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»Kate und Narraway wurden ein Liebespaar«, sagte Cormac mit Bitterkeit in der Stimme. »Sie hat uns gesagt, was er plante, er und die anderen Engländer. Zumindest hat sie behauptet, dass es so war.« Der Kummer war seiner Stimme deutlich anzuhören.

»Hat es denn nicht gestimmt?«, fragte sie, als er nicht weitersprach.

»Er hat sie belogen. Durch sie wusste er, was wir vorhatten. Irgendwo muss sie einen Fehler begangen haben.« Die Tränen liefen ihm über die Wangen, und er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. »Er hat uns lauter Lügen aufgetischt, und wir haben ihm geglaubt. Der Aufstand wurde verraten. Eine furchtbare Dummheit. Man hat Kate die Schuld daran gegeben!« Er schluckte, sah auf die Wand, als könne er dort alle an jener Tragödie Beteiligten vor sich sehen.

»Die Leute sind dahintergekommen, dass sie uns belogen hatte«, fuhr er fort. »Natürlich war das Narraways Schuld; er

Die tiefe Wut, die aus ihm sprach, erschütterte sie. Er schien körperlich darunter zu leiden wie unter einer Krankheit. Seine Haut war fleckig, sein Gesicht wirkte aufgequollen. Früher musste er einmal gut ausgesehen haben.

»Was ist mit ihr geschehen?« Es war grausam, diese Frage zu stellen, aber es war Charlotte klar, dass die Geschichte damit nicht zu Ende war, und sie musste sie aus seinem Mund hören, nicht nur von Narraway.

»Man hat sie umgebracht, erwürgt«, sagte er. »Die schöne Kate.«

»Das tut mir sehr leid.« Es war ihr ernst damit. Sie versuchte sich die Frau vorzustellen, die Cormac beschrieben hatte, mit ihrer Leidenschaft, ihren Träumen, doch vergebens: Das Bild war die Erinnerung eines Mannes, der einen Schatten aus der Vergangenheit liebte. Kate hatte aufgehört zu atmen und zu lachen, sie konnte nicht mehr wachen und schlafen wie andere Menschen, nicht mehr verletzt werden und keine Fehler mehr begehen.

»Es hieß, Sean hätte sie umgebracht«, fuhr er fort. »Aber das kann nicht sein. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie unsere Sache nie im Leben verraten hätte. Auch das war wieder Narraways Werk. Er hat sie umgebracht, damit sie unseren Leuten nicht sagen konnte, was er getan hatte, denn dann hätte er Irland nie und nimmer lebend verlassen.« Er sah Charlotte verzweifelt an, Tränen quollen ihm aus den Augen. Offensichtlich wartete er auf ihre Reaktion.

Sie zwang sich zu sprechen. »Warum hätte er das tun sollen? Und haben Sie Beweise dafür?«, fragte sie. »Ich meine, können Sie mir irgendetwas in die Hand geben, was ich nach

»Er hat sie umgebracht, weil sie nicht bereit war, ihm zu sagen, was er von ihr erfahren wollte. Aber glauben Sie, dass er noch am Leben wäre, wenn ich solche Beweise hätte?«, fragte Cormac scharf. »In dem Fall wäre der arme Sean nicht gehängt worden, und die arme Talulla wäre nicht als Waisenkind aufgewachsen.«

Entgeistert stieß Charlotte hervor: »Talulla?«

»Ja, sie ist Kates und Seans Tochter«, sagte er schlicht. »Wussten Sie das nicht? Nach dem Tod der beiden hat sich eine Kusine um sie gekümmert und sich bemüht, sie so gut es ging vor dem Hass zu bewahren, den man ihrer Mutter allgemein entgegenbrachte. Das arme Kind.«

Die entsetzliche Tragödie überwältigte Charlotte. Sie wollte etwas sagen, was dem Verlust angemessen war, doch alles, was ihr einfiel, war banal.

»Das tut mir leid«, sagte sie. »Ich …«

Er hob den Blick zu ihr. »Und Sie fahren jetzt also nach London, um das jemandem zu berichten?«

»Ja … das werde ich tun.«

»Dann seien Sie vorsichtig«, mahnte er sie. »Narraway lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Wenn es ihm für sein Überleben nötig erscheint, würde er auch Sie umbringen.«

»Ich werde vorsichtig sein«, versprach sie. »Ich denke, ich muss noch ein wenig mehr in Erfahrung bringen, aber ich

Er begleitete sie zur Tür und hielt sie ihr auf, bot ihr aber nicht an, für sie nach einer Droschke Ausschau zu halten. Es war, als habe sie für ihn in dem Augenblick aufgehört, wirklich zu sein, da sie den Fuß auf den Weg zur Gartenpforte setzte.

»Wo warst du so lange?«, wollte Narraway wissen, als sie in Mrs Hogans Salon trat. Er hatte am Fenster gestanden, war unter Umständen sogar unruhig auf und ab gegangen. Er wirkte erschöpft und angespannt, wie von einer großen Furcht befallen. »Ist alles in Ordnung? Wer hat dich herbegleitet? Wo ist er jetzt?«

»Ja, mit mir ist alles in Ordnung«, gab sie zurück. »Niemand hat mich herbegleitet.«

»Du warst allein unterwegs?« Seine Stimme klang unsicher. »Allein in der Dunkelheit auf der Straße? Um Gottes willen, Charlotte, was ist mit dir los? Da hätte dir wer weiß was zustoßen können, und ich hätte womöglich nicht einmal etwas davon erfahren!« Er fasste nach ihrem Arm. Sie spürte die Kraft seiner Hand und fragte sich, ob ihm wohl bewusst war, wie fest er sie hielt.

»Mir ist aber nichts zugestoßen, Victor. Ich war nicht weit weg. Außerdem ist es noch gar nicht spät. Draußen sind viele Leute unterwegs«, versicherte sie ihm.

»Du hättest dich verlaufen können …«

»Dann hätte ich nach dem Weg gefragt«, gab sie zurück. »Bitte … du hast keinen Grund, dich zu beunruhigen. Ein kleiner Umweg hierher schadet mir nicht.«

»Du hättest …«, setzte er an, sprach aber nicht weiter, vielleicht weil ihm bewusst geworden war, wie sehr er es mit seiner Besorgnis übertrieb. Er ließ sie los. »Entschuldige. Ich …«

Sie sah ihn an. Das war ein Fehler. Einen Moment lang war in seinen Augen unverhüllt zu sehen, was er empfand. Es wäre ihr lieber gewesen, nicht zu wissen, dass ihm so viel an ihr lag. Künftig würde es ihnen beiden unmöglich sein, sich weiterhin ahnungslos zu stellen; sie konnte nicht mehr so tun, als sei ihr nicht bewusst, dass er sie liebte.

Sie wandte sich ab und spürte, wie ihre Wangen brannten. Es gab keine Worte, mit denen sie die Wahrheit nicht bagatellisiert hätte.

Er stand reglos da.

Nach einer Weile sagte sie: »Ich war bei Cormac O’Neil.«

»Was?«

»Es war ganz harmlos. Ich wollte einfach aus seinem Munde hören, was damals genau geschehen ist, oder zumindest, was er glaubt, was damals geschehen ist.«

»Und was hat er gesagt?«, fragte Narraway rasch mit einer Stimme, in der unüberhörbar Anspannung lag.

Sie wollte ihn nicht ansehen, sich nicht in alten Kummer hineindrängen, der offensichtlich noch ganz frisch war. Doch es wäre feige gewesen, auszuweichen. Sie sah ihm in die Augen, teilte ihm mit, dass Talulla Kates Tochter war, und wiederholte, was Cormac sonst noch gesagt hatte.

»Wahrscheinlich sieht er das tatsächlich so«, sagte Narraway, nachdem sie geendet hatte. »Gut möglich, dass er es nicht fertigbringt, mit der Wahrheit zu leben. Kate war wirklich schön.« Als er das sagte, trat ein flüchtiges Lächeln auf seine Züge. In jenem Augenblick konnte sie sich vorstellen, wie er zwanzig Jahre zuvor gewesen war: jünger, männlicher, vielleicht weniger weise.

»Kaum ein Mann konnte ihr widerstehen«, fuhr er fort. »Ich habe es gar nicht erst versucht. Mir war bewusst, dass die Iren sie dazu benutzten, mich zu ködern. Sie war tapfer und leidenschaftlich …« Er lächelte. »Vielleicht eine Spur humorlos, aber bedeutend klüger, als den Leuten auf der anderen Seite bewusst war. Das ist bei schönen Frauen manchmal so. Die Leute sehen dann nur das Äußere, vor allem Männer. Der Mensch sieht, was er sehen möchte, das ist die unbequeme Wahrheit.«

Charlotte runzelte die Brauen, während sie an Kate dachte. Andere hatten sie als Spielfigur eingesetzt, wenngleich als eine, um die sie kämpften, die sie begehrten. »Wieso sagst du, dass sie klug war?«, fragte sie.

»Wir haben uns unterhalten – über die Sache der Iren, deren Pläne. Ich habe sie davon überzeugt, dass sich deren Vorhaben für die irische Seite als Bumerang erweisen würde. Das entsprach der Wahrheit – es hätte eine Unzahl von Toten gegeben, und sie wären auf grausame Weise umgekommen. Aufstände dieser Art drängen den Gegner nicht in die Defensive und bringen ihn auch nicht dazu, sich zu ergeben. Sie haben genau die gegenteilige Wirkung. Mit einem Erfolg hätten die Iren lediglich die verschiedenen Lager in England gegen die Aufständischen geeinigt und überdies sämtliche Sympathien in allen Ländern Europas eingebüßt, wenn nicht gar bei einigen ihrer eigenen Leute. Kate hat mir in Einzelheiten berichtet, was sie planten, damit ich der Sache Einhalt gebieten konnte.«