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»Gegen dreitausend kampferprobte Männer auf Selics Seite.« Abu Dun schüttelte den Kopf.

»Das ist Selbstmord.«

»Du solltest niemals Menschen unterschätzen, die um ihr nacktes Leben kämpfen«, sagte Vlad. Abu Dun nickte.

»Das tue ich nicht«, sagte er.

»Ich weiß, wozu sie fähig sind. Ich habe genug von ihnen getötet.« Andrej war erleichtert, das sie mittlerweile die wartenden Pferde erreicht hatten und aufstiegen. Vlad hob die Hand zum Zeichen, das sie aufbrechen sollten; eine Geste, die Andrej mehr über ihn sagte, als er vielleicht wußte. Sie kam zu selbstverständlich, zu schnell. Vlad war es gewohnt, zu befehlen. Und er war es gewohnt, das seinen Befehlen Folge geleistet wurde. Der kleine Trupp setzte sich in Bewegung. Sicher nicht durch Zufall hielten die Reiter zwar einen deutlichen Abstand zu ihnen, gruppierten sich aber zu einem lang gestreckten Oval, das sie von allen Seiten einschloss und so jeden Fluchtversuch unmöglich machte. Andrej hatte auch nicht vor, zu fliehen. Er brannte darauf, Burg Waichs - und damit Fürst Tepesch - zu sehen. Allerdings schlugen sie nicht den direkten Weg zur Burg des Drachenritters ein, sondern bewegten sich nach Osten. Sie ritten eine Weile in nordöstlicher Richtung, nicht allzu schnell, aber stetig, und kamen Burg Waichs in dieser Zeit nicht sichtbar näher, sondern bewegten sich fast parallel zu der düsteren Burg, die wie ein Bote aus einer fremden, unheimlichen Welt am Horizont aufragte. Andrej bedauerte es, Waichs nicht genauer erkennen zu können - ganz egal, wie lange es dauern würde, irgendwann würden sich Tepesch und er mit dem Schwert gegenüberstehen, und jedes Detail, das er über die Festung des Drachenritters in Erfahrung brachte, mochte über Leben oder Tod entscheiden aber zugleich war er auch beinahe erleichtert. Von Waichs schien etwas ... Düsteres auszugehen. Er konnte es nicht wirklich erfassen, aber es war da. Sie ritten einen sacht ansteigenden, aber langen Hang hinauf, und als sie seine Kuppe erreicht hatten und anhielten, lag Sultan Selics Heerlager direkt unter ihnen. Andrej stockte der Atem, als er die ungeheure Masse aus Zelten, Männern und Tieren - zum größten Teil waren es Pferde, aber Andrej erblickte zu seiner Überraschung auch etliche Kamele - unter sich sah. Sie waren noch Meilen entfernt, aber sicherlich mehr als dreitausend Mann. Er hatte noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen. Hätte man ihm in diesem Moment erzählt, das das Heer zehntausend Mann umfasste, er hätte es geglaubt. Vlad ließ ihm Zeit, das osmanische Heer zu betrachten, dann berührte er seinen Arm und deutete in die entgegengesetzte Richtung. Andrejs Blick folgte der Geste. Tepeschs Heer lagerte auf der anderen Seite der flachen Hügelkette, kaum zwei Meilen von den Türken entfernt. Es mochten sechshundert Mann sein, aber gegen das türkische Heer wirkten sie hilflos.

»Soll ich die Türken allein angreifen oder reitest du mit mir?«, fragte Andrej spöttisch. Vlad warf ihm einen warnenden Blick zu, sagte aber nichts. Abu Dun fügte hinzu:

»Gib mir Zeit, um auf die andere Seite zu gelangen. Du treibst sie vor dir her, und ich mache sie alle nieder.«

»Ein interessanter Vorschlag, Heide«, sagte eine Stimme hinter ihnen.

»Ich werde darüber nachdenken: falls mein eigener Plan fehlschlägt.« Andrej drehte sich im Sattel herum - und fuhr so heftig zusammen, das sein Pferd scheute und nervös mit den Vorderhufen zu scharren begann. Tepesch war nur wenige Schritte hinter ihnen aufgetaucht; Andrej hatte seine Stimme erkannt, noch bevor er sich herumgedreht hatte, und blickte nun auf den Drachenritter in seiner blutroten Rüstung. Auch sein Pferd war auf die bizarre Art gepanzert und sah aus wie ein Fabelwesen. Tepesch hatte zusätzlich eine kurze Lanze im Steigbügel stecken, an der eine schwarze Flagge mit einem blutroten Drachen befestigt war. Andrejs Erschrecken galt aber nicht Dracul. Es galt den beiden Rittern, die etwa zwanzig Meter hinter ihm aufgetaucht waren. Sie waren ebenso außergewöhnlich gekleidet wie Tepesch, aber nicht in Rot, sondern in blitzendes Gold gerüstet. Biehler und Körber, die Handlanger von Vater Domenicus.

»Oh ja«, sagte Tepesch spöttisch, als er Andrejs Erschrecken bemerkte.

»Fast hätte ich es vergessen. Ich habe lieben Besuch mitgebracht. Ich war sicher, du würdest sie gerne begrüßen und ein wenig mit ihnen über alte Zeiten plaudern, aber leider ist der Augenblick dazu nicht besonders günstig. Zunächst muss ich einen Krieg gewinnen.« Andrej hörte kaum hin. Er starrte die beiden goldenen Ritter an. Sie hatten ihre Helme abgenommen und vor sich auf die Sättel gelegt. Andrej war es unmöglich, den Ausdruck auf ihren Gesichtern zu deuten. Er selbst empfand nichts als Hass, blindwütigen, roten Hass, der ihn dazu bringen wollte, sich unverzüglich auf die beiden Ritter - die beiden Vampyre! - zu stürzen und ihnen das Herz aus den Leibern zu reißen!

»Ich sehe, du freust dich mindestens so sehr wie sie über das Wiedersehen«, höhnte Tepesch. Andrej reagierte noch immer nicht. Er begann am ganzen Leib zu zittern. Die Heftigkeit seiner eigenen Reaktion überraschte ihn. Er hatte diesen beiden Männern den Tod geschworen, aber er hatte nicht gewusst, wie sehr er sie hasste. Sein Zorn grenzte an Raserei.

»Ihr wollt Selic angreifen?«, fragte Abu Dun.

»Das ist im Allgemeinen der Zweck einer Armee«, antwortete Dracul spöttisch, »eine andere Armee anzugreifen.«

»Bei einem so unterschiedlichen Größenverhältnis? Das ist Wahnsinn!«

»Die Größe einer Armee bestimmt nicht immer den Ausgang der Schlacht«, antwortete Tepesch.

»Ich weiß zwar nicht, warum ich dir meine Schlachtpläne offenlegen soll, aber bitte: Selic rechnet nicht mit einem Angriff.«

»Du glaubst wirklich, er hätte deinen kleinen Aufmarsch nicht bemerkt?«

»Seine Späher waren so nahe, das ich ihren Atem riechen konnte«, antwortete Tepesch.

»Aber er denkt wie du, das wir es nicht wagen werden, ihn anzugreifen. Graf Oldesky wartet mit tausend Husaren einen Tagesritt westlich von hier, um sich mit uns zu verbünden und die Osmanen zu zerschmettern, bevor sie in Ungarn einfallen können. Selic erwartet, das wir dorthin reiten, um ihn mit vereinten Kräften schlagen. Außerdem sind die Muselmanen abergläubische Narren, die nicht bei Nacht kämpfen. Wir greifen bei Einbruch der Dunkelheit an, mit dem Vorteil der Überraschung auf unserer Seite.«.

»Und viel weniger Kriegern.«

»Ich habe Verbündete, mit denen Selic nicht rechnet.« Tepesch drehte sich wieder zu Andrej um.

»Die habe ich doch, oder?«

»Wenn ich dir sagen würde, das du dich mit dem Teufel verbündet hast - würde dich das beeindrucken?« Es fiel Andrej schwer, überhaupt zu sprechen. Sein Blick hing wie gebannt auf den Gesichtern der beiden Ritter. Er konnte nicht sagen, ob sie zornig, triumphierend oder hasserfüllt aussahen, aber sie starrten ihn ebenso konzentriert an wie er sie.

»Die Wahl liegt bei dir«, sagte Tepesch.

»Wir werden angreifen. Spätestens, wenn die Sonne untergeht. Es ist deine Entscheidung, ob sie an meiner Seite reiten oder ob du es tust.« Er griff neben sich und löste ein Schwert vom Sattel, das Andrej als sein eigenes erkannte, als er es ihm hinhielt. Er rührte keinen Finger, um danach zu greifen.

»Was hast du mit Domenicus gemacht?«, fragte er, »und ...«

»Und mit seiner entzückenden Begleitung?« Er senkte das Schwert, steckte es jedoch nicht ein, sondern legte es quer vor sich über den Sattel.

»Ihnen ist nichts geschehen, keine Sorge. Sie sind meine Gäste. Sie werden mit der gleichen Zuvorkommenheit behandelt wie dein junger Freund. Solange ich am Leben bin, heißt das. Sollte ich in der Schlacht fallen, sterben sie. Ebenso wie du und dein schwarzgesichtiger Freund.« Er hob abermals das Schwert.

»Sollten wir aber siegen ... dann wäre es keine Frage, welcher Seite meine Sympathien gehören. Überdenke deine Entscheidung also gut.«

»Geh zum Teufel«, sagte Andrej.

»Wie du willst.« Tepesch befestigte Andrejs kostbares Sarazenenschwert wieder an seinem Sattel und wandte sich mit erhobener Stimme an die Krieger: