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226

Klugheit der Griechen. — Da das Siegen- und Hervorragen-wollen ein unüberwindlicher Zug der Natur ist, älter und ursprünglicher als alle Achtung und Freude der Gleichstellung, so hat der griechische Staat den gymnastischen und musischen Wettkampf innerhalb der Gleichen sanktioniert, also einen Tummelplatz abgegrenzt, wo jener Trieb sich entladen konnte, ohne die politische Ordnung in Gefahr zu bringen. Mit dem endlichen Verfalle des gymnastischen und musischen Wettkampfes geriet der griechische Staat in innere Unruhe und Auflösung.

227

«Der ewige Epikur.«— Epikur hat zu allen Zeiten gelebt und lebt noch, unbekannt denen, welche sich Epikureer nannten und nennen, und ohne Ruf bei den Philosophen. Auch hat er selber den eigenen Namen vergessen: es war das schwerste Gepäck, welches er je abgeworfen hat.

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Stil der Überlegenheit. — Studentendeutsch, die Sprechweise des deutschen Studenten, hat ihren Ursprung unter den nicht-studierenden Studenten, welche eine Art von Übergewicht über ihre ernsteren Genossen dadurch zu erlangen wissen, daß sie an Bildung, Sittsamkeit, Gelehrtheit, Ordnung, Mäßigung alles Maskeradenhafte aufdecken und die Worte aus jenen Bereichen zwar fortwährend ebenso im Munde führen, wie die Besseren, Gelehrteren, aber mit einer Bosheit im Blicke und einer begleitenden Grimasse. In dieser Sprache der Überlegenheit- der einzigen, die in Deutschland original ist — reden nun unwillkürlich auch die Staatsmänner und die Zeitungs-Kritiker: es ist ein beständiges ironisches Zitieren, ein unruhiges, unfriedfertiges Schielen des Auges nach Rechts und Links ein Gänsefüßchen- und Grimassen- Deutsch.

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Die Vergrabenen. — Wir ziehen uns ins Verborgene zurück: aber nicht aus irgend einem persönlichen Mißmute, als ob uns die politischen und sozialen Verhältnisse der Gegenwart nicht genugtäten, sondern weil wir durch unsere Zurückziehung Kräfte sparen und sammeln wollen, welche später einmal der Kultur ganz not tun werden, je mehr diese Gegenwart diese Gegenwart ist und als solche ihre Aufgabe erfüllt. Wir bilden ein Kapital und suchen es sicherzustellen: aber, wie in ganz gefährlichen Zeiten, dadurch, daß wir es vergraben.

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Tyrannen des Geistes. — In unserer Zeit würde man jeden, der so streng der Ausdruck eines moralischen Zuges wäre, wie die Personen Theophrasts und Molieres es sind, für krank halten, und von» fixer Idee «bei ihm reden. Das Athen des dritten Jahrhunderts würde uns, wenn wir dort einen Besuch machen dürften, wie von Narren bevölkert erscheinen. Jetzt herrscht die Demokratie der Begriffe in jedem Kopfe, — viele zusammen sind der Herr: ein einzelner Begriff, der Herr sein wollte, heißt jetzt, wie gesagt,»fixe Idee«. Dies ist unsere Art, die Tyrannen zu morden, — wir winken mach dem lrrenhause hin.

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Gefährlichste Auswanderung — In Rußland gibt es eine Auswanderung der Intelligenz: man geht über die Grenze, um gute Bücher zu lesen und zu schreiben. So wirkt man aber dahin, das vom Geiste verlassene Vaterland immer mehr zum vorgestreckten Rachen Asiens zu machen, der das kleine Europa verschlingen möchte.

232

Die Staats-Narren. — Die fast religiöse Liebe zum Könige ging bei den Griechen auf die Polis über, als es mit dem Königtum zu Ende war. Und weil ein Begriff mehr Liebe erträgt als eine Person, und namentlich dem Liebenden nicht so oft vor den Kopf stößt, wie geliebte Menschen es tun (- denn je mehr sie sich geliebt wissen, desto rücksichtsloser werden sie meistens, bis sie endlich der Liebe nicht mehr würdig sind, und wirklich ein Riß entsteht), so war die Polis- und Staats-Verehrung größer, als irgend je vorher die Fürsten-Verehrung. Die Griechen sind die Staats-Narren der alten Geschichte — in der neueren sind es andere Völker.

233

Gegen die Vernachlässigung der Augen. — Ob man nicht bei den gebildeten Klassen Englands, welche die Times lesen, alle zehn Jahre eine Abnahme der Sehkraft nachweisen könnte?

234

Große Werke und großer Glaube. — Jener hatte die großen Werke, sein Genosse aber hatte den großen Glauben an diese Werke. Sie waren unzertrennlich: aber ersichtlich hing der erstere völlig vom zweiten ab.

235

Der Gesellige. — »Ich bekomme mir nicht gut «sagte jemand, um seinen Hang zur Gesellschaft zu erklären.»Der Magen der Gesellschaft ist stärker als der meinige, er verträgt mich.»

236

Augen-Schließen des Geistes. — Ist man geübt und gewohnt, über das Handeln nachzudenken, so muß man doch beim Handeln selber (sei dieses selbst nur Briefschreiben oder Essen und Trinken) das innere Auge schließen. Ja, im Gespräch mit Durchschnittsmenschen muß man es verstehen, mit geschlossenen Denker-Augen zu denken, — um nämlich das Durchschnitts-Denken zu erreichen und zu begreifen. Dieses Augen-Schließen ist ein fühlbarer, mit Willen vollziehbarer Akt.

237

Die furchtbarste Rache. — Wenn man sich an einem Gegner durchaus rächen will, so soll man so lange warten, bis man die ganze Hand voll Wahrheiten und Gerechtigkeiten hat und sie gegen ihn ausspielen kann, mit Gelassenheit: so daß Rache üben mit Gerechtigkeit üben zusammenfällt. Es ist die furchtbarste Art der Rache: denn sie hat keine Instanz über sich, an die noch apelliert werden könnte. So rächte sich Voltaire an Piron, mit fünf Zeilen, die über dessen ganzes Leben, Schaffen und Wollen richten: soviel Worte, soviel Wahrheiten; so rächte sich derselbe an Friedrich dem Großen (in einem Briefe an ihn, von Ferney aus).

238

Luxus-Steuer. — Man kauft in den Läden das Nötige und Nächste und muß es teuer bezahlen, weil man mitbezahlt, was dort auch feil steht, aber nur selten seine Abnehmer hat: das Luxushafte und Gelüstartige. So legt der Luxus dem Einfachen, der seiner enträt, doch eine fortwährende Steuer auf.

239

Warum die Bettler noch leben. — Wenn alle Almosen nur aus Mitleiden gegeben würden, so wären die Bettler allesamt verhungert.

240

Warum die Bettler noch leben. — Die größte Almosenspenderin ist die Feigheit.

241

Wie der Denker ein Gespräch benutzt. — Ohne Horcher zu sein, kann man viel hören, wenn man versteht, gut zu sehen, doch sich selber für Zeiten aus den Augen zu verlieren. Aber die Menschen wissen ein Gespräch nicht zu benutzen; sie verwenden bei weitem zuviel Aufmerksamkeit auf das, was sie sagen und entgegnen wollen, während der wirkliche Hörer sich oft begnügt, vorläufig zu antworten und etwas als Abschlagszahlung der Höflichkeit überhaupt zu sagen, dagegen mit seinem hinterhaltigen Gedächtnisse alles davonträgt, was der andere geäußert hat, nebst der Art in Ton und Gebärde, wie er es äußerte. — Im gewöhnlichen Gespräche meint jeder der Führende zu sein, wie wenn zwei Schiffe, die nebeneinander fahren und sich hier und da einen kleinen Stoß geben, beiderseits im guten Glauben sind, ihr Nachbarschiff folge oder werde sogar geschleppt.

242

Die Kunst, sich zu entschuldigen. — Wenn sich jemand vor uns entschuldigt, so muß er es sehr gut machen: sonst kommen wir uns selber leicht als die Schuldigen vor und haben eine unangenehme Empfindung.

243

Unmöglicher Umgang. — Das Schiff deiner Gedanken geht zu tief, als daß du mit ihm auf den Gewässern dieser freundlichen, anständigen, entgegenkommenden Personen fahren konntest. Es sind da der Untiefen und Sandbänke zu viele: du würdest dich drehen und wenden müssen und in fortwährender Verlegenheit sein, und jene würden alsbald auch in Verlegenheit geraten — über deine Verlegenheit, deren Ursache sie nicht erraten können.

244

Fuchs der Füchse. — Ein rechter Fuchs nennt nicht nur die Trauben sauer, welche er nicht erreichen kann, sondern auch die, welche er erreicht und anderen vorweggenommen hat.

245

Im nächsten Verkehre. — Wenn Menschen auch noch so eng zusammengehören: es gibt innerhalb ihres gemeinsamen Horizontes doch noch alle vier Himmelsrichtungen, und in manchen Stunden merken sie es.

246

Das Schweigen des Ekels. — Da macht jemand als Denker und Mensch eine tiefe, schmerzhafte Umwandlung durch und legt dann öffentlich Zeugnis davon ab. Und die Hörer merken nichts! glauben ihn noch ganz als den alten! — Diese gewöhnliche Erfahrung hat manchen Schriftstellern schon Ekel gemacht: sie hatten die Intellektualität der Menschen zu hoch geachtet und gelobten sich, als sie ihren Irrtum wahrnahmen, das Schweigen an.

247

Geschäfts-Ernst. — Die Geschäfte manches Reichen und Vornehmen sind seine Art Ausruhens von allzulangem gewohnheitsmäßigem Müßiggang: er nimmt sie deshalb so ernst und passioniert, wie andere Leute ihre seltenen Muße-Erholungen und — Liebhabereien.

248

Doppelsinn des Auges. — Wie das Gewässer zu deinen Füßen eine plötzliche schuppenhafte Erzitterung überläuft, so gibt es auch im menschlichen Auge solche plötzliche Unsicherheiten und Zweideutigkeiten, bei denen man sich fragt: ist's ein Schaudern? ist's ein Lächeln? ist's beides?

249

Positiv und negativ. — Dieser Denker braucht niemanden, der ihn widerlegt: er genügt sich dazu selber.

250

Die Rache der leeren Netze. — Man nehme sich vor allen Personen in acht, welche das bittre Gefühl des Fischers haben, der nach mühevollem Tagewerk am Abend mit leeren Netzen heimfährt.

251

Sein Recht nicht geltend machen. — Macht ausüben kostet Mühe und erfordert Mut. Deshalb machen so viele ihr gutes, allerbestes Recht nicht geltend, weil dies Recht eine Art Macht ist, sie aber zu faul oder zu feige sind, es auszuüben. Nachsicht und Geduld heißen die Deckmantel-Tugenden dieser Fehler.

252

Lichtträger. — In der Gesellschaft wäre kein Sonnenschein, wenn ihn nicht die geborenen Schmeichelkatzen mit hineinbrächten, ich meine die sogenannten Liebenswürdigen.

253

Am mildtätigsten. — Wenn der Mensch eben sehr geehrt worden ist und ein wenig gegessen hat, so ist er am mildtätigsten.

254

Zum Lichte. — Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen. — Vor wem man glänzt, den läßt man gerne als Licht gelten.