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Hier erlahmte Miss Gilchrists Redeschwall.

Mr. Entwhistle nutzte die Gunst des Moments. «Alle wesentlichen Tatsachen habe ich bereits von Inspector Morton erfahren. Aber wenn es Sie nicht zu sehr belastet, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir alles selbst noch einmal berichten könnten .»

«Aber natürlich, Mr. Entwhistle. Ich weiß genau, was Sie meinen. Die Polizei ist immer so unpersönlich, nicht? Und natürlich zu Recht.»

«Am Abend zuvor war Mrs. Lansquenet also von der Beerdigung nach Hause gekommen.» Mr. Entwhistle gab ihr das Stichwort.

«Ja, der Zug kam erst sehr spät. Ich hatte ihr ein Taxi bestellt, das sie am Bahnhof abholte; darum hatte sie mich gebeten. Sie war sehr müde, die Arme - kein Wunder -, aber sonst war sie guter Dinge.»

«Ja, ja. Hat sie etwas von der Beerdigung erzählt?»

«Nur kurz. Ich habe ihr einen Becher heiße Milch gemacht -sonst wollte sie nichts -, und sie erzählte mir, dass die Kirche sehr voll gewesen war und lauter Blumen überall. Ach ja, und sie sagte, es täte ihr sehr Leid, dass sie ihren anderen Bruder nicht gesehen hatte - Timothy heißt er, nicht?»

«Ja, Timothy.»

«Sie sagte, sie hätte ihn seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen und hätte gehofft, dass er kommen würde; aber dann hat sie verstanden, dass es für ihn unter den Umständen viel besser war, nicht zu kommen, aber dass seine Frau da gewesen war und dass sie Maude nie hatte leiden können - ach du meine Güte, bitte verzeihen Sie, Mr. Entwhistle ... das ist mir so herausgerutscht - ich wollte nicht ...»

«Das macht gar nichts», beschwichtigte Mr. Entwhistle. «Ich gehöre nicht zur Familie. Und soweit ich weiß, haben Cora und ihre Schwägerin sich nie besonders gut verstanden.»

«Das hat sie in etwa auch gesagt. <Ich hab immer gewusst, dass Maude zu einem herrschsüchtigen Drachen werden würde), hat sie gesagt. Und dann wurde sie sehr müde und wollte gleich ins Bett - ich hatte ihr schon eine Wärmflasche gemacht - und dann ist sie nach oben gegangen.»

«Sonst hat sie, soweit Sie sich erinnern, nichts Besonderes gesagt?»

«Sie hatte keine Vorahnung, wenn Sie das meinen, Mr. Entwhistle. Da bin ich mir sicher. Sie war bester Laune - von ihrer Müdigkeit einmal abgesehen, und von - nun ja, dem traurigen Anlass. Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, nach Capri zu fahren. Nach Capri! Ich sagte natürlich, das wäre wunderbar -das hätte ich mir nie träumen lassen, eine solche Reise zu machen -, und sie sagte: <Dann fahren wir!> Einfach so. Ich habe vermutet - obwohl sie es nicht ausdrücklich sagte -, dass ihr Bruder ihr eine Leibrente oder so vermacht hat.»

Mr. Entwhistle nickte.

«Die Arme. Aber zumindest hat sie sich noch freuen und Pläne machen können ...» Miss Gilchrist seufzte. «Jetzt werde ich wohl nie nach Capri kommen ...», murmelte sie wehmütig.

«Und am nächsten Morgen?», fragte Mr. Entwhistle weiter, ohne auf Miss Gilchrists Enttäuschung einzugehen.

«Am nächsten Morgen fühlte Mrs. Lansquenet sich gar nicht wohl. Sie sah auch schrecklich aus. Sie sagte, sie hätte kaum ein Auge zugetan. Alpträume. <Das kommt davon, weil Sie gestern übermüdet waren>, sagte ich ihr, und sie meinte, ich könnte Recht haben. Sie wollte im Bett frühstücken und ist gar nicht aufgestanden, und mittags sagte sie mir, sie habe immer noch nicht schlafen können. <Ich bin so unruhig>, sagte sie mir. <Mir gehen ständig lauter Sachen durch den Kopf.> Und dann meinte sie, sie würde ein paar Schlaftabletten nehmen und versuchen, am Nachmittag zu schlafen. Sie bat mich, mit dem Bus nach Reading zu fahren, ihre zwei Bücher in der Bücherei abzugeben und zwei neue zu holen, weil sie die beiden auf der Zugfahrt ausgelesen hatte und nichts mehr hatte. Normalerweise reichten ihr zwei Bücher für eine Woche. Also bin ich kurz nach zwei aus dem Haus und das ... das ... das war das letzte Mal .»

Miss Gilchrist schniefte dezent. «Wissen Sie, sie muss geschlafen haben. Sie wird nichts gehört haben, und der Inspector hat mir versichert, dass sie nicht gelitten hat ... Er glaubt, dass schon der erste Schlag tödlich war. Ach, mir wird ganz anders, wenn ich nur daran denke!»

«Bitte, beruhigen Sie sich. Es liegt mir fern, Sie mit der Bitte um weitere Einzelheiten zu behelligen. Ich wollte nur hören, was für einen Eindruck Sie von Mrs. Lansquenet hatten, bevor die Tragödie passierte.»

«Das kann ich verstehen. Sagen Sie ihrer Familie doch bitte, dass sie abgesehen von der schlimmen Nacht sehr glücklich war und sich auf die Zukunft freute.»

Bevor Mr. Entwhistle weitersprach, zögerte er ein wenig. Er wollte der Zeugin keine Suggestivfrage stellen.

«Sie hat keinen ihrer Verwandten besonders erwähnt?»

«Nein, nicht, dass ich wüsste», antwortete Miss Gilchrist langsam. «Außer, dass sie sagte, es täte ihr Leid, ihren Bruder Timothy nicht gesehen zu haben.»

«Über den Tod ihres Bruders hat sie nichts gesagt? Über ...

äh ... die Todesursache? Etwas in der Richtung?»

«Nein.»

Auf Miss Gilchrists Gesicht war kein Aufblitzen zu sehen, was sicher der Fall gewesen wäre, wenn Cora ihr von ihrer Mordtheorie erzählt hätte, dachte Mr. Entwhistle.

«Soweit ich weiß, war er schon einige Zeit krank», fuhr Miss Gilchrist fort. «Obwohl ich überrascht war, das zu hören. Er sah völlig gesund aus.»

«Wann haben Sie ihn gesehen?», fragte Mr. Entwhistle rasch.

«Als er Mrs. Lansquenet besuchen kam.»

«Wann war das?»

«Vor ungefähr drei Wochen.»

«Hat er hier übernachtet?»

«Aber nein, er ist nur zum Mittagessen gekommen. Ganz überraschend. Mrs. Lansquenet hatte ihn gar nicht erwartet. Soweit ich weiß, hatte es in der Familie Streit gegeben. Sie sagte mir, sie hätte ihn seit Jahren nicht gesehen.»

«Ja, das stimmt.»

«Es hat sie sehr aufgewühlt - ihn zu sehen, meine ich ... und wahrscheinlich zu sehen, wie krank er war ...»

«Wusste sie, dass er krank war?»

«Oh ja, daran erinnere ich mich genau. Weil ich mich fragte - nur im Stillen, verstehen Sie mich recht -, ob Mr. Abernethie vielleicht an Gehirnerweichung litt. Eine Tante von mir ...»

Geschickt lenkte Mr. Entwhistle von der Tante ab.

«Etwas, das Mrs. Lansquenet sagte, ließ Sie also denken, dass er an Gehirnerweichung litt?»

«Ja. Mrs. Lansquenet sagte etwas wie: <Der arme Richard. Mortimers Tod muss ihm sehr zugesetzt haben. Er klingt, als wäre er senil. Er hat die fixe Idee, dass er verfolgt wird und jemand ihn vergiften will. Aber das passiert bei alten Leuten oft.> Und ich weiß, das stimmt wirklich. Die Tante, von der ich Ihnen erzählt habe - sie war überzeugt, die Dienstboten würden ihr Gift ins Essen tun, und zum Schluss hat sie nur noch gekochte Eier gegessen - weil man Eier nicht vergiften kann, meinte sie. Wir haben mitgespielt, obwohl ich nicht weiß, was wir heute tun würden, wo doch Eier so knapp sind und fast alle aus dem Ausland kommen. Deswegen sind weiche Eier höchst bedenklich.»

Mr. Entwhistle ließ die Saga von Miss Gilchrists Tante über sich ergehen, ohne weiter darauf zu achten. Dafür war er zu aufgewühlt.

Schließlich erstarb Miss Gilchrists Erzählstrom.

«Aber ich nehme an, Mrs. Lansquenet hat das alles nicht ernst genommen, oder?», fragte der Notar.

«Überhaupt nicht, Mr. Entwhistle, sie hat ihn gut verstanden.»

Auch diese Bemerkung gab Mr. Entwhistle zu denken, wenn auch nicht ganz in dem Sinn, wie Miss Gilchrist sie gemeint hatte.

Hatte Cora Lansquenet ihn wirklich verstanden? Vielleicht damals nicht, aber später. Hatte sie ihn nur allzu gut verstanden?

Mr. Entwhistle wusste, dass Richard Abernethie keineswegs senil gewesen war, sondern ganz im Gegenteil im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Und er war kein Mensch, der unter Verfolgungswahn litt. Er war, was er immer gewesen war - ein nüchterner Geschäftsmann -, und daran hatte auch seine Krankheit nichts geändert.