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Ist ja ein guter Kerl, der Peter.

Aber.

Vor das Bild des guten Kerls, an den Karin dachte, schob sich das des Mannes, der fremde Strandkörbe annektierte. Peter Krahn, dem die Düsseldorfer Mädchen nachliefen, der im Geld schwamm, der keinen Buckel hatte und nicht schielte, der es niemals gewagt hätte, Karin eine Vorschrift zu machen, verlor auf der Bühne in ihrem Inneren die Partie gegen Walter Torgau, einen Mann mit einem unerträglichen Wesen für ein emanzipiertes Mädchen. War denn das überhaupt die Möglichkeit?

Nein! sagte sich Karin Fabrici.

Sie stieg vom Bett, ging ins Bad und stellte sich vor den Spiegel. Sie sah sich an, musterte sich kritisch, war im großen und ganzen mit dem, was sie sah, zufrieden und dachte: Aber gefallen hast du ihm, er nahm an dir Interesse. Gefallen hast du allen heute abend, dafür wurde ein überzeugender Beweis geliefert, ein Beweis freilich, für den er sich nicht begeistern konnte. Wäre es besser gewesen, auf diesen Nachweis zu verzichten?

«Sicher wäre es das gewesen«, hörte und sah Karin das Mädchen, das ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, sagen. Sie war erstaunt, er-schrocken, begriff dann erst, daß sie selbst diejenige war, die laut gesprochen hatte.

In Karins Innerem herrschte ein ziemliches Durcheinander. Ihre Gefühle fielen nicht gerade von einem Extrem ins andere, doch sie sprangen von einer Seite auf die andere. Sie wußte nicht mehr recht, wohin mit sich.

Mit einem Seufzer wandte sie sich vom Spiegel ab, entkleidete sich völlig — soweit man überhaupt noch von einer >Entkleidung< sprechen kann, wenn es ein Bikini ist, dessen man sich entledigt — und nahm ein Bad. Danach bürstete sie kurz ihr prachtvolles Haar. Und das war auch schon alles an Abendkosmetik, was bei Karin stattfand. Das Gesicht einzufetten, hatte sie noch nicht nötig. Überflüssig zu erwähnen, daß natürlich auch die Zähne geputzt wurden.

Ehe sie sich ins Bett legte, um zu schlafen, trat sie an das breite Fenster. Draußen im Freien war es still geworden. Leblos lag der Strand mit seinen erloschenen Lampions im Mondlicht da. Das Meer flimmerte und warf silberne Wellen an den blaß schimmernden weißen Strand. Wie Liebespaare, die versunken in ihr Glück eng umschlungen zusammensitzen, sahen die aneinandergerückten Strandkörbe aus. Einige Wimpel über den Sandburgen flatterten schwach im leichten Nachtwind. An einem Dünenhang saßen zwei Menschen und küßten sich. Nur ihre Umrisse waren zu erkennen, als sie sich zueinander beugten und sich umschlangen. Gleich einem riesigen bestickten dunklen Tuch spannte sich der nächtliche Himmel mit seinen Sternen über dem Ozean.

«Mutti«, sagte Karin leise und lehnte sich an den Rahmen der Balkontür,»ich denke an dich, Mutti. Nun hätte ich doch nichts dagegen, wenn du hier wärst. Ich hätte ein paar Fragen an dich. Sicher könntest du sie mir nicht beantworten — jedenfalls nicht richtig —, aber allein deine warme Stimme würde mir guttun. Ich bin unglücklich, Mutti, nein, das wäre zuviel gesagt. Es wäre aber auch zuviel gesagt, wenn ich behaupten würde, daß ich nicht unglücklich bin. Es ist ein Zustand dazwischen, weißt du. Ich habe einen Fehler gemacht, der mich vorläufig daran hindert, festzustellen, was ich bin: unglücklich. nicht unglücklich. oder gar glücklich? Vielleicht kann ich das noch klären. Schluß jetzt. Gute Nacht, Mutti. Und auch gute Nacht, Vati.«

Kapitel 5

Paul Fabrici liebte es von jeher, am Frühstückstisch neben den Fachblättern für Groß- und Einzelhandel und selbstverständlich der Tageszeitung auch die jeden Donnerstag neuerscheinende größte bundesdeutsche Illustrierte vorzufinden. Es hatte sich so eingebürgert, daß Fabrici das Frühstück erst beendete, wenn er alles durchgeblättert hatte, um dann in der Firma mit den soeben gesammelten Informationen, Kenntnissen und Weisheiten glänzen zu können. Jedem seiner Angestellten sollte dadurch ständig klar werden, daß er, Paul Fabrici, nicht nur der Chef mit dem meisten Geld, sondern auch mit dem größten Verstand war. Die Angestellten selbst, deren Dienst spätestens um acht Uhr morgens begann, hatten vorher keine Zeit, am Frühstückstisch groß zu lesen.

Mimmi Fabrici war gegen diese Unsitte des Lesens beim Essen jahrelang vergeblich Sturm gelaufen, hatte unentwegt darauf hingewiesen, daß Lesen beim Essen ungehörig sei, eine Beleidigung der Ehefrau, eine Nichtachtung der Tafel, eine Verletzung des primitivsten Anstands. und so weiter und so fort. Alles umsonst. Ehemann Paul hatte die Angriffe damit beantwortet, daß er seiner Gattin die Welt der Frau< abonniert und ihr diese Zeitschrift als Gegengewicht neben ihre Tasse gelegt hatte. Von diesem Tage an hatte Mimmi Fa-brici es aufgegeben, Paul in der Ehe zu erziehen, und sie tat nun das, was Gattinnen aller Art nur herzlich ungern tun: ihren Mann in Ruhe zu lassen.

Heute nun saß Paul Fabrici wieder am Kaffeetisch und blätterte in der soeben erschienenen Illustrierten. Er hatte gut geschlafen. Im Geschäft kündigte sich in diesem Monat ein Rekordumsatz an. Paul befand sich dadurch in bester Stimmung. Dies war schon zum Ausdruck gekommen, ehe er Platz nahm, indem er Mimmi in den Hintern gekniffen hatte. Mimmi pflegte solches Tun ihres Gatten mit eisigem Schweigen zu quittieren, da sie es als das Ordinärste schlechthin betrachtete. Dazu kam auch noch das laute Schlürfen Pauls am Kaffeetisch, und daß er, wenn er den Brötchen zu Leibe rückte, mit vollem Mund sprach. Mimmi Fabrici hatte es wirklich nicht leicht.

«Das Pandabärenpaar im Londoner Zoo«, sagte Paul, mit dem Kopf in der Illustrierten,»spannt die Engländer immer noch auf die Folter.«

Mimmi schwieg, sie konnte den Gedanken an ihr beleidigtes Gesäß noch nicht verdrängen.

«Fachleute glauben, er habe keine Lust«, fuhr Paul fort.»Andere meinen, sie könne ihn nicht genug reizen.«

Mimmi blieb still.

«Was denkst du davon?«fragte Paul sie direkt.

Als ihm keine Antwort zuteil wurde, kam sein Kopf zum Vorschein, da er die Illustrierte herunterklappte.

«Ich habe Sie etwas gefragt, Frau Fabrici.«

Mimmi seufzte.

«Was?«

«Sie haben mir wieder einmal nicht zugehört, Frau Fabrici.«

Wenn Paul ihr so kam, fühlte sich Mimmi ganz besonders strapaziert. Diese Form seiner Ironie betrachtete sie als Gipfelpunkt der Blödheit, aber gerade deshalb bediente sich Paul dieser nicht ungern, weil er wußte, daß Mimmi darunter litt. Die beiden führten also eine recht normale Ehe.

«Ich war in Gedanken, Paul. Du wirst nichts dagegen haben.«

«Das bist du immer. Und ich habe etwas dagegen.«

«Ich dachte an unsere Tochter.«

«An Karin?«

Diese Gelegenheit, ihm seine Ironie ein bißchen heimzuzahlen, ließ sie sich nicht entgehen.

«Ja«, antwortete sie.»Oder wüßtest du noch von weiteren Töchtern unseres Blutes?«

Paul biß in ein Brötchen, kaute, sagte dabei:»Mit dem Wetter scheint sie Glück zu haben.«

«Woher willst du das wissen?«»Vom amtlichen Wetterbericht. Den läßt du dir wohl auch entgehen?«

Mit skeptischer Miene entgegnete Mimmi:»Ein Brief von Karin erschiene mir zuverlässiger, aber sie schreibt ja nicht.«

«Sie ist doch noch kaum weg.«

Obwohl Paul Fabrici dies sagte, war er trotzdem insgeheim auch der Meinung, daß Karin schon etwas von sich hätte hören lassen können.

Er kehrte zu seiner Illustrierten und den Pandabären zurück. Mim-mi konnte dem Thema nicht länger ausweichen. Dumpf drang hinter dem papierenen Vorhang zwischen ihr und Paul dessen Stimme hervor. Die Engländer seien, erfuhr Mimmi, ein verrücktes Volk. Eine Zeitung habe schon von der Hochzeit des Jahres< im Londoner Zoo geschrieben. Die Geduld der Nation werde aber auf eine harte Probe gestellt.