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Andrej schämte sich, und er verstand immer weniger, was ihn zu dieser Grausamkeit getrieben hatte. »Verzeih«, murmelte er.

Laurus zwang sich zu einem Lächeln. »Da gibt es nichts zu verzeihen, Andreas«, sagte er. »Willst du dich für das entschuldigen, was du bist? Es ist schließlich nicht deine Schuld.« Er schloss für einen Moment die Augen und fuhr dann mit leiserer, aber gefasster Stimme fort: »Ich wusste immer, dass du eines Tages kommen würdest. Elena hat mir nie etwas vorgemacht. Mir war stets klar, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen kann. Nun, es tut trotzdem weh, ihn zu verlieren, aber ich hasse dich nicht dafür. Ich werfe dir nicht einmal etwas vor. Du hast die Welt nicht gemacht, und dich selbst auch nicht.«

Seltsam - aber Andrej glaubte zu spüren, dass diese Worte ehrlich gemeint waren. Sie berichtigten eine Menge von dem, was er über Laurus gedacht hatte. Und wenn es bei diesem ganzen Dilemma je um Schuld gegangen war, dann schuldete er diesem Mann Hochachtung. Wortlos wandte er sich ab und ging zu seinem Wagen zurück.

Lange, sehr lange nach Mitternacht kam Elena zu ihm. Andrej war längst eingeschlafen. Er hatte nicht damit gerechnet, in dieser Nacht auch nur ein Auge zuzutun, aber die sonderbare Schwäche und Kraftlosigkeit, die schon seit Tagen an ihm nagte, hatte auch jetzt wieder ihr Recht gefordert, und er war trotz allem in einen unruhigen Schlummer gesunken. Ein Schlaf, aus dem er einige Male aufgeschreckt war, allein mit der Dunkelheit in seinem Wagen, und dem verwirrenden Gefühl, dass irgendetwas nicht so war, wie es den Anschein hatte; und schon ganz und gar ich so, wie es sein sollte. Er war jedes Mal wieder eingeschlafen, bevor er diesen Gedanken ganz zu Ende verfolgen konnte, und als er das dritte oder vierte Mal erwachte, da war er nicht mehr allein. Eine vertraute Wärme presste sich an seinen Körper, und er spürte Elenas Gegenwart, noch bevor er ihren Geruch wahrnahm, das seidige Gefühl ihrer Haut auf seiner Brust fühlte und dann die süße Berührung ihrer Lippen. Fast instinktiv erwiderte er ihren Kuss und schloss sie in seine Arme, aber nur für einen Moment. Dann wurden seine Lippen spröde, und er ergriff sie bei den Schultern und schob sie, sanft aber nachdrücklich, ein Stück von sich fort.

Elena versteifte sich unter seiner Berührung, dann machte sie sich los, setzte sich auf und sah verwirrt auf ihn herab. In dem schwachen Mondlicht, das durch das offene Fenster herein strömte, konnte er erkennen, dass sie ihr Kleid bereits ausgezogen hatte und nackt war, und wieder erging es ihm so, wie schon ein paar Mal zuvor: Er betrachtete den Körper einer Göttin, aber es war ihm unmöglich zu sagen, wie alt sie war, nicht einmal, ob sie wirklich schön war. Es konnte an nichts anderem liegen als am schwachen Licht und dem verwirrenden Spiel der Schatten, aber für einen ganz, ganz kurzen Moment hatte ihr Gesicht etwas Katzenhaftes, etwas noch immer unwiderstehlich Verlockendes zwar, aber eine Schönheit, die plötzlich die eines tödlichen Räubers war. Doch wie so viele Gedanken in letzter Zeit, entglitt ihm auch dieser, und schon im nächsten Moment war selbst die Erinnerung daran war verschwunden.

»Was hast du?«, fragte Elena. Sie klang verwirrt.

Andrej setzte sich bewusst umständlich auf, um Zeit zu schinden, und rückte gerade so weit von ihr ab, dass es nicht unhöflich wirkte. »Nichts«, sagte er. »Entschuldige. Ich ... ich war nur überrascht.«

»Hast du jemand anderen erwartet?«, fragte Elena lachend.

»Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich niemanden erwartet«, antwortete Andrej. »Auch dich nicht.«

Elena runzelte die Stirn. »Wie soll ich das verstehen?«

»Ich habe mit Laurus gesprochen«, sagte Andrej. »Er weiß von uns.«

»Natürlich weiß er von uns.«

»Woher?«

»Er ist mein Mann«, sagte Elena. »Ich habe es ihm erzählt.«

»Du hast es -?« Andrej stockte buchstäblich der Atem. Ungläubig riss er die Augen auf.

»Jetzt sag nicht, dass du Angst vor ihm hast«, sagte Elena. »Das brauchst du nicht.«

»Aber ... wieso hast du das getan?«, murmelte Andrej fassungslos. Wusste sie denn nicht, was sie Laurus damit antat? Und damit letzten Endes auch ihm? Wie sollte er eine Frau lieben, die den Mann, dem sie schließlich irgendwann einmal die Treue versprochen hatte, so erniedrigte?

»Wäre es dir lieber, ich hätte ihn belogen?«, fragte Elena und beantwortete ihre eigene Frage sogleich mit einem Kopfschütteln. »Laurus und ich haben uns niemals etwas vorgemacht, Andreas. Und das wird auch so bleiben.«

Als er nicht antwortete, lachte sie leise und versuchte, die Arme um seinen Hals zu schlingen und ihn erneut zu küssen, doch wieder schob Andrej sie von sich fort. »Nein«, sagte er. »Ich kann das nicht.«

»Gestern konntest du es aber noch ganz gut«, sagte Elena. »Und falls du das eine oder andere vergessen haben solltest, bin ich gerne bereit, deine Erinnerungen aufzufrischen.«

»Ich meine es ernst. Nicht, solange Laurus hier ist.«

Elena blinzelte. Sie wirkte verwirrt, als verstünde sie wirklich nicht, wovon er sprach. »Was soll das heißen? Willst du damit sagen, dass du kein Problem damit hattest, meinen Mann zu hintergehen, wohingegen du es nicht über dich bringst, etwas zu tun, wovon er weiß?«

»Ich hätte es anders formuliert, aber es läuft ungefähr darauf hinaus«, antwortete Andrej. Er bemühte sich um einen möglichst sachlichen Ton, aber natürlich gelang es ihm nicht. Ebenso wenig wie es ihm gelang, seinen Blick von Elenas Körper loszureißen, der von silbernem Mondlicht überschüttet unendlich verlockend direkt vor ihm saß. Dennoch fuhr er fort: »Wir können das nicht mehr tun, Elena.«

»Ich verstehe dich nicht«, sagte Elena. »Wo ist der Unterschied? Ich meine: Ich erwarte ein Kind von dir, Andreas. In wenigen Monaten wird es jeder sehen. Selbst, wenn ich Laurus belügen wollte, wüsste er spätestens dann Bescheid. Wäre dir das lieber?«

»Lieber wäre mir, wenn es gar nicht geschehen wäre«, murmelte Andrej.

»Oh«, sagte Elena, »das habe ich -«

»So war das nicht gemeint«, sagte Andrej hastig. »Ich bedaure keine Sekunde. Es ist nur ... Ich kenne Laurus nicht sehr gut. Aber ich glaube, dass er ein aufrechter Mann ist. Er hat es nicht verdient, so gedemütigt zu werden.« So wenig wie ich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Elena nicht begriff, was sie da von ihm verlangte, und was es sowohl für Laurus als auch ihn bedeuten musste. Wieso war sie so grausam?

»Und was willst du jetzt tun?«, fragte sie leise. Sie rutschte ein kleines Stück näher, versuchte aber nicht mehr, ihn zu berühren. »Du kannst nicht so tun, als wäre nichts geschehen, Andreas.«

»Ich weiß«, sagte Andrej. »Mach es mir nicht so schwer, Elena, ich flehe dich an. Ich weiß nicht, was ich tun werde oder sollte. Vielleicht sollten wir einfach eine Weile abwarten.«

Elena sah ihn sicher eine halbe Minute lang fast ausdruckslos an, und mit ebenso ausdrucksloser Stimme flüsterte sie schließlich: »Eine Weile. Und was genau verstehst du unter ›einer Weile‹, Unsterblicher?«

»Nicht viel weniger als du«, sagte Andrej. »Gib mir etwas Zeit, um nachzudenken, Elena.«

»Gefalle ich dir nicht mehr?«, fragte sie.

Täuschte er sich, oder war da ein ganz leiser, aber scharfer Unterton in ihrer Stimme, den er bisher noch nie bei ihr vernommen hatte?

Sie schnappte hörbar nach Luft. »Ich verstehe. Du hast deinen Spaß gehabt, und jetzt -«