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»So wie ich mit Euch«, erwiderte Elena. Sie deutete herausfordernd auf Andrej. »Ich habe gehört, Ihr verdächtigt Andreas und seinen Freund der Hexerei? Das ist doch lächerlich.«

Zu Andrejs Überraschung schwieg Schulz sowohl zu diesen Worten, als auch zu dem herausfordernden Ton, in dem Elena sie vorgebracht hatte. Laurus schien ein bisschen blasser zu werden, als er ohnehin schon war, und den Ausdruck in Flocks Augen vermochte er gar nicht zu deuten.

»Du solltest jetzt -«, begann Laurus, wurde aber von Schulz mit einer energischen Geste unterbrochen.

»Es ist gut, Laurus. Ich wollte ohnehin mit Eurem Weib reden.«

Laurus' Gesicht verfinsterte sich ob dieser Demütigung, aber er sagte nichts mehr. Schulz fuhr fort: »Sobald wir fertig sind. Geh und warte draußen, Weib.«

Andrej war nicht überrascht über Elenas Reaktion; er wäre es eher gewesen, wäre sie anders ausgefallen. »Ich bin keine Dienstmagd«, sagte sie kühl. »Ich lasse mich nicht hinausschicken. Schon gar nicht aus meinem eigenen Heim.«

Diesmal fiel es Schulz sichtbar schwerer, die Fassung zu bewahren. Aber zu Andrejs Überraschung reagierte er nicht zornig, sondern starrte Elena nur eine Weile an, und am Ende war er es, der das Blickduell verlor und wegsah.

»Wenn es hier jemanden gibt, der den Wagen verlassen sollte«, fuhr Elena fort, »dann dieser Kirchenmann.« Die Art, in der sie das letzte Wort aussprach, ließ es zu nichts anderem als einer Obszönität werden, und Schulz sah mit einem Ruck hoch. Seine Augen wurden schmal.

»Übertreib es nicht, Weib«, sagte er.

Elena öffnete den Mund zu einer Antwort, doch in diesem Moment mischte sich Vater Flock ein. »Lasst sie, Schulz«, sagte er. »Sie hat ja Recht.«

Schulz blinzelte. »Wie?«

»Wir sind uneingeladen und gegen ihren Willen hier. Es ist ihr gutes Recht, uns die Tür zu weisen. Und ich wollte sowieso nach draußen. Ich fühle mich nicht gut. Vielleicht brauche ich ein wenig frische Luft.« Er wandte sich an Andrej. »Würde es Euch etwas ausmachen, mich nach draußen zu begleiten, Andreas?«

»Natürlich nicht«, sagte Andrej schnell. Er stand auf und ging dem Geistlichen entgegen. Pater Flock stützte sich schwer auf seinen dargebotenen Arm und brauchte sichtbar all seine Kraft, um sich in die Höhe zu stemmen. Seine Haut war heiß und fühlte sich trocken und rau an. Andrej begriff immer weniger, warum Flock die Mühe auf sich genommen hatte, in seinem Zustand den weiten Weg hier heraus zu machen.

Sie verließen den Wagen. Auf der Treppe nahm Andrej Flock kurzerhand auf die Arme, ohne auf seinen ohnehin nur symbolischen Protest zu achten, und er stellte ihn erst wieder ab, als sie den Platz vor dem Wagen überwunden und im Schatten eines der anderen Gefährte angekommen waren. Die Hitze war mörderisch, und schon bei der kleinsten Bewegung hatte Andrej das Gefühl, dass ihm am ganzen Leib der Schweiß ausbrechen musste. Wie Pater Flock auf die Idee kam, hier draußen frische Luft schnappen zu wollen, war ihm ein Rätsel. Aber er war auch ziemlich sicher, dass es ohnehin nur ein Vorwand gewesen war.

»Ich danke dir, Andreas«, sagte Flock. Er lehnte sich mit einem erschöpften Seufzer gegen das raue Holz des Wagens und schloss für einen Moment die Augen. Hier draußen im gnadenlosen Licht der Sonne, sah er noch schwächer und erbarmungswürdiger aus.

»Ihr müsst einen verdammt guten Grund haben, hierher zu kommen«, sagte Andrej ernst. »Ihr setzt Euer Leben aufs Spiel, das ist Euch doch klar, oder?«

»Es gibt Dinge, die sind wichtiger als das Leben eines unbedeutenden Mönchs«, antwortete Flock. »Zum Beispiel?«

»Vielleicht das Seelenheil vieler«, antwortete Flock. »Ihr müsst fort, Andreas. Ihr müsst ... diese Leute verlassen. Schnell. Noch heute.«

»Und Ihr riskiert Euer Leben, oder zumindest Eure Gesundheit, um mir das zu sagen?«, fragte Andrej verwirrt.

»Etwa Schlimmes wird geschehen«, fuhr Flock unbeeindruckt fort. Offensichtlich wollte er nicht auf seine Frage antworten. »Irgendetwas geht hier vor, Andreas. Der Teufel hat seine Hand nach uns ausgestreckt. Ich habe seine Helfer gesehen.«

Gegen seinen Willen sah Andrej sich rasch nach allen Seiten um, wie, um sich davon zu überzeugen, dass ihnen auch niemand zuhörte. »Ihr meint diese Kinder.«

»Das waren keine Kinder«, protestierte Flock. »Das waren seelenlose Geschöpfe. Boten der Hölle.«

»Übertreibt Ihr da nicht ein wenig?«, sagte Andrej. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Glaubt mir, es gibt eine Menge Eltern, die ihre Kinder für kleine Teufel halten. Und manche nicht einmal zu Unrecht.«

»Ihr wisst, dass es so ist«, sagte Flock ernst. »Sie sind hier. Sie haben irgendetwas mit diesen Menschen hier zu tun, und ich glaube, sich wollten Euch. Ich hatte nur das Pech, ihnen zufällig zu begegnen.«

Andrej wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er sah Flock nur an und versuchte, sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden. Er war noch immer weit davon entfernt, einem Mann im verlogenen braunen Büßergewand so etwas wie Ehrlichkeit oder gar ein gutes Herz zuzubilligen, und dennoch war ihm klar, dass Flock die Wahrheit sagte. Vielleicht war er ja die berühmte Ausnahme von der Regel.

»Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?«

»Flieht!«, sagte Flock. »Nehmt Euren Freund, den Heiden, und flieht. Diese Dämonen sind Euretwegen hier, das spüre ich. Wenn Ihr bleibt, dann beschwört Ihr ein großes Unglück herauf. Ein Unglück für uns alle!«

»Und wenn wir fliehen, dann wird Schulz das als Eingeständnis unserer Schuld werten«, antwortete Andrej ruhig. »Laurus und alle anderen hier müssten dafür bezahlen.«

Flock schüttelte schwach den Kopf. »Schulz ist ein vernünftiger Mann. Und er hört auf mich. Ich werde ihn davon überzeugen, dass diese Menschen hier unschuldig sind. Vielleicht wird er sie davonjagen, aber das ist auch alles.«

»Ich verstehe Euch nicht, Flock«, sagte Andrej, und das war ehrlich gemeint. »Wenn Ihr wirklich glaubt, was Ihr da sagt, wenn Ihr wirklich wisst, wer ich bin, dann müsstet Ihr mich doch hassen.«

»Aber es reicht doch, wenn Ihr Euch selbst hasst, Andreas«, antwortete Flock ruhig. Er versuchte zu lächeln, aber sein zerschnittenes Gesicht machte eine Grimasse daraus. »Ich bin nicht so uneigennützig, wie Ihr glaubt, Andreas. Vielleicht muss man eine verlorene Seele verschonen, um viele andere zu retten.«

»Ich kann das nicht«, sagte Andrej zu seiner eigenen Überraschung. Alles, was Flock gesagt hatte, klang nicht nur vernünftig, sondern deckte sich auch auf schon fast unheimliche Weise mit dem, was er selbst in den letzten Tagen gedacht hatte. Aber er begriff auch, warum es für ihm im Moment einfach nicht möglich war, von hier weg zu gehen, und sollte es tatsächlich sein Leben kosten.

Elena.

Von hier fort zu gehen, bedeutete, Elena zu verlieren, und das war etwas, was ihm im Moment schlimmer erschien als der Tod.

»Du wirst deine Freunde nicht schützen können«, sagte Flock. »Auch nicht, wenn du hier bleibst. Aber vielleicht gerade nicht, wenn du bleibst.«

»Was meint Ihr damit?« Flock zögerte. Erst nach einer geraumen Weile sagte er leise: »Es sind Soldaten auf dem Weg hierher. Und ...«

»Und?«, fragte Andrej, als Flock nicht weiter sprach.

»Einige meiner Brüder.« Er klang gequält. Plötzlich hatte er nicht mehr die Kraft, Andrejs Blick Stand zu halten. »Aber sie sind nicht... nicht wie ich.«

Andrejs Blick verdüsterte sich. »Die Inquisition.«

Flock nickte stumm.

»Wer?«, wollte Andrej wissen - als ob diese Frage noch einer Antwort bedurft hätte!

»Schulz hat versucht, es zu verhindern«, sagte Flock. »Er ist ein harter Mann, aber kein Dummkopf. Er weiß, dass die Inquisition nur Leid bringt, auch und manchmal gerade denen, die sie zu beschützen vorgibt. Aber nachdem Handmanns Mühle niedergebrannt ist -«

»Wie bitte?«, unterbrach ihn Andrej. »Die Mühle ist niedergebrannt?«