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»Rührt euch nicht und zeigt um Allahs willen keine Angst! Ich regele das.«

»Bist du verrückt?«, keuchte Frederic.

»Wir müssen weg!«

»Still!«, schnappte Abu Dun.

»Keinen Laut mehr, oder wir sind alle tot.« Frederic schien den Ernst der Situation zu begreifen, denn er schwieg tatsächlich. Abu Dun warf ihm einen letzten warnenden Blick zu und drehte sich dann wieder im Sattel nach vorne. Fast bedächtig hob er die Hand und sagte etwas in seiner Muttersprache, bekam aber keine Antwort. Die fremden Krieger hatten sich mittlerweile nicht nur von ihrer Überraschung erholt, sondern waren von einer Sekunde auf die andere kampfbereit. Mit gezückten Krummsäbeln kreisten sie Andrej und seine beiden Begleiter ein. Andrej hatte noch niemals zuvor einen der Krieger gesehen, die sich im Moment wie eine unaufhaltsame Flut vom Südwesten nach Europa ergossen, aber das mußte er auch nicht, um zu wissen, das er türkische Krieger vor sich hatte. Die meisten von ihnen waren nicht sehr groß; sie hatten dunkle, scharf geschnittene Gesichter mit schwarzen Haaren und noch schwärzeren Augen. Bewaffnet waren sie mit Krummsäbeln, Lanzen und glänzenden, runden Schilden. Manche trugen spitze Helme, die mit roten Tüchern verziert waren. Andrej sah nirgendwo das Symbol des gefürchteten Halbmondes. Seine Hand wollte zur Waffe greifen, aber er konnte den Impuls im letzten Moment unterdrücken. Es wäre wahrscheinlich der letzte seines Lebens gewesen. Abu Dun wiederholte seine Worte und begleitete sie mit einem rohen Lachen, und diesmal bekam er wenigstens eine Antwort. Andrej verstand die Worte nicht, aber die Tonart war alles andere als freundlich. Abu Dun lachte trotzdem noch einmal, deutete erst auf Andrej und dann auf Frederic und schwang sich dann aus dem Sattel.

»Steigt ab«, sagte er.

»Benehmt euch ganz normal. Es ist alles in Ordnung.« Das bezweifelte Andrej. Die türkischen Krieger betrachteten sie alles andere als freundlich. Viele hatten ihre Waffen gesenkt, aber längst nicht alle und Andrej war noch nicht ganz aus dem Sattel gestiegen, da trat einer der Krieger hinter ihn und zog das Schwert aus dem Gürtel. »Was bedeutet das?«, fragte Frederic.

»Sei still!« Abu Dun warf ihm einen zornigen Blick zu und hob die Hand, als wolle er ihn schlagen, ließ die Hand aber dann im letzten Moment wieder sinken. Dann wandte er sich wieder an die muslimischen Krieger und lachte roh.

»Er hat Recht«, stieß Andrej gepresst hervor.

»Sei still Frederic, ich bitte dich! Er wird es schon regeln.«

»Regeln?« Frederics Stimme wurde schrill.

»Bist du blind? Er hat uns in die Falle gelockt! Sie werden uns die Kehlen durchschneiden!«. Andrej kam nicht dazu, zu antworten, denn Frederic und er wurden ein paar Schritte weggeführt und grob zu Boden gestoßen. Andrej rechnete damit, das sie gefesselt würden, aber die Türken verzichteten darauf. Zwei von ihnen bedrohten sie jedoch mit ihren Speeren und auch etliche andere blieben mit den Waffen in der Hand in der Nähe.

»Ich hab ihm von Anfang an nicht getraut«, fauchte Frederic.

»Du wirst sehen, was du von deiner Gutgläubigkeit hast.« Andrej sagte gar nichts dazu - und er hätte sich gewünscht, das auch Frederic den Mund hielt. Das Abu Dun türkisch oder irgendeine andere morgenländische Sprache mit den schwarzäugigen Kriegern sprach, bedeutete nicht, das die Männer ihre Sprache nicht beherrschten. Während Abu Dun weiter mit dem Mann debattierte, den auch Andrej mittlerweile für den Anführer der Patrouille hielt, nutzte Andrej die Gelegenheit, die fremdländischen Krieger unauffällig etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Er mußte seine etwas vorschnell gefasste Meinung über die Männer revidieren. Es waren fast zwei Dutzend und sie waren in nicht annähernd so schlechtem Zustand, wie er zuerst geglaubt hatte. Sie waren nicht ausgemergelt, sondern einfach von kleinerem und schlankerem Wuchs, wirkten dabei aber erschreckend zäh. Ihre Kleider waren zerschlissen und an zahlreichen Stellen geflickt, doch ihre Waffen befanden sich in tadellosem Zustand. Einige von ihnen trugen frische Verbände. Andrej nahm an, das sie erst vor kurzer Zeit in einen Kampf verwickelt gewesen waren. Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Abu Dun zu ihnen zurückkehrte. Er grinste, aber Andrej hatte längst begriffen, das das bei dem Sklavenhändler ebenso gut alles wie auch nichts bedeuten konnte.

»Nun?«, fragte er.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Abu Dun.

»Macht euch keine Sorgen.«

»Um uns oder um dich?«

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Abu Dun noch einmal.

»Er glaubt mir. Die Hauptsache ist, das ihr mitspielt. Wir bleiben bei dem, was wir besprochen haben. Ihr seid meine Sklaven. Wir sind auf dem Wege zu Selics Heer, weil ich mich als Kundschafter und Dolmetscher anschließen will.«

»Und das haben sie dir geglaubt?« Frederic machte ein abfälliges Geräusch.

»Komisch, das ich dir nicht glaube.« Abu Dun ignorierte ihn.

»Aber wir haben ein Problem«, fuhr er fort.

»Die Männer sind auf dem Weg zum Heer des Sultans. Es lagert keine zwei Tagesmärsche von hier.«

»Und sie haben vorgeschlagen, das wir sie begleiten«, vermutete Andrej.

»Vorgeschlagen.« Abu Dun wackelte mit dem Kopf.

»Nun ja. So kann man es auch nennen.«

»So viel dazu, das sie dir trauen«, sagte Andrej.

»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte Abu Dun.

»Im Moment jedenfalls sind sie nicht unsere Feinde. Alles andere wird sich zeigen.«

»Wir müssen fliehen«, zischte Frederic.

»Wir müssen vor allem die Nerven behalten«, sagte Abu Dun.

»Und vorsichtig sein. Ich bin nicht sicher, ob nicht doch einer von ihnen eure Sprache versteht.«

»Aber er hat Recht«, sagte Andrej.

»Wir dürfen auf keinen Fall ...«

»Das weiß ich selbst«, unterbrach ihn Abu Dun.

»Wir werden Selics Heer frühestens in zwei Tagen erreichen. Das ist eine lange Zeit. Also tut nichts Unbedachtes. Sie glauben mir, aber das heißt nicht, das sie mir vorbehaltlos vertrauen. Wir müssen auf eine günstige Gelegenheit warten.«

»Und warum sollten wir dir trauen?«, fragte Frederic böse. Abu Dun sah ihn fast traurig an und wandte sich dann mit einem Blick an Andrej, der deutlich machte, das er eine ganz bestimmte Reaktion von ihm erwartete. Aber Andrej schwieg. So elend er sich selbst bei diesem Gedanken fühlte Frederic hatte Recht. In den Tagen, die sie zusammen unterwegs gewesen waren, hatte er fast vergessen, wer Abu Dun wirklich war: nämlich ein Pirat und Sklavenhändler und vor allem ein Muselman. Bei Selics Heer war er so gut wie bei seinen Leuten, zumindest aber in Sicherheit.

»Ich verstehe«, sagte Abu Dun nach einer Weile. Er klang ein wenig verletzt. Dann erschien wieder das gewohnte breite Grinsen auf seinem Gesicht, bei dem seine Zähne fast unnatürlich weiß blitzten. »Nun, eigentlich kann ich dich verstehen. Ich an deiner Stelle würde wohl nicht anders reagieren. Kann ich mich darauf verlassen, das wir bei dem bleiben, was wir besprochen haben? Du bist mein Diener und Leibwächter - ich mußte mir etwas einfallen lassen um zu erklären, warum du ein Schwert trägst.« Welche Wahl hatte er schon? Andrej nickte.

»Und ich?«, fragte Frederic. Abu Dun sah ihn nachdenklich an.