erlebte eine Überraschung. Er hatte gewusst, dass Laurus auf ihn wartete und ebenso Schulz, und er hatte auch geahnt, dass der zweite Krieger wieder mit verschränkten Armen vor der Tür Wache hielt. Womit er nicht gerechnet hatte, das war die vierte Person im Raum: Es war Pater Flock. Sein Anblick erschreckte Andrej. Der junge Geistliche saß zusammengesunken und mit auf der Tischplatte aufgestützten Armen zwischen Schulz und Laurus. Sein Gesicht war grau, zumindest das, was man davon erkennen konnte, denn sein Kopf, aber auch die Wangen und das Kinn, verbargen sich unter einem fest angelegten Verband. Dennoch konnte man erkennen, dass sich die hässlichen Schnittwunden darunter offensichtlich entzündet hatten. In Flocks Augen lag ein fiebriger Glanz, und die Hände, die er fest auf die Tischplatte presste, zitterten leicht.

»Pater Flock!«, entfuhr es ihm. »Was tut Ihr hier? Seid Ihr wahnsinnig geworden?«

»Schweigt!«, sagte Schulz scharf. »Was fällt Euch ein, in diesem Ton mit einem Mann der Kirche zu reden?«

Andrej wollte antworten, aber Flock hob rasch die Hand. »Ist schon gut«, sagte er. »Ich bin sicher, Andreas war nur erschrocken, mich hier zu sehen.«

Schulz funkelte erst ihn, dann Andrej an, und Laurus deutete mit einer herrischen Geste auf den einzigen noch freien Stuhl am Tisch. Andrej nahm wortlos Platz. »Wie geht es Euch?«, fragte er, in jetzt wieder beherrschtem Ton und an Flock gewand.

»Ich würde lügen, wenn ich sagte, gut«, antwortete Flock. »Aber so schlecht, wie Ihr anzunehmen scheint, nun auch wieder nicht.«

»Aber es ist verrückt, den anstrengenden Ritt hierher zu wagen«, sagte Andrej. »Wollt Ihr Euch umbringen?«

Ein dünnes, nicht besonders überzeugendes Lächeln erschien auf Flocks rissigen Lippen. »Meine Zeit ist noch nicht gekommen, Andreas«, sagte er. »Und so, wie die Dinge liegen, musste ich hierher kommen. Auch in Eurem Interesse.«

»Das ist genug«, sagte Schulz. »Ihr werdet mir ein paar Fragen beantworten, Andreas, und Ihr werdet es sofort tun und ohne Ausflüchte.«

»Wenn ich es kann«, antwortete Andrej. Er versuchte, einen Blick mit Laurus zu tauschen, aber der Sinti wich ihm aus. Er wirkte niedergeschlagen.

»Das hoffe ich für Euch«, sagte Laurus. »Es könnte sein, dass Euer Leben von diesen Antworten abhängt, Andreas. Und möglicherweise nicht nur Eures.«

»Ich nehme an, es geht um gestern Abend«, sagte Andrej.

Schulz schwieg. Sein Blick wurde lauernd.

»Ich weiß nicht, was man Euch erzählt hat, Schulz«, sagte Andrej. »Aber wenn Ihr den armen Pater Flock mitgebracht habt, um Euch davon zu überzeugen, dass es nichts mit Hexerei oder schwarzer Magie zu tun hat, dann habt Ihr ihm den anstrengenden Weg umsonst zugemutet. Ich versichere Euch, es war nur ein Taschenspielertrick.«

»Den Ihr mir zweifellos verraten werdet«, vermutete Schulz.

»Das könnt ihr nicht im Ernst erwarten«, erwiderte Andrej lächelnd. »Ihr wisst doch, dass wir Gaukler unsere Tricks niemals verraten.«

»Das einzige, was ich wirklich weiß, Andreas«, sagte Schulz leise, »ist, dass Ihr bestimmt kein Gaukler seid. So wenig wie Euer schwarzer Freund.« Seine Stimme wurde eine Spur kälter. »Ich bin nicht hierher gekommen, um meine Zeit zu vergeuden, Andreas. Und auch nicht, um mich mit Euch über Taschenspielertricks zu unterhalten.«

»Weshalb dann?«, fragte Andrej.

»Es hat einen weiteren Toten gegeben«, sagte Laurus leise.

Andrej fuhr überrascht zu dem Sinti herum. »Wann? Wo?«

»Heute Nacht«, sagte Laurus. »Und nicht einmal weit von hier.«

»Und was ... haben wir damit zu schaffen?«, fragte Andrej zögernd.

»Das frage ich Euch«, antwortete Schulz. »Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch alles ... Bedankt Euch bei Pater Flock, dass ich Euch und Euren Freund nicht gleich in Ketten legen lasse. Er hat sich für Euch eingesetzt, auch wenn ich nicht verstehe, warum. Trotzdem muss ich darauf bestehen, dass Ihr uns in die Stadt begleitet. Und dieser Abu Dun ebenfalls.«

»Abu Dun ist -«

»- in diesem Punkt ein wenig vernünftiger als Ihr, Andreas«, fiel ihm Schulz ins Wort. »Ich habe bereits mit ihm gesprochen. Er hat nichts dagegen, uns zu begleiten und sich einer Befragung zu stellen. Solltet Ihr tatsächlich uneinsichtiger sein als ein Mann, der aus dem Land der Heiden und Wilden kommt?«

»Abu Dun?«, entfuhr es Andrej. »Er ist -?« Er brach ab und hätte sich am liebsten auf die Lippen gebissen. Abu Dun war zurückgekehrt?

»Ja?«, fragte Schulz.

»Nichts«, sagte Andrej hastig. »Ich war nur ... überrascht, weil -«

Er wurde unterbrochen, als jemand an die Tür klopfte und eintrat, ohne eine Antwort abzuwarten. Im ersten Moment erkannte er nur einen schwarzen Schatten gegen das gleißende Sonnenlicht, das hereinströmte, dann wäre er um ein Haar erneut erschrocken zusammengefahren, als er Elena identifizierte. Aus irgendeinem Grund versetzte ihn die Vorstellung, dass sie mit Schulz oder Flock reden könnte, beinahe in Panik.

Auch Laurus schien nicht besonders angetan davon zu sein, seine Frau zu erblicken. Er runzelte die Stirn und schien etwas sagen zu wollen, aber Schulz brachte ihn mit einer befehlenden Geste zum Schweigen. »Wer ist das?«, fragte er.

»Ich bin Elena«, antwortete Elena. »Laurus' Weib.«

»Was tust du hier?«, fragte Laurus kalt.

»Lasst sie«, sagte Schulz. »Ich hätte Euch ohnehin gebeten, sie zu rufen. Ich möchte mit Eurem Weib reden.«