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Seltsam, dass er seiner Schwester so etwas gesagt haben sollte. Aber vielleicht hatte Cora mit ihrem kindlichen Vorwitz zwischen den Zeilen gelesen und sich einen eigenen Reim gemacht auf das, was ihr Bruder tatsächlich gesagt hatte.

Im Großen und Ganzen, dachte Mr. Entwhistle, war Cora sehr dumm und einfältig gewesen. Sie war labil gewesen, ohne jedes Urteilsvermögen, und hatte vieles vom simplen Standpunkt eines Kindes aus betrachtet, aber wie ein Kind hatte sie auch die frappante Fähigkeit besessen, manchmal den Nagel auf den Kopf zu treffen.

Dabei ließ Mr. Entwhistle es bewenden. Er war überzeugt, dass Miss Gilchrist ihm alles erzählt hatte, was sie wusste. Auf seine Frage, ob Cora Lansquenet womöglich ein Testament hinterlassen habe, erklärte Miss Gilchrist ohne Umschweife, das Testament liege bei der Bank.

Nachdem Mr. Entwhistle noch einige Vorkehrungen getroffen hatte, wollte er sich von Miss Gilchrist verabschieden. Er bestand darauf, ihr etwas Bargeld zu geben, um ihre laufenden Unkosten zu decken, und sagte ihr, er werde sich bald wieder bei ihr melden. Er würde sich freuen, wenn sie im Cottage wohnen bleiben würde, während sie sich nach einer neuen Stellung umsah. Das wäre ihr eine große Hilfe, meinte Miss Gilchrist, und sie habe auch überhaupt keine Angst.

Doch er entkam Miss Gilchrist nicht, ohne mit ihr noch einen Rundgang durch das kleine Haus zu machen und eine Anzahl von Bildern des verstorbenen Pierre Lansquenet zu betrachten, die alle im kleinen Esszimmer hingen. Ihn schauderte, als er sie sah - es waren vorwiegend Akte, gemalt von einem ebenso untalentierten wie detailversessenen Künstler. Außerdem musste der Notar mehrere kleine Ölbilder von hübschen Fischerdörfern bewundern, die Cora selbst angefertigt hatte.

«Polperro», sagte Miss Gilchrist stolz. «Da waren wir im letzten Jahr. Mrs. Lansquenet war entzückt, weil das Dorf so malerisch ist.»

Mr. Entwhistle betrachtete Ansichten von Polperro aus dem Südwesten, dem Nordwesten und vermutlich aus allen anderen Himmelsrichtungen. Mrs. Lansquenet sei zweifellos hingerissen gewesen, pflichtete er bei.

«Mrs. Lansquenet hatte versprochen, mir ihre Bilder zu vermachen», meinte Miss Gilchrist wehmütig. «Ich habe sie so bewundert. Auf diesem hier zum Beispiel kann man doch richtig sehen, wie die Wellen sich brechen, finden Sie nicht? Selbst wenn sie es vergessen hat - glauben Sie, ich könnte wenigstens eines zur Erinnerung behalten?»

«Das lässt sich bestimmt arrangieren», antwortete Mr. Entwhistle wohlwollend.

Dann konnte er sich verabschieden und ging zu einem Gespräch mit dem Bankmanager, auf das eine Unterredung mit Inspector Morton folgte.

FÜNFTES KAPITEL

I

«Du hast dich völlig verausgabt», sagte Miss Entwhistle in dem entrüsteten und herrischen Ton, den liebevolle Schwestern ihren Brüdern angedeihen lassen, deren Haushalt sie führen. «In deinem Alter solltest du solche Sachen nicht mehr machen. Was geht dich das alles überhaupt an, möchte ich wissen? Du bist doch pensioniert, oder nicht?»

Mr. Entwhistle erklärte versöhnlich, Richard Abernethie sei einer seiner ältesten Freunde gewesen.

«Das mag schon sein, aber Richard Abernethie ist tot. Also verstehe ich nicht, warum du dich noch in Sachen einmischen musst, die dich nichts angehen. Den Tod wirst du dir noch holen auf den grässlichen zugigen Bahnhöfen. Noch dazu ein Mord! Ich weiß überhaupt nicht, wieso sie ausgerechnet dich angerufen haben.»

«Sie haben sich an mich gewendet, weil sie in Coras Haus einen Brief mit meiner Unterschrift gefunden haben, in dem die Einzelheiten über die Beerdigung stehen.»

«Beerdigung! Nichts als Beerdigungen. Da fällt mir ein, vorhin hat noch einer von deinen hochverehrten Abernethies angerufen - ich glaube, er sagte Timothy. Von irgendwo in York-shire - es geht wieder um eine Beerdigung! Er sagte, er würde es später noch mal versuchen.»

Am Abend kam ein Anruf für Mr. Entwhistle. Als er den Hörer abnahm, hörte er am anderen Ende die Stimme Maude Abernethies.

«Gott sei Dank erreiche ich Sie endlich! Timothy ist in einem erbärmlichen Zustand. Die Sache mit Cora hat ihn völlig aus der Fassung gebracht.»

«Verständlicherweise», sagte Mr. Entwhistle.

«Wie bitte?»

«Ich sagte, das sei verständlich.»

«Wahrscheinlich.» Maude klang zweifelnd. «Wollen Sie damit sagen, dass es wirklich ein Mord war?»

(«Er ist doch ermordet worden, oder nicht?», hatte Cora gefragt. Aber hier war die Antwort eindeutig.)

«Ja, es war Mord», bestätigte Mr. Entwhistle.

«Mit einem Beil, heißt es in der Zeitung.»

«Ja.»

«Es ist absolut unglaublich», erklärte Maude, «dass Timothys Schwester - seine eigene Schwester - mit einem Beil ermordet worden sein soll!»

Mr. Entwhistle fand es nicht minder unglaublich. Die Welt, in der Timothy lebte, war jeglicher Gewalt so weit entrückt, dass man sich verleitet fühlte zu glauben, auch seine Verwandtschaft müsse davon verschont bleiben.

«Ich fürchte, man muss den Tatsachen ins Auge sehen.» Mr. Entwhistle blieb nachsichtig.

«Ich mache mir große Sorgen um Timothy. Das tut ihm alles gar nicht gut! Jetzt habe ich ihn ins Bett geschickt, aber er will unbedingt, dass ich Sie dazu überrede, nach Yorkshire zu kommen und ihn zu besuchen. Er hat Hunderte von Fragen -ob es eine gerichtliche Untersuchung geben wird, wer daran teilnehmen muss, wie bald die Beerdigung stattfinden kann und wo, wieviel Vermögen da ist, ob Cora eine Feuerbestattung wollte oder was und ob sie ein Testament hinterlassen hat ...»

Bevor die Liste zu lang wurde, unterbrach Mr. Entwhistle die Anruferin.

«Ja, sie hat ein Testament aufgesetzt. Sie hat Timothy zu ihrem Testamentsvollstrecker ernannt.»

«Ach du meine Güte, Timothy wird aber gar nichts tun können .»

«Die Kanzlei wird sich um alles Notwendige kümmern. Das Testament ist sehr einfach. Sie hat ihre Bilder und eine Amethystbrosche ihrer Hausdame, Miss Gilchrist, hinterlassen und alles andere Susan.»

«Susan? Warum denn Susan? Soweit ich weiß, hat sie Susan doch gar nicht gekannt - nur als Baby hat sie sie einmal gesehen.»

«Ich glaube, der Grund war, weil Susan angeblich eine Ehe einging, die der Familie nicht ganz standesgemäß erschien.»

Maude lachte verächtlich.

«Dabei ist Gregory noch um einiges besser als Pierre Lansquenet! Natürlich, zu meiner Zeit wäre es nie in Frage gekommen, einen Mann zu heiraten, der in einem Geschäft hinter der Theke steht - aber eine Apotheke ist immerhin was anderes als ein Kurzwarenladen - und zumindest wirkt Gregory ganz manierlich.» Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: «Heißt das auch, dass Susan das Geld bekommt, das Richard Cora vermacht hat?»

«Nein. Das Kapital wird gemäß der Verfügung in Richards Testament aufgeteilt. Nein, die arme Cora besaß nur ein paar hundert Pfund und die Möbel in ihrem Cottage. Wenn alle Schulden beglichen und die Möbel verkauft sind, werden meines Erachtens kaum mehr als höchstens fünfhundert Pfund bleiben.» Er fuhr fort: «Es wird natürlich eine gerichtliche Untersuchung geben, um die genaue Todesursache festzustellen. Der Termin ist für kommenden Donnerstag angesetzt. Wenn es Timothy recht ist, schicken wir den jungen Lloyd zu der Verhandlung, um sie im Namen der Familie zu verfolgen. Ich fürchte, der Fall könnte einiges Aufsehen erregen wegen der ... äh ... Umstände», fügte er entschuldigend hinzu.

«Wie unangenehm! Haben sie den Kerl schon gefasst?»

«Noch nicht.»

«Wahrscheinlich einer von diesen entsetzlichen unausgegorenen jungen Männern, die durchs Land streunen und nach Lust und Laune Leute ermorden. Die Polizei ist wirklich ausgesprochen unfähig.»