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Sein Blick wurde etwas herablassend.

«Mein liebes Fräulein«, sagte er dann,»es gibt in der Literatur eine Art von Blödsinn, eine gewisse Form, verstehen Sie, die ist unübertrefflich geistreich, die hat etwas an sich, das den ihr innewohnenden Witz konkurrenzlos macht. Man muß natürlich eine Antenne dafür haben.«

«Und die habe ich nicht, wollen Sie sagen?«

Wenn er mir jetzt nicht sofort widerspricht, dachte sie, dann kann er aber was erleben! Dann mache ich ihm wirklich die Hölle heiß!

«Es scheint so«, meinte er.

Und prompt wurden Karins Lippen, die normalerweise so hübsch und voll waren, schmal.

«Wissen Sie, was Sie sind?«

«Was?«»Ein Snob. Sie bilden sich eine Menge auf etwas ein, das Sie anscheinend nicht in die Lage versetzt, sich einen anständigen Bademantel zu kaufen.«

Der Hieb saß.

Karins Kontrahent blickte auf das edle Stück in seiner Hand, das er so sehr liebte, von dem er sich einfach noch nicht hatte trennen können, obwohl er wußte, daß es dazu längst Zeit gewesen wäre. Meistens wachsen solche Beziehungen zwischen Männern und alten, verschwitzten Hüten, aber es gibt eben auch andere Fälle.

«Und wissen Sie, was Sie sind?«fragte der Unbekannte Karin.

Das war nicht schwer zu erraten.

«Eine dumme Gans, denken Sie, nicht?«ereiferte sie sich.»Aber hüten Sie sich, mir das ins Gesicht zu sagen. Ich lasse mich von Ihnen nicht beleidigen. Mir genügt das, was Sie sich bis jetzt schon mir gegenüber geleistet haben. Ich werde mich über Sie beschweren, verstehen Sie?«

«So, werden Sie das?«

«Ja, darauf können Sie sich verlassen.«

«Dazu brauchen Sie aber meinen Namen.«

Karin stutzte.

«Richtig«, erkannte sie.»Und daß Sie mir den verraten werden, erhoffe ich wohl vergebens?«

«Nein«, entgegnete er zu ihrer Überraschung.»Ich heiße Walter Torgau. - Torgau… wie die Stadt in Sachsen.«

Das hatte Karin wirklich nicht erwartet. Sie wußte deshalb nicht gleich, was sie sagen sollte.

Karin Fabrici war ein sehr temperamentvolles Mädchen, ja vielleicht sogar eine kleine Cholerikerin. Das hatte sie von ihrem Vater geerbt. Doch so jäh ihr Zorn aufflammen konnte, so rasch fiel er meistens auch wieder in sich zusammen. Außerdem schien dieser Mensch hier ja auch eine oder zwei gute Seiten zu haben — die Art, wie er sich z.B. da soeben vorgestellt hatte, ohne daß er dem geringsten Zwang dazu unterworfen gewesen wäre, verdiente doch eine gewisse Anerkennung.

«Wenn Sie jetzt gehen«, sagte Karin,»ist der Fall für mich erledigt, Herr Torgau. Ich will unseren Zusammenstoß vergessen. «Sie zwang sich sogar zu einem kleinen Lächeln.»Ich wüßte ja auch gar nicht, wo ich mich beschweren sollte. Bei wem? Ich will gar nicht danach suchen.«

Statt sich dankbar zu zeigen, erwiderte Torgau mit deutlicher Ironie:»Bei wem Sie sich beschweren sollten? Am besten gleich beim Kurdirektor persönlich.«

Kein Wunder, daß es in Karin schon wieder zu gären begann.

«Ist das Ihr Ernst?«fragte sie.

«Mein voller! Und bestellen Sie dem guten Onkel Eberhard schöne Grüße von Schlupp.«

Karin starrte ihn mit leicht geöffnetem Mund an und war einen Moment lang sprachlos. Als sie sich wieder gefaßt hatte, sagte sie erkennend:»Daher Ihr Benehmen.«

«Onkel Eberhard wird mich trotz meiner Verwandtschaft mit ihm zum Rapport bestellen.«

Weibliche Neugierde verhakt sich oft an Nebensächlichem.

«Wieso Schlupp?«fragte Karin.»Was heißt das?«

«Schlupp ist ein Überbleibsel aus meiner seligen Kindheit. Als man es noch wagen durfte, mich nackt auf einem Eisbärfell zu fotografieren, nannte man mich Schlupp. Warum — das weiß heute keiner mehr.«

«Genau wie bei mir«, entfuhr es Karin.

«Ja?«

«Mir blieb in der ganzen Verwandtschaft lange die Bezeichnung >Wepse<. Niemand konnte sagen wieso.«

«Vielleicht war damit >Wespe< gemeint.«

«Wespe? Das Stacheltier?«

«Könnte doch sein«, grinste er.

«Nicht sehr schmeichelhaft für mich.«

Aber zutreffend, dachte er und fragte sie:»Verstehen Sie Bayrisch?«

«Nein, wieso?«

«Die Altbayern sagen >Weps< zur Wespe. Sie drehen also die zwei Konsonanten in der Mitte des Wortes um. Außerdem verändern sie auch das Geschlecht. Sie sagen Der Weps< und nicht Die Wespe<.«

Karin staunte. Sie dachte auch wieder an Morgenstern und fragte:»Woher wissen Sie das alles? Sind Sie Philologe?«

«Nein.«

«Bibliothekar?«

«Auch nicht.«

«Oder etwas Ähnliches?«

Er schüttelte noch einmal verneinend den Kopf, entschloß sich plötzlich, in seinen alten Bademantel zu schlüpfen, und sah dann, angetan mit dem zerfransten Stück, an sich herunter, wobei er sagte:»Und nun möchte ich Ihnen diesen Anblick nicht mehr länger zumuten. Schönen Dank für die Zeit, die Sie mir hier Quartier gewährt haben.«

Karin blickte ihm nach. Das wäre aber jetzt auch nicht notwendig gewesen, dachte sie. Wir hätten uns doch irgendwie einigen können. Er mit der Nase in seinem Buch, ich mit dem Gesicht in der Sonne, die Augen geschlossen, beide einander keine Beachtung schenkend — warum hätte das nicht gehen sollen?

Karin betrachtete ihren Korb, trat näher an diesen heran. Er wirkte so leer. Dem wäre aber abzuhelfen gewesen dadurch, daß sie sich in ihn hineingesetzt hätte. Indes, dazu verspürte sie plötzlich nicht mehr die richtige Lust.

Erstens brauche ich etwas, sagte sie sich, zum Lesen. Und zweitens will ich braun werden; das kann ich aber nur im Badeanzug und nicht im Strandkleid. Wozu habe ich denn meinen neuen Bikini? Du liebe Zeit, fiel ihr ein, der liegt ja noch im Hotel.

So kam es, daß Karin Fabrici verhältnismäßig bald wieder am Hauptstrand auftauchte, wo die Arbeiten, die dort verrichtet wurden, rasch ihren Fortschritt genommen hatten und noch nahmen. Karin hatte es nicht eilig; ihr Bikini, den sie holen wollte, lief ihr nicht davon. Sie blieb stehen, um ein bißchen zuzugucken. Gerade wurde über den breiten Laufsteg, der die beiden Podien verband, ein blutroter Teppich gelegt, und an den Podien selbst stellten Arbeiter große, in grünen Holzkisten gepflanzte Palmen im Halbkreis herum. Ein Mann in einem weißen Fresko-Anzug dirigierte die Schar der Tätigen und reagierte sofort, als er Karins Interesse bemerkte, indem er sich galant vor ihr verneigte und lächelnd fragte:»Gnädigste werden sich heute abend auch zur Wahl stellen?«

«Zur Wahl?«Karin schüttelte den Kopf.»Welche Wahl denn?«

«Das wissen Sie nicht? Sie sind wohl heute erst angekommen?«

«Ja.«

«Daher also. Die Insel wählt heute abend unter Beteiligung aller Gäste seine Königin. Die schönsten der jungen Damen werden sich um den Titel der >Miß Nickeroog< des laufenden Jahres bewerben. Der Preis: >24 Stunden lang Leben eines Filmstars<. Die NNDF — Neue Norddeutsche Film AG — hat sich dazu zur Verfügung gestellt. Für die Gewinnerin der Wahl wird das eine einmalige Chance sein. Versteht sie es, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, und hat sie das nötige Talent, kann sie für immer beim Film landen. Ist das nichts, meine Gnädigste?«

«Doch, doch«, lachte Karin.

«Ich bin der Veranstalter dieser Schönheitskonkurrenz. «Abermalige Verneigung.»Wenn Sie gestatten: Johannes M. Markwart.«

«Freut mich«, sagte Karin, unterließ es aber, sich selbst auch vorzustellen.

Johannes M. Markwart war es gewohnt, seinen Job oft mit Privatem zu verbinden.

«Gnädigste«, meinte er mit gedämpfter Stimme,»ich hätte Sie zur Teilnahme an der Wahl gar nicht animieren dürfen.«

«Warum nicht?«

«Weil ich selbst den Ruin meiner Veranstaltung damit sichergestellt habe. Sie wird keine Konkurrenz mehr sein.«