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Die guten Drei. — Größe, Ruhe, Sonnenlicht- diese Drei umfassen alles, was ein Denker wünscht und auch von sich fordert: seine Hoffnungen und Pflichten, seine Ansprüche im Intellektuellen und Moralischen, sogar in der täglichen Lebensweise und selbst im Landschaftlichen seines Wohnsitzes. Ihnen entsprechen einmal erhebende Gedanken, sodann beruhigende, drittens aufhellende — viertens aber Gedanken, welche an allen drei Eigenschaften Anteil haben, in denen alles Irdische zur Verklärung kommt: es ist das Reich, wo die große Dreifaltigkeit der Freude herrscht.

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Für die» Wahrheit «sterben. — Wir würden uns für unsere Meinungen nicht verbrennen lassen: wir sind ihrer nicht so sicher. Aber vielleicht dafür, daß wir unsere Meinungen haben dürfen und ändern dürfen.

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Seine Taxe haben. — Wenn man gerade so viel gelten will, als man ist, muß man etwas sein, das seine Taxe hat. Aber nur das Gewöhnliche hat eine Taxe. Somit ist jenes Verlangen entweder die Folge einsichtiger Bescheidenheit — oder dummer Unbescheidenheit.

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Moral für Häuserbauer. — Man muß die Gerüste wegnehmen, wenn das Haus gebaut ist.

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Sophokleismus. — Wer hat mehr Wasser in den Wein gegossen als die Griechen! Nüchternheit und Grazie verbunden — das war das Adels-Vorrecht des Atheners zur Zeit des Sophokles und nach ihm. Mache es nach, wer da kann! Im Leben und Schaffen!

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Das Heroische. — Das Heroische besteht darin, daß man Großes tut (oder etwas in großer Weise nicht tut), ohne sich im Wettkampfe mit anderen, vor anderen zu fühlen. Der Heros trägt die Einöde und den heiligen unbetretbaren Grenzbezirk immer mit sich, wohin er auch gehe.

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Doppelgängerei der Natur. — In mancher Natur-Gegend entdecken wir uns selber wieder, mit angenehmem Grausen; es ist die schönste Doppelgängerei. — Wie glücklich muß der sein können, welcher jene Empfindung gerade hier hat, in dieser beständigen sonnigen Oktoberluft, in diesem schalkhaft glücklichen Spielen des Windzuges von Früh bis Abend, in dieser reinsten Helle und mäßigsten Kühle, in dem gesamten anmutig ernsten Hügel-, Seen- und Wald-Charakter dieser Hochebene, welche sich ohne Furcht neben die Schrecknisse des ewigen Schnees hingelagert hat — hier, wo Italien und Finnland zum Bunde zusammengekommen sind und die Heimat aller silbernen Farbentöne der Natur zu sein scheint: wie glücklich der, welcher sagen kann:»es gibt gewiß viel Größeres und Schöneres in der Natur, dies aber ist mir innig und vertraut, blutsverwandt, ja noch mehr.»

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Leutseligkeit des Weisen. — Der Weise wird unwillkürlich mit den anderen Menschen leutselig umgehen wie ein Fürst und sie, trotz aller Verschiedenheit der Begabung, des Standes und der Gesittung, leicht als gleichartig behandeln: was man, sobald es bemerkt wird, ihm sehr übel nimmt.

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Gold. — Alles, was Gold ist, glänzt nicht. Die sanfte Strahlung ist dem edelsten Metalle zu eigen.

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Rad und Hemmschuh. — Das Rad und der Hemmschuh haben verschiedene Pflichten, aber auch eine gleiche: einander wehe zu tun.

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Störungen des Denkers. — Auf alles, was den Denker in seinen Gedanken unterbricht (stört, wie man sagt), muß er friedfertig hinschauen, wie auf ein neues Modell, das zur Tür hereintritt, um sich dem Künstler anzubieten. Die Unterbrechungen sind die Raben, welche dem Einsamen Speise bringen.

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Viel Geist haben. — Viel Geist haben erhält jung: aber man muß es ertragen, damit gerade für älter zu gelten, als man ist. Denn die Menschen lesen die Schriftzüge des Geistes ab als Spuren der Lebenserfahrung, das heißt des Viel- und Schlimm-gelebt-habens, des Leidens, Irrens, Bereuens. Also: man gilt ihnen für älter sowohl als für schlechter, als man ist, wenn man viel Geist hat und zeigt.

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Wie man siegen muß. — Man soll nicht siegen wollen, wenn man nur die Aussicht hat, um eines Haa- res Breite seinen Gegner zu überholen. Der gute Sieg muß den Besiegten freudig stimmen, er muß etwas Göttliches haben, welches die Beschämung erspart.

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Wahn der überlegenen Geister. — Die überlegenen Geister haben Mühe, sich von einem Wahne frei zu machen: sie bilden sich nämlich ein, daß sie bei den Mittelmäßigen Neid erregen und als Ausnahme empfunden werden. Tatsächlich aber werden sie als das empfunden, was überflüssig ist und was man, wenn es fehlte, nicht entbehren würde.

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Forderung der Reinlichkeit. — Daß man seine Meinungen wechselt, ist für die einen Naturen ebenso eine Forderung der Reinlichkeit, wie die, daß man seine Kleider wechselt: für andere Naturen aber nur eine Forderung ihrer Eitelkeit.

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Auch eines Heros würdig. — Hier ist ein Heros, der nichts getan hat als den Baum geschüttelt, sobald die Früchte reif waren. Dünkt euch dies zu wenig? So seht euch den Baum erst an, den er schüttelte.

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Woran die Weisheit zu messen ist. — Der Zuwachs an Weisheit läßt sich genau nach der Abnahme an Galle bemessen.

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Den Irrtum unangenehm sagen. — Es ist nicht nach jedermanns Geschmack, daß die Wahrheit angenehm gesagt werde. Möge aber wenigstens niemand glauben, daß der Irrtum zur Wahrheit werde, wenn man ihn unangenehm sage.

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Die goldene Losung. — Dem Menschen sind viele Ketten angelegt worden, damit er es verlerne, sich wie ein Tier zu gebärden: und wirklich, er ist milder, geistiger, freudiger, besonnener geworden, als alle Tiere sind. Nun aber leidet er noch daran, daß er so lange seine Ketten trug, daß es ihm so lange an reiner Luft und freier Bewegung fehlte: — diese Ketten aber sind, ich wiederhole es immer und immer wieder, jene schweren und sinnvollen Irrtümer der moralischen, der religiösen, der metaphysischen Vorstellungen. Erst wenn auch die Ketten-Krankheit überwunden ist, ist das erste große Ziel ganz erreicht: die Abtrennung des Menschen von den Tieren. — Nun stehen wir mitten in unserer Arbeit, die Ketten abzunehmen, und haben dabei die höchste Vorsicht nötig. Nur dem veredelten Menschen darf die Freiheit des Geistes gegeben werden; ihm allein naht die Erleichterung des Lebens und salbt seine Wunden aus; er zuerst darf sagen, daß er um der Freudigkeit willen lebe und um keines weiteren Zieles willen; und in jedem anderen Munde wäre sein Wahlspruch gefährlich: Frieden um mich und ein Wohlgefallen an allen nächsten Dingen. — Bei diesem Wahlspruch für Einzelne gedenkt er eines alten großen und rührenden Wortes, welches allen galt, und das über der gesamten Menschheit stehengeblieben ist, als ein Wahlspruch und Wahrzeichen, an dem jeder zugrunde gehen soll, der damit zu zeitig sein Banner schmückt, — an dem das Christentum zugrunde ging. Noch immer, so scheint es, ist es nicht Zeit, daß es allen Menschen jenen Hirten gleich ergehen dürfe, die den Himmel über sich erhellt sahen und jenes Wort hörten:»Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen an einander.«— Immer noch ist es die Zeit der Einzelnen.

* * *

Der Schatten: Von allem, was du vorgebracht hast, hat mir nichts mehr gefallen als eine Verheißung: ihr wollt wieder gute Nachbarn der nächsten Dinge werden. Dies wird auch uns armen Schatten zugute kommen. Denn, gesteht es nur ein, ihr habt bisher uns allzugern verleumdet.

Der Wanderer: Verleumdet? Aber warum habt ihr euch nie verteidigt? Ihr hattet ja unsere Ohren in der Nähe.

Der Schatten: Es schien uns, als ob wir euch eben zu nahe wären, um von uns selber reden zu dürfen.

Der Wanderer: Delikat! Sehr delikat! Ach, ihr Schatten seid» bessere Menschen «als wir, das merke ich.

Der Schatten: Und doch nanntet ihr uns» zu- dringlich«— uns, die wir mindestens eines gut verstehen: zu schweigen und zu warten — kein Engländer versteht es besser. Es ist wahr, man findet uns sehr, sehr oft in dem Gefolge des Menschen, aber doch nicht in seiner Knechtschaft. Wenn der Mensch das Licht scheut, scheuen wir den Menschen: soweit geht doch unsere Freiheit.

Der Wanderer: Ach, das Licht scheut noch viel öfter den Menschen, und dann verlaßt ihr ihn auch.

Der Schatten: Ich habe dich oft mit Schmerz verlassen: es ist mir, der ich wißbegierig bin, an dem Menschen vieles dunkel geblieben, weil ich nicht immer um ihn sein kann. Um den Preis der vollen Menschen-Erkenntnis möchte ich auch wohl dein Sklave sein.

Der Wanderer: Weißt du denn, weiß ich denn, ob du damit nicht unversehens aus dem Sklaven zum Herrn würdest? Oder zwar Sklave bliebest, aber als Verächter deines Herrn ein Leben der Erniedrigung, des Ekels führtest: Seien wir beide mit der Freiheit zufrieden, so wie sie dir geblieben ist — dir und mir! Denn der Anblick eines Unfreien würde mir meine größten Freuden vergällen; das Beste wäre mir zuwider, wenn es jemand mit mir teilen müßte, — ich will keine Sklaven um mich wissen. Deshalb mag ich auch den Hund nicht, den faulen, schweifwedelnden Schmarotzer, der erst als Knecht des Menschen» hündisch «geworden ist und von dem sie gar noch zu rühmen pflegen, daß er dem Herrn treu sei und ihm folge wie sein —

Der Schatten: Wie sein Schatten, so sagen sie. Viel leicht folgte ich dir heute auch schon zu lange? Es war der längste Tag, aber wir sind an seinem Ende, habe eine kleine Weile noch Geduld! Der Rasen ist feucht, mich fröstelt.

Der Wanderer: Oh, ist es schon Zeit zu scheiden? Und ich mußte dir zuletzt noch wehe tun; ich sah es, du wurdest dunkler dabei.

Der Schatten: Ich errötete, in der Farbe, in welcher ich es vermag. Mir fiel ein, daß ich dir oft zu Füßen gelegen habe wie ein Hund, und daß du dann —

Der Wanderer: Und könnte ich dir nicht in aller Geschwindigkeit noch Etwas zu Liebe tun? Hast du keinen Wunsch?

Der Schatten: Keinen, außer etwa den Wunsch, welchen der philosophische» Hund «vor dem großen Alexander hatte: gehe mir ein wenig aus der Sonne, es wird mir zu kalt.

Der Wanderer: Was soll ich tun?

Der Schatten: Tritt unter diese Fichten und schaue dich nach den Bergen um; die Sonne sinkt.

Der Wanderer — Wo bist du? Wo bist du?