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«Sie melden mich nicht an!«erklärte Paul Fabrici so scharf, daß der Portier seine Hand, die er schon nach dem Hörer ausgestreckt hatte, automatisch wieder zurückzog, wobei er allerdings milden Protest einlegte, indem er sagte:»Aber das ist meine Aufgabe, Herr Fa-brici.«

«Ihre Aufgabe ist es, mir die Zimmernummer meiner Tochter zu sagen.«

Der Hotelbedienstete fügte sich.

«Neunundvierzig.«

Paul Fabrici mußte sich dann sogar dazu überwinden, bei Karin anzuklopfen und nicht einfach ins Zimmer zu stürmen. Als er mit dem Fingerknöchel an die Tür pochte, sagte drinnen Karin gerade:»Dein Besuch war für mich sehr aufschlußreich, Pe…«

«Herein!«unterbrach sie sich.

Über die Schwelle trat ihr Vater mit einem grimmigen:»Störe ich?«

«Vati!«rief Karin.

«Wenn ich euch störe«, bellte Paul Fabrici, der anscheinend damit gerechnet hatte, die beiden im Bett vorzufinden,»müßt ihr es mir sagen.«

«Vati, du?«bemühte Karin sich weiter, ihre Nummer abzuziehen.

«Überrascht dich das?«

«Natürlich, ich hatte ja keine Ahnung.«

«So, hattest du nicht?«Er wandte sich Peter Krahn zu.»Und du? Hattest du auch keine?«

Der junge Mann hatte sich erhoben, um seinen väterlichen Freund zu begrüßen. Dessen Ton klang aber gar nicht väterlich. Dadurch verwirrt, erwiderte Peter:»Ich… ich weiß nicht.«

«So, du weißt nicht?«

«Nein.«

«Aber du weißt sicher noch, was ich von dir erwartet habe, als ich dich hierherschickte?«

«Doch«, stieß Peter gepeinigt hervor.

«Und?«knurrte Fabrici ebenso kurz.

«Das. das war nicht so einfach.«

Karin griff ein.

«Peter«, sagte sie ruhig,»du stehst hier nicht vor Gericht. Deine Situation ist die eines Mannes, der sich nichts vorzuwerfen hat. Mein Vater kann jede Frage, die er an dich hat, auch mir stellen, und ich werde sie ihm beantworten. Deshalb würde ich an deiner Stelle jetzt gehen und alles Weitere mir überlassen. Ich danke dir für deinen Besuch.«

Draußen auf dem Korridor war Peter Krahn heilfroh und pries Karin innerlich für die Art, ihn so elegant und rasch und reibungslos vor die Tür gesetzt zu haben. Er wartete gar nicht auf den Lift, sondern lief erleichtert die Treppe hinunter.

Paul Fabrici stand Karin gegenüber.

«Wenn ich das richtig sehe«, sagte er erbittert,»hast du mich daran gehindert, mit dem ein Hühnchen zu rupfen.«

«Ja.«

«Wie kommst du dazu? Ich bin dein Vater!«»Rupfe dieses Hühnchen mit mir. Ich bin die richtige Adresse.«

«Ich habe dem gesagt«, brach es aus Paul Fabrici heraus,»daß er sich dich hier schnappen und in den Zug nach Düsseldorf verfrachten soll. Statt dessen ließ er den Betrieb mit dir hier weiterschleifen, statt dessen traf ich ihn nun in deinem Zimmer an und.«

«Und?«

«Und statt dessen dachte er sich wohl«, fuhr Fabrici fort, sich das, was er eigentlich hatte sagen wollen, verkneifend,»machen wir uns erst noch ein paar schöne Tage; der in Düsseldorf kann warten; wie sich das alles entwickelt, erfährt der früh genug.«

Beherrscht erklärte Karin:»So war das nicht.«

«Dann gibt's nur noch eine zweite Möglichkeit, die ich sowieso von Anfang an als die wahrscheinliche angesehen habe.«

«Welche?«

«Daß er sich als Schlappschwanz entpuppt hat, der bei dir nicht durchdringen konnte.«

Bejahend nickte Karin und meinte:»Das kommt der Sache schon näher. Den >Schlappschwanz< kannst du allerdings streichen.«

«Was hat er dir denn überhaupt gesagt?«

«Alles.«

«Und er stieß auf deine Ablehnung?«

«Absolut.«

«Dann möchte ich wissen, was du eigentlich gegen ihn hast?«

«Du meinst, was ich dagegen habe, ihn zu heiraten?«

«Ja.«

«Ganz einfach, ich liebe ihn nicht.«

Paul Fabrici, der sich überhaupt noch nicht hingesetzt hatte, sondern zwischen Tür und Fenster hin und her geschritten war, ließ sich in einen Sessel fallen. Er zündete sich eine seiner Zigarren an, an die er gewöhnt war. Das Streichholz auswedelnd, sagte er:»Und was hattest du dagegen, mit ihm wenigstens nach Hause zu fahren?«

«Diese Frage«, antwortete Karin mit einem kurzen Lächeln,»stellte sich nicht.«

«Warum nicht?«»Er will sich, scheint mir, mit der Rückfahrt Zeit lassen. Den Grund kenne ich nicht.«

«Wie ich sage!«bellte Paul Fabrici.»Verlaß ist auf den keiner. Ich sehe ihn schon richtig.«

Eine kleine Pause entstand, in der sich Paul Mühe gab, das Zimmer tüchtig einzuräuchern.

Schließlich fragte Karin:»Wie geht's Mutti?«

«Das weißt du doch.«

«Was ich weiß, ist, daß es ihr gutging, als ich von Düsseldorf abfuhr.«

«Und angerufen hat sie dich in der Zwischenzeit nicht?«

«Wie kommst du darauf?«

«Oder hat sie dich doch angerufen?«

Die Blicke der beiden kreuzten sich.

«Also gut«, seufzte Karin,»sie hat.«

«Um mich dir anzukündigen?«

«Ja.«

«Dann weißt du, weshalb ich hier bin?«

«Ja.«

Die Pause, die nun eintrat, dauerte länger. In Paul Fabrici sammelte sich der Sturm an, dessen Ausbruch unvermeidlich schien. Seine Augen wurden schmal. Seine Backenzähne mahlten. Die Knöchel der Hand, in der er keine Zigarre hielt, waren weiß. Die Finger kneteten einen Gegenstand, der nicht vorhanden war.

«Hör zu, Karin«, begann er.»Du kannst nicht sagen, daß ich dir nicht deine Freiheit gelassen hätte. Im Gegenteil, das habe ich in viel zu großem Ausmaße getan. Oftmals war das falsch. Falsch war es z.B. daß ich dich allein hierherfahren ließ. Hätte ich dir das verwehrt, wäre es hier mit dir nicht zu dem ganzen Scheißdreck gekommen…«

Offenbar regte der ordinäre Ausdruck ihn selbst so sehr auf, daß die Explosion erfolgte. Der Ausdruck glich der Lunte fürs Pulverfaß.

«Aber so«, fing er an zu schreien, mit der freien Faust auf die Armlehne seines Polstersessels hauend,»so hast du dich und uns zum allgemeinen Gespött gemacht. Deine Mutter ja weniger, die denkt darüber anders — aber mich! Mich und dich selbst. Dich mit deinem unsäglichen Krönchen auf dem Haupt und deinem blöden Filmlächeln im Gesicht. Das hat, sage ich dir, ausgesehen. ausgesehen hat das wie… ich kann dir nicht sagen, wie das ausgesehen hat. Unmöglich jedenfalls.«

Er holte Atem.

«Deshalb ist damit jetzt Schluß. Das Stück hier ist zu Ende. Das Stück mit meiner Tochter. Die anderen können machen, was sie wollen, das ist mir egal, aber du, du kommst mit mir nach Hause, und zwar sofort.«

Abermaliges Atemholen. Und ehe Karin etwas sagen konnte, ging's weiter.

«Schweig! Widersprich mir nicht! Widersetz dich mir nicht, oder ich weiß nicht, was passiert. In mir sieht's aus, Karin, das kannst du dir nicht vorstellen.«

«Doch.«

«Nein!«

«Doch. Mutti hat's mir gesagt.«

«Ach die!«Pauls wegwerfende Geste brachte kaum mehr zu steigernde Geringschätzung zum Ausdruck, aber er sagte dennoch:»Dann weißt du also von ihr, daß du mich nicht zum Äußersten treiben darfst?«

«Ja.«

«Wie ich dich jedoch kenne, bist du trotzdem entschlossen, das zu tun?«

«Nein«, sagte Karin ruhig.

Verblüfft schwieg ihr Vater. Erstaunen zeigte sich in seinem Gesicht, wachsendes Erstaunen.

«Habe ich recht gehört?«fragte er dann.

«Ja«, nickte Karin.

«Du widersetzt dich nicht?«»Nein.«

Es war paradox, daß er ihr immer noch nicht glauben zu wollen schien.

«Du kommst mit mir nach Hause?«

«Ja.«

«Wann?«

«Mit dem nächsten Schiff.«

Eine herzergreifende Szene spielte sich ab. Ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher entledigte sich seiner Havanna, die kaum angeraucht war, indem er sie im Bad in die Kloschüssel warf. Der Aschenbecher wäre für sie zu klein gewesen. Dann nahm Paul Fabrici seine Tochter in die Arme. Karin legte ihren Kopf an die breite Brust, die sich ihr zur Stütze darbot. Die Augen wurden ihr naß. Fabrici bemerkte das und hielt es für Tränen einer Tochter, die ihren Vater wiedergefunden hatte. Aber das waren sie nicht.