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»Das klingt eindrucksvoll«, sagte sie mit so viel Begeisterung, wie sie aufbringen konnte, nahm seinen Arm und ging mit ihm zur Haustür. Sie drehte sich nicht um, um zu sehen, ob Narraway sie beobachtete. »Liegen diese Orte weit von Dublin entfernt?«

»Es ist eine gewisse Strecke, aber die Fahrt lohnt sich unbedingt«, gab McDaid zurück. »Irland ist sehr viel mehr als Dublin, müssen Sie wissen.«

»Das kann ich mir denken. Ich weiß die Großzügigkeit zu schätzen, mit der Sie mich an der Schönheit Ihres Landes teilhaben lassen. Bitte berichten Sie mir mehr über diese Orte.«

Dazu war er gern bereit, und sie hörte ihm auf der kurzen Fahrt zum Konzertsaal mit aufmerksamer Miene zu. Zu jeder anderen Zeit wäre sie sogar wirklich so interessiert gewesen,

An den Türen des Konzertsaals drängten sich die Menschen bereits, und sie mussten sich beeilen, um gute Plätze in einer der vorderen Reihen zu finden. Das war Charlotte ganz recht, weil sie auf diese Weise einen möglichst großen Abstand von Narraway halten konnte und niemand den Eindruck gewann, sie könnten zueinander gehören – außer natürlich McDaid, auf dessen Diskretion sie sich verlassen musste.

Die anderen Damen waren ausgesprochen modisch gekleidet, doch in ihrer schwarz und bronzefarben gestreiften Bluse fühlte sie sich ihnen allen gleichwertig, auch wenn sie nach wie vor das schlechte Gewissen peinigte, weil sie zugelassen hatte, dass Narraway dafür bezahlte, und sie noch nicht wusste, auf welche Weise sie Pitt diesen kostbaren Besitz erklären wollte. Im Augenblick aber genoss sie es, dass Männer wie Frauen sie aufmerksam musterten und dann ein zweites Mal hersahen, sei es bewundernd, sei es neidvoll. Sie lächelte ein wenig, nur gerade so viel, dass man es ihr nicht als selbstgefällig auslegen konnte, und mit dem gleichen Lächeln erwiderte sie das Nicken, mit dem Menschen sie begrüßten, die sie bei früheren Gelegenheiten kennengelernt hatte.

Als sie Plätze gefunden hatten, setzte sie sich mit durchgedrücktem Rücken hin und musterte scheinbar interessiert die noch leeren Stühle der Musiker auf dem Podium.

Dann sah sie sich diskret um und erkannte Dolina Pearse. Im letzten Augenblick vermied sie es, sie anzusehen. Neben Dolina ließ Talulla Lawless betont unauffällig ihren Blick durch den Saal wandern. Offensichtlich suchte sie jemanden. Charlotte, die der Richtung ihrer Blicke zu folgen versuchte, spürte,

Der Zeremonienmeister trat auf das Podium, um den Beginn des Konzerts anzukündigen, und sogleich verstummte das Stimmengewirr. Etwas mehr als eine Stunde lauschten die Besucher angespannt den Klängen der Musik und gaben sich den Empfindungen hin, die sie in ihnen weckte. Sie waren so angenehm, dass Charlotte lächeln musste. Es kostete sie nicht die geringste Mühe, den Anschein zu erwecken, als sei sie wunschlos glücklich.

Doch kaum war der Applaus nach dem Ende des Musikstücks vorüber, als ihre Gedanken zum Anlass ihrer Anwesenheit zurückkehrten. Vor allem aber wollte sie wissen, wo sich Narraway aufhielt. Unwillkürlich musste sie an den Ausdruck auf Talullas Gesicht denken. Möglicherweise hatte das, was Charlotte für Narraway tun konnte, absolut nichts mit Cormac O’Neil zu tun, und es war wichtiger, ihm beizustehen, falls Talulla auf den Gedanken kam, ihm eine Szene zu machen.

Sie warf McDaid ein flüchtiges Lächeln zu, stand auf und ging dorthin, wo Talulla saß, wobei sie überlegte, was sie ihr sagen konnte, ganz gleich, ob es der Wahrheit entsprach oder nicht. Sie erreichte Talulla gerade in dem Augenblick, als diese ihren Platz verlassen wollte. Dabei stießen sie so heftig zusammen, dass Charlotte beinahe umgefallen wäre. Talulla sah sie verblüfft an.

»Das tut mir aufrichtig leid«, entschuldigte sich Charlotte, obwohl Talulla sie angestoßen hatte. »Meine Begeisterung hat mich wohl unaufmerksam sein lassen.«

»Sie sind begeistert?«, fragte Talulla kalt. Auf ihren Zügen lag unverhüllte Ungläubigkeit.

»Ja, von der Harfenistin«, sagte Charlotte rasch. »Ich habe noch nie beeindruckendere Musik gehört.« Sie suchte verzweifelt nach etwas, was sie sagen konnte.

»Dann will ich Sie nicht daran hindern, mit ihr zu sprechen«, gab Talulla zurück. »Sie finden sie bestimmt sehr angenehm. «

»Kennen Sie sie?«, fragte Charlotte eifrig.

»Nur dem Namen nach. Ehrlich gesagt habe ich auch nicht die Absicht, sie zu belästigen«, gab Talulla scharf zurück. »Bestimmt gibt es viele Leute, die unbedingt mit ihr sprechen wollen.«

»Ich wäre Ihnen aufrichtig dankbar, wenn Sie mich ihr vorstellen könnten«, fuhr Charlotte fort, indem sie die Zurückweisung einfach überging.

»Ich bedaure, Ihnen dabei nicht behilflich sein zu können.« Talulla gab sich keinerlei Mühe, ihre Ungehaltenheit zu verbergen. » Wie gesagt, ich kenne sie nicht. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht …«

»Ach je«, sagte Charlotte in enttäuschtem Ton. »Aber Sie haben doch gesagt, ich würde sie angenehm finden«, gab sie herausfordernd zurück. Sie wagte nicht, den Blick auf die Stelle zu richten, an der sie Narraway im Gespräch mit Ardal Barralet erkannt hatte.

»Ja, aber nur aus reiner Höflichkeit«, blaffte Talulla sie an. »Und jetzt, Mrs Pitt, muss ich gehen, damit ich die Leute nicht verpasse, mit denen ich dringend zu reden habe. Sie entschuldigen mich wohl.« Mit diesen Worten schob sie Charlotte förmlich aus dem Weg, so dass sie beiseitetreten musste,

Narraway stand nach wie vor am anderen Ende des Saals und unterhielt sich mit Barralet. Als Charlotte sah, dass Talulla genau in diese Richtung strebte, folgte sie ihr mit einigen Schritten Abstand. Ungefähr in der Mitte des Ganges zwischen den Stuhlreihen blieb Talulla unvermittelt stehen, was Charlotte ebenfalls dazu nötigte.

Dann sah sie, warum Talulla nicht weitergegangen war. Eine kleine Menschentraube hatte sich dort gebildet, wo Narraway, der sich wohl inzwischen von Ardal Barralet verabschiedet hatte, Cormac O’Neil gegenüberstand. Phelim O’Conor sah von einem zum anderen, Bridget Tyrone stand rechts von ihm.

Einige Augenblicke rührte sich keiner der beiden Männer, dann holte Cormac tief Luft und stieß zwischen den Zähnen hervor: »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so unverfroren sein könnten, sich noch einmal in Irland zu zeigen.« Dabei sah er Narraway unverwandt an. »Wen wollen Sie diesmal ins Unglück stürzen? Mulhare ist tot – haben Sie das etwa nicht gewusst? « Seine Worte waren kaum zu verstehen, denn seine Stimme bebte, und er zitterte am ganzen Leibe.

Heftige Gefühle erfüllten die Menschen um die beiden herum. Es war, als fege der Wind durch ein Getreidefeld.

»Doch, das ist mir bekannt«, sagte Narraway, der keinen Schritt zurückwich, obwohl Cormac dicht vor ihm stand. »Jemand hat das Geld unterschlagen, das er bekommen sollte, damit er irgendwo im Ausland untertauchen und ein neues Leben anfangen konnte.«

»Jemand?«, höhnte Cormac. »Und vermutlich haben Sie keine Ahnung, wer das war?«

»Bisher nicht«, gab Narraway zurück, der sich nach wie vor nicht rührte, obwohl Cormac nur noch gut einen halben

Cormac verdrehte die Augen. »Wenn ich nicht genau im Bilde über Sie wäre, würde ich die Geschichte glauben. So aber bin ich sicher, dass Sie selbst das Geld gestohlen haben, Sie haben Mulhare ebenso verraten wie uns alle.«

Narraways Gesicht war jetzt kreideweiß. Seine Augen blitzten. »Damals herrschte Krieg, Cormac. Sie haben verloren, das ist alles …«

»Das ist eben nicht alles!«, stieß Cormac mit vor Hass verzerrtem Gesicht aus. »Ich habe dabei nicht nur meinen Bruder und meine Schwägerin verloren, sondern auch mein Land. Und jetzt kommen Sie her und sagen kaltschnäuzig: ›Das ist alles‹ …«

Gemurmel erhob sich in der Gruppe um ihn herum. Charlotte biss die Zähne zusammen. Sie wusste, was Narraway mit seiner Aussage gemeint hatte, aber er hatte wohl die Situation nicht recht bedacht und seine Worte nicht besonders glücklich gewählt. Dabei musste er doch wissen, dass die Menschen im Lande gegen ihn aufgebracht waren und er nichts beweisen konnte. Von London konnte er keine Unterstützung mehr erwarten; er war auf sich allein gestellt, und es sah ganz so aus, als werde er die Partie verlieren.