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»Wo?«, erkundigte sich Daniel neugierig, während er ihr durch den Gang in die Küche folgte, in der alles vor Sauberkeit blitzte. Zwar hatte Mrs Waterman sie in einwandfreiem Zustand hinterlassen, aber nicht das Geringste für das Frühstück vorbereitet. Sie hatte nicht einmal den Herd ausgeräumt oder gar Feuer gemacht. Er war gerade noch handwarm, und so würde es eine ganze Weile dauern, bis die nötigen Handgriffe erledigt waren, um ihn für ein warmes Frühstück heiß genug zu bekommen – auf jeden Fall so lange, dass die Zeit dafür nicht gereicht hätte, bevor die Kinder in die Schule mussten. Selbst für die Zubereitung von Tee und das Rösten von Toast wurde der Herd gebraucht.

Nur mit Mühe unterdrückte Charlotte den in ihr aufsteigenden Zorn. Wenn sie einen Wunsch frei gehabt hätte, außer dem, dass Pitt wieder zu Hause wäre, hätte sie sich Gracie zurückgewünscht. Allein schon deren Munterkeit, Offenheit und Entschlossenheit, sich durch nichts und niemanden unterkriegen zu lassen, würde alles leichter machen.

Aber sie war nun einmal nicht da, und Charlotte freute sich für Gracie, dass sich für diese endlich der Traum von einem eigenen Zuhause erfüllt hatte.

»Es tut mir leid«, sagte sie zu Daniel und Jemima, »aber auf etwas Warmes werden wir alle bis heute Abend warten müssen. Heute Morgen gibt es nur Brot mit Konfitüre und ein Glas Milch.« Ohne auf eine Antwort der beiden zu warten, ging sie in die Speisekammer, um Milch, Butter und Konfitüre zu holen. Dabei versuchte sie sich zurechtzulegen, mit welchen Worten sie ihnen mitteilen wollte, dass sie sie für eine Weile verlassen und nach Irland gehen musste. Allerdings hing das davon ab, dass sie jemanden fand, auf den in jeder Hinsicht Verlass war. Wo aber sollte sie in einem halben Tag einen solchen Menschen finden? Sie würde gründlich überlegen müssen. Im allerschlimmsten Fall konnte sie die Kinder zu Emily bringen und deren Dienstboten bitten, sich um sie zu kümmern, bis sie selbst aus Irland oder Pitt aus Frankreich zurückkam – oder Emily aus Paris.

Sie kehrte mit Milch, Butter und Konfitüre zurück und stellte alles auf den Tisch. Während Jemima die Messer und die Konfitürelöffel auflegte, stellte Daniel für jeden ein Glas hin. Mit einem Mal spürte Charlotte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde lang erwägen können, die beiden in der Obhut der alles missbilligenden Mrs Waterman zurückzulassen? Warum nur musste Emily ausgerechnet jetzt fort sein, wo sie sie so dringend brauchte?

Sie ging an die Brottrommel, öffnete sie, nahm den Laib heraus und legte ihn zusammen mit dem Brotmesser auf das Schneidebrett.

»Danke«, sagte sie, als das letzte Glas auf dem Tisch stand. »Ich weiß, dass es ein bisschen früh ist, aber wir sollten gleich anfangen. Ich hätte eher aufstehen und Feuer im Herd machen müssen, denn ich habe ja gewusst, dass Mrs Waterman fortgeht. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Es tut mir leid.« Sie schnitt drei Scheiben Brot ab, jeder nahm eine, bestrich sie mit Butter und wählte seine Lieblingskonfitüre: Jemima

»Warum ist sie denn gegangen, Mama?«, fragte Daniel.

Dies eine Mal unterließ Charlotte es, ihn zu ermahnen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Seine Frage verdiente zwar eine aufrichtige Antwort – aber wie viel würde er verstehen? Er sah sie aufmerksam mit seinen grauen Augen an, die genau wie die seines Vaters waren. Jemima wartete ebenfalls, das Brot halb zum Mund geführt. Vielleicht war die reine Wahrheit, knapp und furchtlos erzählt, die einzige Möglichkeit, um später nicht lügen zu müssen. Wenn sie je merkten, dass ihnen ihre Mutter die Unwahrheit gesagt hatte, wäre ihr Vertrauen wohl selbst dann dahin, wenn sie die Gründe dafür verstanden.

»Weil er wollte, dass wir uns keine Sorgen darüber machten, dass euer Vater nicht nach Hause kam, war Mr Narraway neulich abends hier, um mir zu sagen, dass euer Vater nach Frankreich musste, ohne uns das vorher mitteilen zu können.«

»Das hast du uns doch schon gesagt«, fiel ihr Jemima ins Wort. »Aber warum ist Mrs Waterman gegangen?«

»Mr Narraway war gestern Abend noch einmal hier, und zwar ziemlich spät. Er ist eine Weile geblieben, weil man ihm übel mitgespielt hat. Man hat ihm die Schuld für etwas gegeben, was er nicht getan hat, und jetzt ist er nicht mehr der Vorgesetzte eures Vaters. Weil das ziemlich wichtig ist, hat er es mir gesagt.«

Jemima zog die Stirn kraus. »Das verstehe ich nicht. Was hat das mit Mrs Waterman zu tun? Ist sie gegangen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können?«

»Natürlich nicht deshalb«, sagte Charlotte rasch, obwohl das möglicherweise für die Zukunft nicht mehr unbedingt

»Warum nicht?« Daniel legte das Brot aus der Hand und sah zu ihr her. »Hätte er es dir nicht sagen sollen? Und woher wusste sie das überhaupt? Ist sie auch bei der Polizei?«

Pitt hatte es für richtig gehalten, seinen Kindern nicht zu erklären, worin der Unterschied zwischen der Polizei und dem Sicherheitsdienst bestand. Während Erstere Verbrechen aufdeckte, hatte man Letzteren ins Leben gerufen, um Gewalttaten, Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und Fälle von Hochverrat zu bekämpfen. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Daniel das nun darzulegen.

»Nein«, sagte sie. »Damit hat sie nicht das Geringste zu tun. Sie war der Ansicht, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit keinen fremden Mann hätte ins Haus lassen dürfen, während euer Vater nicht da ist. Sie hat gesagt, das gehöre sich nicht und sie könne nicht in einem Haus bleiben, wo sich die Hausherrin nicht jederzeit tadelfrei aufführt. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass es sich um einen Notfall handelte, aber sie hat mir nicht geglaubt.« Wäre Charlotte nicht mit noch dringenderen Problemen beschäftigt gewesen, hätte das nach wie vor an ihr genagt.

Daniel sah weiterhin verständnislos drein, aber es war deutlich zu sehen, dass Jemima begriffen hatte.

Sie schlug sich sofort auf die Seite der Mutter. »Wenn die impertinente Person nicht von sich aus gegangen wäre, hättest du sie unbedingt vor die Tür setzen müssen.« »Impertinent« war ihr neues Lieblingswort, wenn es darum ging, jemanden herabzusetzen.

»Das stimmt«, gab ihr Charlotte Recht. Eigentlich hatte sie den beiden sagen wollen, dass sie auf jeden Fall nach Irland musste, unterließ es aber einstweilen. Vielleicht war es besser, diese Dinge eines nach dem anderen anzusprechen. Es gab

Er gab sie ihr. »Und was passiert jetzt mit Mr Narraway? Hilft Papa ihm?«

»Das kann er nicht«, gab ihm Jemima zu verstehen. »Er ist doch in Frankreich.« Sie sah fragend zu ihrer Mutter hin, in der Hoffnung, dass diese sie unterstützte, wenn sie Recht hatte.

»Wer dann?«, ließ Daniel nicht locker.

Charlotte holte tief Luft. »Ich, wenn mir etwas einfällt, was ich tun kann. Jetzt frühstückt bitte zu Ende, damit ich euch verabschieden und danach anfangen kann, mich um einen Ersatz für Mrs Waterman zu kümmern.«

Doch als sie sich eine Schürze umgebunden hatte und sich vor den Herd kniete, um die Asche auszuräumen und alles für ein frisches Feuer vorzubereiten, das sie nach ihrer Rückkehr entzünden würde, kam ihr die Aufgabe, eine neue Haushaltshilfe zu finden, nicht annähernd so einfach vor, wie sie das Daniel und Jemima gegenüber hingestellt hatte. Sie wollte nicht nur eine Hausangestellte haben, die kochte und putzte, sondern eine absolut zuverlässige und umgängliche Frau, die wusste, was zu tun war, mit wem man Verbindung aufnehmen musste, wenn die Situation es erforderte, und die das auch tun würde.

Wen könnten die Kinder um Hilfe bitten, wenn sie in Irland wäre? War es überhaupt richtig, dorthin zu reisen? Was war vorrangig? Sollte sie die neue Kraft, vorausgesetzt, sie fand eine, bitten, Großtante Vespasia anzurufen, falls sie Hilfe brauchte? Genau genommen waren sie nicht miteinander verwandt, denn Vespasia war die Großtante von Emilys erstem Mann Lord Ashworth gewesen, doch hatte sich schon bald ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen ihnen entwickelt. Trotz