Diesen Part konnte Mimmi übernehmen, wenigstens in groben Zügen. Sie fand jedoch, daß dabei die Kinder, wie sie im Geiste Karin und Walter schon nannte, nur stören würden, und sorgte deshalb für ihre Entfernung.
«Karin«, sagte sie,»ich irre mich bestimmt nicht, wenn ich annehme, daß sich Herr Doktor Torgau ganz gern unseren Garten ansehen würde. Möchtest du ihn ihm nicht zeigen?«
«Wenn du meinst, Mutti«, sagte Karin und strahlte Mimmi dankbar an.
«Was soll der Quatsch?«fauchte hingegen Paul Fabrici seine Gattin an, nachdem die beiden Jungen verschwunden waren.
Mimmi wußte, daß das, was jetzt bevorstand, keine leichte Geburt war. Sie stellte das Puddingschüsselchen, das sie immer noch in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch und setzte sich. Dann sagte sie, zur Tür zeigend:»Das ist er, Paul.«
«Was ist er?«
«Derjenige, Paul.«
«Welcher derjenige?«
«Du weißt schon.«
«Nichts weiß ich, verdammich! Sprichst du von Doktor«- er blickte den Präsidenten an —»wie heißt er?«
«Torgau.«
«Ja«, nickte Mimmi,»von dem spreche ich.«
Paul war geneigt, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, unterließ es aber dann doch.
«Von dem weiß ich nur«, polterte er,»daß er der neue Syndikus der Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf ist.«
«Und«, ergänzte Mimmi mit Betonung,»dein zukünftiger Schwiegersohn, wenn's nach Karin geht.«
«Mach mich nicht verrückt!«fing Paul zu schreien an.
Auch Präsident Bock blickte nicht mehr durch und ließ dies erkennen, indem er sagte:»Wenn Sie erlauben, meine Liebe, schließe ich mich der Forderung Ihres Gatten an.«
Mimmi spannte die beiden nicht mehr länger auf die Folter und berichtete, was sich in Karins Zimmer zugetragen hatte. Nach Frauenart schilderte sie alles sehr breit, so daß z.B. auch nicht unerwähnt blieb, wie sie sich um den Teppich verdient gemacht hatte.
Paul Fabrici war sprachlos. Er unterbrach Mimmis Bericht nicht ein einziges Mal. Als erster äußerte sich der Präsident. Er brachte einen Verdacht vor. Und zwar müsse er das so sehen, sagte er anklagend, daß hinter der ganzen Bewerbung des Mannes um eine Stellung in Düsseldorf nicht nur der Wunsch nach einem Job allein gesteckt habe.
«Hoffentlich«, war Mimmi zu vernehmen.
Bock widersprach:»Nein, meine Liebe, das wirft nämlich nicht das beste Licht auf die Arbeitsmoral eines solchen Angestellten.«
«Finde ich auch«, knurrte Paul Fabrici.
«Für unsereinen«, bekräftigte Bock,»hat es so etwas im ganzen Leben nicht gegeben — oder, Paul?«
«Du hast recht, Willem.«
Mimmi richtete sich auf, um ihren Mann auf die Hörner zu nehmen. Dies war nämlich jetzt eine Minute, in der sie sich von ihm um keinen Preis einschüchtern lassen wollte. Das Glück ihrer Tochter stand auf dem Spiel. Was Bock sagte, war ihr egal — aber nicht das, was Paul von sich gab. Sie funkelte ihn an.
«Nur so zu, Paul«, sagte sie.»Das ergibt die richtige Basis für den Start deines Nachfolgers in deiner Firma.«
Paul blickte sie an wie eine Geistesschwache.
«Meines was?«stieß er hervor.
«Deines Nachfolgers.«
«Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«
«Doch, ich schon, aber dir fehlen offenbar ein paar.«
Fassungslos schwieg er. War das noch seine Frau? Sein Schatten? Seine Sklavin?
«Dir fehlen sogar alle, scheint es«, fuhr Mimmi fort.»Wer erbt denn einmal deinen ganzen Kram?«
«Karin natürlich?«
«Und wer führt die Firma? Etwa auch sie?«
«Das kann sie nicht.«
«Eben. Wer also? Dein Schwiegersohn. Oder nicht?«
Paul schwieg, er blickte herum, als suche er nach einer Zigarre.
«Seit Jahren habe ich ja auch nichts anderes aus deinem Mund gehört«, fuhr Mimmi fort, ihm die Leviten zu lesen.»Weshalb bist du denn auf den Krahn verfallen. auf dieses Würstchen. weshalb denn?«
Sie wartete auf eine Antwort, aber Pauls Lippen blieben geschlossen.
«Weshalb wolltest du Karin denn in eine Kaufmannslehre stecken, obwohl du weißt, daß das, wie du selbst sagst, keine Lösung ist, sondern höchstens eine Notlösung?«Mimmi winkte mit der Hand.»Alles Quatsch! Die einzige Lösung ist die mit einem richtigen Schwiegersohn, und damit klappt's jetzt.«
Paul fand die Sprache wieder.
«Mit einem Schreibtischhengst«, stieß er verächtlich hervor.
Mimmi ließ sich nicht beirren.
«Mit einem hochgebildeten Menschen, Paul, der sich das, was er zur Führung eines Geschäfts braucht, ganz leicht aneignen wird. Im übrigen — «
Paul wollte das nicht gelten lassen.
«So leicht ist das nicht! Was sagst du, Willem?«
«Im übrigen«, ließ sich Mimmi nicht unterbrechen,»hast du keinen anderen Weg als den, Herrn Doktor Torgau zu akzeptieren, Paul.«
«Wieso, möchte ich wissen.«
«Es sei denn, du willst unsere Tochter aus dem Haus treiben.«
«Aber. «Nun unterbrach sich Paul selbst.»Nein, das möchte ich natürlich nicht.«
«Na also«, sagte Mimmi. Zum erstenmal lächelte sie wieder.
Paul, an eheliche Niederlagen nicht gewöhnt, hatte das Bedürfnis, irgendwie noch einmal aufzutrumpfen.
«Aber eines sage ich dir: Die geht mir vom ersten Tage an auch mit rein ins Geschäft, damit beide lernen. Sich an der Universität rumspielen, das kann sie vergessen.«
«Dafür bin ich auch«, lächelte Mimmi.
«Und das Reitpferd bleibt in München. Bin ich froh, daß sich der Transport verzögert hat. Der Kauf wird morgen früh von mir rückgängig gemacht.«
Auch dazu nickte Mimmi lächelnd.
«Welches Reitpferd?«fragte Willibald Bock.
«Kümmere du dich um einen neuen Syndikus«, fuhr ihm Paul, dessen Bedürfnis, aufzutrumpfen, noch nicht ganz gestillt war, über den Mund.
Mimmi nahm das Puddingschüsselchen vom Tisch und erhob sich.
«Wo willst du hin?«fragte Paul sie.
«In die Küche. Karin wird, wenn wir sie zu Gesicht bekommen, ihren Appetit wiedergewonnen haben, schätze ich.«
Kapitel 15
Die Besichtigung des Gartens, die von Mimmi vorgeschlagen worden war, fiel ins Wasser. Karin und Walter hatten andere Interessen. Der Garten diente den beiden lediglich zur Deckung. Zwischen Zier-büschen gab es da eine verborgene Bank, die von der ortskundigen Karin zielstrebig angesteuert worden war. Nachdem die beiden sich gesetzt hatten, begann ein bühnenreifer Dialog.
«Mein Herr«, sagte Karin,»ich bin überrascht, Sie in unserem Haus zu sehen.«
«Meine Dame«, antwortete Walter,»ich muß gestehen, daß es meine Absicht war, diese Überraschung herbeizuführen.«
«Wie kommen Sie nach Düsseldorf?«
«Mein Herz zog mich her.«
«Hörten Sie das Rufen meines Herzens?«
«Ich erträumte es mir.«»Aber um zu wissen, wohin Sie sich zu wenden hatten, bedurften Sie der Führung eines sogenannten guten Geistes?«
«Den hatte ich — ohne sein Wissen — gefunden.«
«Wer war es?«
«Ein junger Mensch namens Peter Krahn.«
«Peter Krahn? Wußten Sie, daß er mich heiraten wollte?«
«Ja.«
«Und?«
«Ich hätte ihn erschossen.«
«So sehr lieben Sie mich?«
«So sehr.«
«Sie wären aber ins Gefängnis gekommen.«
«Leider.«
«Dann wäre ich Ihnen gefolgt.«
«So sehr lieben Sie mich?«
«So sehr.«
«Wo haben Sie sich in letzter Zeit aufgehalten? Bei einem Mann?«
«Nein, bei meiner Großmutter.«
«Ich hatte Sie aus meinem Blickfeld verloren und war schon ganz verzweifelt.«